Bedingt krisentauglich

Abhörskandal bei der Bundeswehr

von Lothar Leuschen​

Foto: WZ
Bedingt krisentauglich
 
Abhörskandal bei der Bundeswehr
 
Von Lothar Leuschen
 
Das hat nun gerade noch gefehlt. Drei hochrangige deutsche Militärs unterhalten sich über die Möglichkeit, der Ukraine doch noch Mittelstreckenwaffen der Marke Taurus überlassen zu können, und Rußland hört mit. Als wäre das noch nicht peinlich genug, wird der Mitschnitt auch noch in einem Social-Media-Kanal veröffentlicht. Wladimir Putin und seine Schergen biegen sich vor Lachen, die westlichen Verbündeten Deutschlands schütteln nur noch den Kopf – und der Kanzler verspricht Aufklärung. Dabei dürfte in diesem Fall nicht allzu viel aufzuklären sein. Die hochrangigen Soldaten haben sich offenbar über eine Videoplattform ausgetauscht, wie andere Menschen sich zu Bürogesprächen treffen oder die Erbtante in der Ferne visuell besuchen. Das ist der geneigte Zuschauer aus James-Bond-Filmen anders gewohnt. Anscheinend hat die Unterhaltungsbranche ein ausgeprägteres Problembewußtein.
 
Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Es strampelt dort mit Olaf Scholz‘ freimütigem Hinweis darauf, daß französische und britische Soldaten in der Ukraine anders agieren können als deutsche, weshalb die Bundeswehr die Ukraine zu Verteidigungszwecken nicht betreten wird. Und den ganzen Zirkus veranstalten Bundeswehrspitzenkräfte und der Bundeskanzler nur, damit Wladimir Putin Deutschland nicht als Kriegspartei wahrnehmen kann, was er aber sowieso tun wird, wenn es ihm nutzt.
 
Tatsächlich ist auch in Zeiten wie diesen Vorsicht ein guter Ratgeber. Dazu gehört aber auch, den potentiellen Feind vertrauliche Gespräche nicht mithören zu lassen und ihm andererseits auch nicht bei jeder Gelegenheit zu erklären, was Deutschland zur Unterstützung der Ukraine auf gar keinen Fall tun wird. Ein solches Gebaren macht es dem Gegner leichter und den Nato-Partnern schwerer. Vor zwei Jahren hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine beeindruckende Rede zur Weltlage gehalten. Seither entsteht jedoch zunehmend der Eindruck, daß die stärkste Nation in Europa innen- und außenpolitisch nur bedingt krisentauglich ist.
 
 
Der Kommentar erschien am 4. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.