Die alte Geschichte neu erzählt

Markus Schauer – „Triumvirat, Der Kampf um das Imperium Romanum“

von Renate Wagner

Die alte Geschichte neu erzählt
 
Caesar – Pompeius - Crassus
 
Man stelle sich vor: Ein über die Maßen reicher Finanzmagnat; ein in allen seinen Schlachten siegreicher Feldherr; und ein grenzgenialer, aber skrupelloser Politiker würden sich zusammenschließen, ihre Mittel, Energien und Gefolgsleute bündeln. Was könnten sie heutzutage erreichen, oder, anders gesagt: anrichten?
Eine solche Situation gab es im Rom des Jahres 60 v. Chr. Die Geschichte nennt es das „Erste Triumvirat“, und daß der (von keinerlei Idealismus getragene!) Zusammenschluß von Gaius Iulius Caesar, Gnaeus Pompeius Magnus und Marcus Licinius Crassus die Römische Republik so weit erschütterte, daß danach ein neues Zeitalter, jenes des „Prinzipats“, anbrach, das ist bekannt.
 
Markus Schauer, Professor für Klassische Philologie an der Universität Bamberg, hat sich vorgenommen, die alte Geschichte neu zu erzählen, und er tut es so ausführlich wie nachdenklich. Dabei wendet er verschiedene Mittel an. Wenn er die drei Protagonisten zu Beginn an jenem Punkt ihrer Entwicklung darstellt, da sie sich gewissermaßen in einem „toten Eck“ befanden („Dreifacher Zorn“ nennt er es), da versucht er durchaus, ihre Situation aus der persönlichen Gemütslage zu begreifen. Danach aber stellt er ausführliche Überlegungen zum „Spielfeld der Geschichte“ an. Das beginnt mit den römischen Quellen, mit denen man sich auseinander setzen muß und die von der Nachwelt schon viel Historiker-Tadel erfahren haben (eine alt bekannte Diskussion). Dennoch zitiert Schauer später, im „biographischen“ Teil, oft in klug ausgewählten Sequenzen die Zeitgenossen, die ja doch sehr viel Kolorit einbringen.
Dann behandelt er die Problematik des biographischen Schreibens – geht es um „Fakten“ oder um „Charakterstudien“? Sein Buch macht klar: Er will beides, die Sicht von außen und von innen. Und er bettet seine drei Protagonisten, die mehr oder minder Zeitgenossen waren (Crassus war 14 Jahre, Pompeius 6 Jahre älter als Caesar), natürlich in ihre Zeit ein, die sie so nachdrücklich geprägt hat. Allein die Jugend, die sie im Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla erlebten, gab allen Lehren fürs Leben mit. Davor aber muß Scheuer noch den geistesgeschichtlichen (soziologischen, psychologischen, merkantilen) Hintergrund vom Zerbrechen der Römischen Republik erklären, die ja zur Zeit der drei Protagonisten bereits gewaltig bröckelte. (Dabei zitiert er und diskutiert er auch mit dem Leser die Meinung von Historiker-Kollegen…)
 
Jahrhundertelang hatte ein ausgeklügeltes System, das dafür sorgte, daß kein Einzelner zu viel Macht bekam, funktioniert – weil man sich daran hielt. Es gab für den Adel die vorgeschriebene Folge der Ämter, und hatte man es einmal zum höchsten Regierungsamt, dem Konsulat, gebracht, so stand einem ein zweiter (als Korrektiv) zur Seite und außerdem war der Zauber nach einem Jahr vorbei. Regiert wurde von oben nach unten, die Feinde (die Karthager) waren außen, die Expansion des Reiches verlief langsam. Die Situation war überschaubar.
Nicht mehr, als die Regelbrecher auftraten. Etwa die Forderung der adeligen Gracchen nach Ackergesetzen, die für etwas soziale Gerechtigkeit zwischen ganz Armen und viel zu Reichen sorgen sollten (was natürlich nicht gelang). Aber das Volk bekam durch die Partei der Popularen eine Stimme, während die Oberschicht durch die konservativen Optimaten vertreten war – politische Fakten, mit denen immer zu rechnen war.
Und dann traten Persönlichkeiten auf, die sich über alles hinwegsetzten wie Sulla, der zum blutigen Diktator wurde. Jahrelang lieferten er und Marius sich einen gnadenlosen Bürgerkrieg (wobei die Schreckensherrschaft des Marius nicht milder war als jene Sullas).
 
