Murphy´s Law auf Reisen

Klagelieder

von Frank Becker

Foto © Jürgen Kasten
Der Reise-Murphy


Es gibt so Tage, Sie wissen schon, da geht nichts glatt, geschweige denn nach Plan. Tage an denen Murphys Gesetz greift - und Sie sind das Opfer. Wenn man viel auf Reisen ist, wird es der Edward A. Murphy folgenden Statistik immer wieder mal geschehen, daß Sie zwar am geographischen Ziel ankommen, das Ziel der Wünsche aber gründlich verpassen.

Brillante Lage

Es stürmt und regnet, Ihr Koffer ist nicht mit Ihrer Maschine angekommen, Sie haben im Flugzeug zwischen zwei über die Sitzlehnen quellenden, schwitzenden Dicken gelernt was Klaustrophobie ist. Dafür haben Sie Hunger, denn dem angebotenen Baguette konnte man eine direkte Verwandschaftslinie zur Sohle einer Badelatsche nachweisen. Das gebuchte Hotel (Prospekte können ja dermaßen lügen!) ist eine Katastrophe, weil es ohne Schallisolierung direkt zwischen Flughafen, Autobahnzubringer und einer gut frequentierten Eisenbahnstrecke liegt. Im Pool - ja es gibt ihn - wird aber Baumaterial gelagert. Ihr Balkon ermöglicht wahlweise den prachvollen Blick auf die Nachttankstelle gegenüber oder die Müllkästen neben der Hintertür der Hotelküche - samt passender Geräuschkulisse. Willkommen in ...!

La cucaracha

Irgendwo in der Nähe müssen auch Behausungen für Schweine sein - typischer Stallgeruch und schillernd grüne Fliegen zeugen davon. Sie werden unter Umständen nicht alleine in Ihrem Zimmer sein müssen - in gewissen Gegenden hält man zu Ihrer Unterhaltung daumengroße "cucarachas" bereit. Im Restaurant des (haha!) 3-Sterne-Hauses sind das Bier und der Weißwein (Hausmarke Nattersheimer Nierenwürger) warm, zum Ausgleich das Essen und der Rotspon kalt.
Vielleicht ist beim Essen auch noch die Bedienung nach dem Motto "Gäste stören nur" unfreundlich (kommt gar nicht mal so selten vor)  - oder was noch schlimmer ist: der Kellner diskutiert Ihre Beschwerde mit Ihnen. Kann aber auch sein, daß Sie feudal und Hauben-gekrönt gespeist haben und zum Schluß die schaumige Köstlichkeit verdrücken, die der Patissier als "Überraschung des Hauses" kredenzt - nur da waren einige Deka zu viel Holler drin und sie verbringen die ganze Nacht und den halben nächsten Tag auf dem "Häusl".

"Klima"-Anlagen

In Ihrem Zimmer sorgt die klappende Klimaanlage, die natürlich nicht vom Gast selbst eingestellt werden kann, sondern von der Rezeption aus geregelt wird, wo Sie wiederum der Nachtportier nicht versteht, für Hitzeschübe oder Frostbeulen (auf keinen Fall aber für die gewünschte Temperatur). Die Außentemperatur spielt dabei keine Rolle, geheizt oder gekühlt wird nach Kalender. Das Fenster können Sie als Alternative nicht öffnen, allenfalls einen Spalt breit kippen, es ist zugeschraubt, damit niemand hinausfällt. Die Angst vor Regressforderungen treibt kuriose Blüten. Anderer Fall: Sie haben keine Klima-Anlage und in Ihrem Dachzimmer herrschen ca. 35 Grad (nachts, notabene). Der Rat des rührigen 3-Sterne-Hoteliers ist einfach: "Lassen Sie doch die Zimmertür weit offen". Schlau. Zudem müssen sie, um Ihre Beschwerde vorzubringen zur Rezeption gehen, weil ihr Telefon nicht funktioniert. Falls der Portier sie doch versteht, sagt er beruhigend: "Ich lasse das Telefon reparieren. Wenn es dann immer noch nicht geht, rufen Sie mich an, ich kümmere mich darum" - aaa-ha! Sie kriegen in der Nacht kein Auge zu, weil zum Zug-, Flug- und Autoverkehr ein weiterer stößt: das Liebespiel von nebenan ersetzt den Zimmerfernseher und erinnert bitter an die versäumten eigenen Gelegenheiten in ihrem Leben. Von den Betten wollen wir hier schweigen, über den "Betten-Blues" wurde an anderer Stelle bereits berichtet.

Reisegefährten

Anderentags sind die bestellten Ausflügsprogramme schlecht oder gar nicht organisiert, Dauernebel verhüllt die Berge ("...dort hinten könnten sie jetzt den Monte Klamott sehen..."), ein höchst engagierter Guide führt sie in strömendem Regen zu den Glanzlichtern der Stadt, sagen wir mal: zu einem früheren Arbeitshaus (das natürlich geschlossen ist). Sie stehen draußen mit nassen Füßen unter den dafür weit geöffneten Schleusen des Himmels und fragen sich: was soll das? Fotografieren lohnt unter solchen Wetterbedingungen nicht. Da wo es vielleicht ginge, ist es aber verboten: "No Photos, Sir!" Busladungen voller lärmender Sandalen-Touristen gehen Ihnen an anderer Stelle und immer wieder entsetzlich auf die Nerven, beim Frühstück war schon Hauen und Stechen um die zu wenigen Tische und Plätze angesagt. Und dann gibt es da noch den pensionierten Oberstudienrat, der auch zu dem Arbeitshaus noch Fragen hat, aber nur, um sein eigenes Wissen feilzubieten. Oh Graus!
Tags drauf bleiben Sie vielleicht mit dem eigenen oder gemieteten Auto und einer Panne liegen oder ein Gendarm lauert Ihnen auf, um das Staatssäckel mit den Talern des Touristen zu füllen. Eine Spezialität, die nicht nur aus südlichen Ländern berichtet wird - auch mitteleuropäische Nachbarländer gehören zu den Gegenden, für die eine entsprechende Reisewarnung an deutsche Reisende nicht unangemessen ist. Selbstverständlich kassiert auch der Abschleppunternehmer nach Kräften. Der Tourismus ist halt in vielen Bereichen lukrativ für Reiseländer. Sie sehen, es gibt der Möglichkeiten viele und noch mehr, Ihnen den Spaß an einer Reise zu verderben. Alles, was Sie oben lesen konnten, ist mir im Laufe der Zeit schon widerfahren, natürlich nicht auf ein und der selben Reise und nicht im gleichen Land.

Reisen Sie wohl!

Weit häufiger aber werden Sie in der Fremde höfliche Menschen treffen, Gastgeber, die hilfsbereit sind, Ihnen über Ihre Sprachprobleme hiweghelfen, Unmögliches möglich machen und Ihnen das besuchte Land von Herzen sympathisch werden lassen. Sie werden lecker essen und funkelnde Weine kosten, in herrlichen Betten schlafen, Komfort genießen und interessante Orte und Plätze besuchen. Wenn Sie dann wieder nach Hause reisen, nehmen Sie tolle Fotos und so viele gute Erinnerungen mit, daß die wenigen Pannen und Ärgernisse dadurch leicht ausgeglichen werden. Reisen bildet eben in jeder Hinsicht - auch im Herzen - und es ist wunderschön!