Eine Stadt liest ein Buch

Der Historische Krimi "Türkischrot" von Christiane Gibiec steht für neun Tage im kulturellen Mittelpunkt Wuppertals

von Frank Becker
Ein Tor zur Vergangenheit

Vor ein paar Jahren haben Kulturschaffende der Bergischen Metropole Wuppertal beschlossen, durch ein ambitioniertes jährliches Literatur-Projekt unter dem Motto "Wuppertal liest ein Buch" allen interessierten Bürgern einen Roman zu empfehlen, der durch seinen Autor, die Geschichte selbst oder durch andere Zusammenhänge mit der "Fabrikstadt an der Wupper" (Paul Zech) verbunden ist.

Die ersten Lese-Jahre gehörten Uwe Timm, Patrick Süskind und Hermann Schulz. Im Oktober 2008 gehören an neun Tagen immerhin 29 Veranstaltungen der Wuppertaler Autorin Christiane Gibiec, die 1999 mit ihrem historischen Kriminal-Roman "Türkischrot" ein Buch von beeindruckender atmosphärischer Dichte geschrieben hat, mit dem sie auf Anhieb die Bestsellerlisten erklomm und das noch immer zu den meistgelesenen Büchern der Region zählt. Die Geschichte um einen Mord im bigotten Milieu der Barmer Weber und Färber wurde seither zu einem Bühnenstück verarbeitet und zu Teilen verfilmt,  erfuhr öffentliche Lesungen und weckte das Interesse vieler Schulen, die den historisch hautnah erzählten Stoff in die Unterrichtspläne einbauten. Der Erfolg setzte sich mit einer "gesamtdeutschen", will sagen, nicht an die Region gebundenen Ausgabe fort. Nun also wird ganz Wuppertal sich für neun ereignisreiche Tage mit "Türkischrot" beschäftigen, was den Roman nicht nur in den Verkaufsregalen wieder ganz nach vorne rücken wird, sondern ihm einen Platz im Kanon der bleibenden Literatur verschafft.

Eröffnung mit Tessa Mittelstaedt

Es wird Lesungen mit prominenten Schauspielern und Sprechern an geschichtsträchtigen Orten wie

Tessa Mittelstaedt - Foto © Urban Ruths
dem Langdericht, einer Gründerzeit-Villa, einer alten Kirche, der "Alten Kornmühle und natürlich im Barmer Engels-Haus  geben, historische Führungen, Konzerte, Vorträge, Ausstellungen und Podiumsgespräche. Neben "Türkischrot" werden andere Texte der historischen Umgebung zu hören sein, so Auszüge aus dem Kommunistischen Manifest, aus Prozeßakten tatsächlicher historischer Kriminalfälle und eine spannende szenische Collage von Olaf Reitz, die das Leben des bergischen Räubers Carl Biebighäuser zum Inhalt hat. Olaf Reitz und Caroline Keufen, Hans Richter und Ingeborg Wolff, Nina Liesegang und Judith Genske, Hermann Schulz und nicht zuletzt Christiane Gibiec werden lesen.

Den Auftakt macht am 18. Oktober die Schauspielerin Tessa Mittelstaedt, die an den Wuppertaler Bühnen ihre Karriere begann und die nach einer erfolgreichen Bühnenkarriere jetzt in mehreren Fernseh-Serien und Mehrteilern, u.a. als Franziska Lüttgenjohann in der Kölner Tatort-Reihe,
bundesweite Bekanntheit genießt. Sie wird um 19.30 Uhr in der Gemarker Kirche im Herzen Barmens im Rahmen einer historischen Collage mit Musik aus "Türkischrot" lesen und das Tor zur Vergangenheit öffnen. Oberbürgermeister Peter Jung läßt es sich nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit in Anwesenheit der Autorin zur Eröffnung der Veranstaltungsreihe zu sprechen.

Worum es in dem Buch eigentlich geht, habe ich den Lesern 1999 in einer Literaturempfehlung erzählt:

Von Webern, Färbern und Mördern



Judith Genske - Foto © Frank Becker
"Das Warten auf den zweiten Bergischen Krimi von Christiane Gibi­ec hat sich gelohnt. Im historischen Gewand kommt er daher, vor­züglich und sorgfältig recherchiert, von ausgesuchten Kapazitä­ten fachlich unterstützt und beraten, sinnreich kommentiert und mit Originalzitaten angereichert.
Im Vormärz, Barmen 1845. Eingebettet in die farbige Schilderung der erschütternden sozi­alen Verhältnisse der Frühindustrialisierung Mitte des 19. Jahr­hunderts erzählt Gibiec die Geschichte der 17-jährigen Rieke, als Hausmädchen in Diensten des Fabrikanten vom Bruch, eines Leuteschinders und Großkapitalisten in Barmen. Es ist die Zeit Heinrich Heines, Adolf Kolpings, aufkommender Sozialismus- und Kommunismus-Ideen, erster Sozialkassen, die Zeit eines Friedrich Engels aus Barmen und eines Karl Marx aus Trier, aber auch Blüte der berüchtigten Sekten im Wuppertal zwischen Barmen und Elberfeld, dem Tal der Pietisten und Bigotterie.

Ingeborg Wolff - Foto © Frank Becker
Während es unter den ohnmächtigen, ausgebeuteten, Branntwein trinkenden Arbeitern gärt und dubiose Bet-Zirkel ihr Wesen trei­ben, geschieht ein Mord. Henriette vom Bruch, Gattin des Fabri­kanten wird pikanterweise durchgefärbt und tot in einem Bottich Türkischrot gefunden. Schnell in Verdacht und Untersuchungshaft gerät Samuel Kienholz, ein Färbergeselle bei vom Bruch, bekannt für seine aufrührerischen Reden. Da Rieke und ihr neuer Freund Bruno Laponte, Redakteur der "Barmer Zeitung" nicht an Samuels Schuld glauben, beginnen sie eigene Nachforschungen anzustel­len...
Christiane Gibiec ist ein Roman gelungen, der auch ohne die Kri­minalgeschichte spannend genug wäre, ihn nicht aus der Hand legen zu wollen. Das Buch hat alle Voraussetzungen, ein Bestseller zu werden und wird wärmstens empfohlen: Christiane Gibiec, "Türkisch­rot", Emons Verlag Köln, 190 Seiten + 25 Seiten Kommentar, 16,80 DM (heute 9,80 €)"

Ein Bestseller


Christiane Gibiec - Foto © Frank Becker
Nun, ein Bestseller ist er geworden. Darüber freuen sich der Emons Verlag und Christiane Gibiec, den Leser aber freut beim Wiederlesen, daß er ein ganz vortrefflich erzähltes Buch in der Hand hat.


Informationen über die Veranstaltungsreihe "Wuppertal liest ein Buch", über Orte, Termine und Namen finden Sie unter: www.wuppertalliesteinbuch.de
Informationen über den Roman gibt es beim Verlag unter:  www.emons.de


Veröffentlichung des Fotos von Tessa Mittelstaedt mit freundlicher Genehmigung von Urban Ruths: www.urbanruths.de