Man ist bei Seite 124, wenn sich Markus Schauer wieder den drei Protagonisten zuwendet und nun ihre Schicksale parallel erzählt. Das hat nur den einen Nachteil, daß er immer wieder Dinge wiederholen muß, da sie ja nicht nur in einem Leben passieren. Im übrigen ist man aber in drei unendlich spannende Geschichten verwickelt, deren oftmaliger Unübersichtlichkeit der Autor mit möglichst viel Klarheit begegnet.
Man lernt die Männer kennen, was sie bewegt, was sie taten, ihre Triumphe, Fehler, Niederlagen. Und man lernt die Zeit kennen, die der Autor so charakterisiert: „Das politische Spielfeld ist zu einem Kampffeld der Macht verroht, dessen Regeln durch beständigen Regelbruch unklar geworden sind.“
 
Crassus und Pompeius waren noch jung, aber schon alt genug, sich im Bürgerkrieg auf die Seite Sullas zu schlagen und davon zu profitieren – Crassus, damals auch noch ein erfolgreicher Feldherr, der durch die Proskriptionen (er kaufte billig die Besitztümer der Verurteilten) ebenso reich wurde wie durch Brände und Häuserbau in Rom; und Pompeius, der sich schon als Jugendlicher am Schlachtfeld hervortat und schon früh für seine Siege den Beinamen „Magnus“ erhielt. Crassus und Pompeius waren dermaßen Rivalen um die Gunst Sullas, daß ihre gegenseitige Animosität ein Leben lang anhielt. Caesar, noch halbwüchsig und auf der anderen Seite, hatte Mühe, das Sulla-Regime zu überleben (was rätselhafterweise gelang).
Danach begannen ihre „Aufstiege“, Crassus und Caesar als Anwälte, Pompeius mit seinem Talent für theatralische Selbstinszenierung weiter auf den Schlachtfeldern, wobei er sich große Verdienste in der Befriedung von „Asia“ und im Kampf gegen die Piraten erwarb.
Daß Caesar von der Herkunft her, die in Rom so viel zählte, Mitglied der alten Adelsfamilie der Julier war (die beiden anderen waren „geringer“, aber durchaus noch nobel genug geboren), nützte ihm nicht viel. Er suchte jahrelang seinen Platz in der Geschichte Roms, die er ehrgeizig bestimmen wollte. Natürlich webt der Autor die anderen wichtigen Gestalten der Zeit ins Geschehen – Cicero und Cato, die „bösen Buben“ Catilina und Clodius.
Caesar schmiedete das Triumvirat, wußte, daß er Crassus und Pompeius „versöhnen“ mußte, schaffte 60 v. Ch. den Bund, der allen dreien – „das dreiköpfige Ungeheuer“ – jene Macht verlieh, nach der sie lechzten – ungehindert ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Keinerlei Idealismus um „Volkswohl“ (Volk wurde von ihnen nur benützt) bewegte sie – „Gemeinsam allen dreien war ein unbändiger Drang nach Macht und Vorrangstellung im Staat“, stellt der Autor fest.
 
Der Bund hielt bis zu Crassus’ Tod auf dem Schlachtfeld gegen die Parther (53 v. Chr.). Caesar war in diesen Jahren meist in Gallien, doch jeder wußte, daß nach seiner Rückkehr nach Rom der Krieg zwischen ihm und Pompeius um die alleinige Macht ausbrechen würde – zumal das Band, das sie so verläßlich einte, die glückliche Ehe des Pompeius mit Caesars einzigem Kind, der Tochter Julia, durch deren Tod zerrissen wurde.
In mehreren Schlachten besiegte Caesar mit Glück Pompeius, der sich nach Ägypten wandte, wo der trickreiche Pharao auf Caesar setzte und Pompeius ermorden ließ (48 v. Chr.)
Mit Caesar, dem einzigen Überlebenden, ist das Kapitel des Triumvirats (und des Buches) im Grunde beendet. Darum gibt Schauer sich dann nur noch am Rande mit den weiteren Ereignissen ab (und die Erschütterung, die Caesar erlebt haben muß, als man ihm in Ägypten den Kopf des Pompeius präsentierte, behandelt er mit einem Zitat etwas unzureichend).
Tatsache ist – alle drei Tirumvires starben eines gewaltsamen Todes, alle drei haben ihre Ziele nicht erreicht. Im übrigen gibt es in Caesars Leben „offene“ Stellen, die noch niemand ausreichend erklären konnte, etwa in seiner Jugend, warum er, dessen Tante mit Marius verheiratet war, dennoch von Sulla, dem Morde nichts ausmachten, verschont wurde. Oder warum er im Alter, als er seinen Alleinstellungsstatus in Rom endlich erreicht hatte (und nur halten konnte, wenn er in Rom blieb), dennoch einen Parther-Feldzug plante, an dem schon Crassus scheiterte und von dem er, ein alternder, kranker Mann, wohl nicht zurückgekommen wäre? Natürlich kann auch Markus Schauer hier nur spekulieren.
Eines ist sicher: Caesar „überlebte“ in der Geschichte dank der Ehren, die sein Großneffe, der spätere Augustus, ihm zuteil werden ließ. Dieser hat übrigens, im Gegensatz zu Caesar, fast alles richtig gemacht. Aber das wäre dann ein anderes Buch…
 
Markus Schauer – „Triumvirat, Der Kampf um das Imperium Romanum“
© 2023 Verlag C.H. Beck, 432 Seiten, mit 7 Abbildungen und 2 Karten - ISBN 978-3-406-80645-2
32,- €
 
Weitere Informationen: www.chbeck.de