Sprachlos komisch (1)
Bildergeschichten ohne Worte
- von Adamson bis Ziggy -
"Comics" bezeichnen Bildergeschichten. Da sie häufig als Streifen (Strip) in Tageszeitungen, Beilagen von Sonntagsblättern oder Werbeschriften erschienen, gewöhnte man sich daran, von "Comicstrips" zu sprechen. Die zunehmende Beliebtheit von Comic-Strips führte dazu, daß sie zusammengestellt und in Heftform, als Album, Taschenbuch und traditionelles Buch veröffentlich wurden. Die Auflagen liegen heutzutage zum Teil sehr hoch. Comics haben große Liebhaber-Gemeinden und sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Bereich der Printmedien.
Die Frage, ob es sich hier um eine eigene Kunstsparte handele, ist zu bejahen. Wenn man die Neigung hat, die Bildende Kunst möglichst nach formalen Kriterien zu gliedern, gehören Comics zum Sektor der Grafik. Hier muß sich beispielsweise die Karikatur als spöttische Übertreibung behaupten. Und auch der Cartoon, die Witz-Zeichnung, hat es schwer. Zwar weiß man eigentlich nichts mehr mit dem Begriff der Seriosität anzufangen, trägt aber doch das vage Gefühl mit sich herum, "wahre, wirkliche, echte" Kunst
Angesichts eines ausufernden Kunstbegriffs und des nahezu völligen Verzichts auf Kriterien für die Anerkennung künstlerischer Leistung in den visual arts muß das befremdlich erscheinen.
Comics dürfen die Aufnahme in die Grafische Kunst nur beanspruchen, wenn sie die Voraussetzung der für ihr Genre zu fordernden Qualität erfüllen. Diese Qualität wird konstituiert aus der Zugkraft der Idee und ihrer Umsetzung.
Die "zündende" Idee muß sich in einem adäquaten Text niederschlagen, die grafische Gestaltung muß die Beherrschung der künstlerischen Mittel erkennen lassen, und sie muß in der zeichnerischen Umsetzung von Idee und Text überzeugen.
In den Comics verbinden sich Elemente der Karikatur und der Cartoons. Im Verein mit Ideenreichtum und erzählerischer Kunst entstehen Schöpfungen eigener Art, deren Popularität den Argwohn manches Kunstwissenschaftlers erregt. Denn ist nicht für Kunst typisch, daß sie nur von wenigen verstanden und geschätzt wird? Gegenfrage: Wem präsentierte sich das Kunstwerk in den von uns überschaubaren Zeiträumen? Ist es nicht so, daß erst nach der Erfindung des Buchdrucks (um 1440) auch der Bilddruck "unter das Volk" kam? Im Zeitalter der Reformation wurde die Druckgrafik benutzt, um dem Volk für Mißstände im kirchlichen Bereich und soziale Ungerechtigkeit die Augen zu öffnen. Mit der Erfindung der Lithografie wurde die Grafik im 19. Jahrhundert zum klassischen Informationsmittel in der Öffentlichkeit, deren Blick geschult und deren kritischer Geist geschärft werden sollte.
Jeder Künstler weiß, daß Kunst nicht nur der Belehrung und Erziehung dienen darf. Politische und pädagogische Anliegen können sie geradezu degenerieren lassen. Künstlerisches Schaffen lebt vom Widerspruch zu Lebensverhältnissen, aber es erschöpft sich nicht darin. Wo es zum Widerstand aufruft und zornige Empfindungen auslöst, da sucht es auch das "erlösende Lachen" und die Befreiung zur Freude. Deshalb prangert die Karikatur nicht nur an, sie verschafft auch dem Betrachter mit ihrer Entlarvung mindestens für einen winzigen Augenblick das Gefühl der Überlegenheit. Er durchschaut mit einem spöttischen Lachen eine konkrete Person oder Situation.
© Joachim Klinger - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2008
Folgen Sie nun einige Sonntage lang dem Vater der Geschichten von "Julle und Vatz" bei seinen Betrachtungen über Bildergeschichten, Comics und Cartoons.
Redaktion: Frank Becker |