Intime Reise

Alfred Komarek - "Die Villen der Frau Hürsch"

von Frank Becker
Intime Reise

Daniel Käfer ist Journalist. Einer der "freigestellt" ist, wie das heute euphemistisch heißt. Er macht, indem er privatisiert und eine Reise in seine Vergangenheit antritt, das Beste daraus. Es wird ein sinnenfrohes, poetisches, begehrliches, verliebtes und  ein ganz klein wenig
gar kriminalistisches Abenteuer - für Käfer und für uns Leser. Für Alfred Komarek (man beachte seine Biographie und seine Bibliographie) war es vielleicht sogar eine Parallel-Reise. Kennen wir ihn doch als kundigen Spaziergänger im Salzkammergut und im Ausseerland - genau dorthin führt die Reise Daniel Käfers in der klapprigen Ente aus Studentenzeiten, die er entlassene Chefredakteur der Zeitschrift "IQ" zu diesem Zweck entmottet hat.

Helmina von Chézy hatte es 1840 vorgemacht, Daniel Käfers Eltern waren den touristischen Spuren in die Terra Ingognita gefolgt, in der bereits zwei Generationen zuvor eine von einem düsteren Geheimnis umwobene Urgroßtante in einer der legendären Villen der Frau Hürsch in Diensten gestanden haben soll. Nun also Daniel. Nur zu gerne folgt der Leser dem freiheits- und wissensdurstigen Reisenden, besser: er begleitet ihn, denn Alfred Komarek läßt weder eine zeitliche noch persönliche Distanz zu Käfer zu. Ein wenig anders verhält es sich mit anderen Protagonisten wie dem undurchsichtigen Immobilienhändler Eustach Schiller, dem Schlömmer Hubert oder Frau Hürsch. Hier läßt er Raum zum langsamen Kennenlernen.

Drei wunderbare Frauen skizziert Komarek um Daniel Käfer herum, wobei er keinen Zweifel daran, nein, sogar von Anbeginn die Hoffnung keimen läßt, daß Daniel im Ausseerland eine, vielleicht zwei Liebesaffären haben wird. Man wünscht es ihm, denn die sympathische Frau Schlömmer und die junge Anna aus dem "Ech" sind neben Freundin Sabine jede Sünde wert.
Auch das übrige Personal für "Die Villen der Frau Hürsch", wie den Jungen Peter, Bruder Heinz, den Pfarrer und Redakteur Stadler hat er mit viel Charme und Feingefühl gezeichnet.

Als Verfasser seiner großartigen Polt-Romane mit bestem literarischem Renommee ausgestattet, erweist sich Komarek auch in der Funktion des Alter ego seines liebenswerten Flaneurs als eloquenter, eleganter wie gleichermaßen landeskundiger Erzähler. In Bad Aussee geboren, ist er mit Stock und Stein von Aussee, Lerchenreith und Praunfalk vertraut. Das funkelt dann auch auch durch alle Zeilen und Zwischenräume. Die Lektüre ist pures Vergnügen, ihre Erzählfäden und Dialoge sind so delikat wie die beschriebenen Ausseer Speisen deftig sind. Besonders angenehm fällt auf, daß Komarek bedachtsam auf Haß, verletzende Intrigen, Bösartigkeiten und Verleumdungen verzichtet, ohne die heute kaum noch ein Roman auszukommen glaubt.

Gerade das macht "Die Villen der Frau Hürsch" besonders lesenswert - und natürlich scharfsinnige Beobachtungen wie:
"Im Ort angelangt, kaufte Käfer die neueste Ausgabe der Alpenpost , fand im Kurpark die ihm schon vertraute Bank  an der Traun unbesetzt und fing an zu lesen. Er mochte Lokalzeitungen. Sie machten es leicht, in das soziale, wirtschaftliche und politische Kleinbiotop eines Lebensraumes einzutauchen. Vor allem aber waren die stilistischen Turnübungen der durch ein grausames Schicksal an die Provinz geketteten Redakteure immer wieder recht unterhaltsam. - Bei der Alpenpost, das erkannte Käfer schon nach kurzer Lektüre, lagen die Dinge aber anders. Die Zeitung war gut gemacht, klar und durchaus anspruchsvoll geschrieben, und es war auch ein durchgängiger Sinn für Humor und pointierte Bosheit zu spüren."
Das spricht dem Journalisten aus dem Herzen.

Daniel Käfer wird seinen Seelenfrieden finden. Der Weg dorthin ist spannend, liebevoll gezeichnet, vor allem aber feinsinnig unterhaltsam. Wer den Roman liest, wird Freude an Geschichte, Sprache und dem leichten Stil haben - und wer das Vergnügen noch steigern will, liest zuvor oder parallel Komareks  Buch "Ausseerland" (vgl. Kasten rechts).  Wer diese Landschaftbeschreibung schon  gelesen hat, dem sei zur nachträglichen Lektüre wiederum "Die Villen der Frau Hürsch" ans Herz gelegt.

 



Beispielbild

Alfred Komarek
Die Villen der Frau Hürsch

Roman

2005 Diogenes Taschenbuch 23465
247 Seiten
8,90 €

Weitere Informationen unter:
www.diogenes.ch

Ergänzende Literaturempfehlung:



Alfred Komarek
Ausseerland
Die Bühne hinter den Kulissen
2002 Kremayr & Scheriau
21,90 €