Grandios!

Das Sinfonieorchester Wuppertal unter Toshiyuki Kamioka reißt das Konzertpublikum mit Beethovens Sinfonie Nr. 3 zu Ovationen hin

von Frank Becker

Licht und Schatten

Ein Aufeinanderprall von Klassik und Moderne



Von Fachkreisen und vom Publikum wird seit seinem Amtsantritt 2004 mit hoher Achtung bewundert, was Wuppertals Generalmusikdirektor Toshiyuki Kamioka aus dem Sinfonieorchester der Bergischen Großstadt gemacht hat, zu welchen Höhen er es in den nur zweieinhalb Jahren seiner Tätigkeit geführt hat. Aber auch die Musiker dieses A-Orchesters genießen diese Achtung, zeigen sie doch unter der Führung ihres charismatischen Chefs, wie hoch ihr Potential ist. Einen neuen Beweis seines hohen Ranges trat das Orchester am vergangenen Sonntag und Montag in seinem 7. Sinfoniekonzert der Saison mit einem Kontrastprogramm der besonderen Art an.

Zwei Uraufführungen

Zwei Uraufführungen des 1956 geborenen Wilfried Maria Danner eröffneten den unter das Motto "Licht und Schatten" gestellten Abend.  "zoom -éclairs" (pour Instruments à vent en bois, Instruments de cuivre, quatre violes, quatre Violoncelles, Harpe, deux Pianos et Percussion) und "comme un rayon de lumière, extatique (Mouvements für großes Orchester) lauteten die komplizierten Titel der diffizilen Stücke, die unter dem präzisen Dirigat Kamiokas ganz offensichtlich auch zur Freude des anwesenden Komponisten gelangen. Mit perkussivem Charakter, durchwoben von der ätherischen Stimme der Harfe, wuchtigen Schlägen und durchscheinenden Streicherklängen, Spannungsbögen und sachtem Auströpfeln bereitete die kleine Besetzung von "zoom éclairs" auf den gewaltigen Schlag des Mouvements für großes Orchester vor. Ein mächtiger sinfonischer "Aufmarsch" von großer klanglicher Harmonie war es mit seinen zwei Klavieren, drei Schlagzeugern und dem ganzen zur Verfügung stehenden Klangkörper, der das Werk nach dem Bad in imposanten Tutti traumschön mit ätherischen Klängen von Harfe und Streichern ausklingen ließ. Alle Möglichkeiten eines Sinfonieorchesters wurden ausgeschöpft, die Kongenialität des Dirigenten bis aufs Äußerste gefordert. Die Aufführung gelang - doch bleibt abzuwarten, ob die Musik eine Gültigkeit ähnlich bahnbrechender Werke eines Ligety, Pärt oder Baur erreichen wird.


Toshiyuki Kamioka - Foto © Sinfonieorchester Wuppertal

Strahlend, klar, tief beseelt und raumgreifend bildete die brillante Aufführung von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-dur op. 55 "Eroica" den zweiten, hinreißenden Hauptteil dieses außergewöhnlichen Konzertabends. Kamioka und sein fabelhaftes Orchester servierten 50 Minuten delikatester sinfonischer Kost - perfekt, erhebend und beglückend.
Großartig ausgeführt der themenreiche 1. Satz, der sich, mit Tuttischlägen beginnend, üppig entfaltet und dessen knappe Coda wie ein Abbruch wirkt. Mit allen Sinnen fieberte man dem entscheidenden 2. Satz "Marcia funebre" entgegen - und wurde überwältigt. Traumschön der Einsatz der Celli, sanft klagend die Hörner, Eintauchen in unerhörte Tiefe. Aus der Trauer erhebt sich die Musik dieses Adagio assai zu geballter Kraft, bombastische Paukenschläge führen geradezu genial zurück zum Beginn, zur schmerzlichen, zarten Klage der Violinen. Ergreifend.

Grandiose Leistung

Wuchtig, von hohem Tempo und sehr lebendig nun der 3. Satz "Scherzo" mit dem Ausdruck des Optimismus im Klang der Hörner - kurz und wie aus einem, soliden Guß diese vier Minuten. Auf den Zehenspitzen beginnt das Finale, Satz 4. Wucht und Zartheit vereinen sich, die komplizierten Schichtungen von Elementen und Variationen verlangen alles - und alles gab das Sinfonieorchester Wuppertal. Als nach 50 unvergeßlichen Minuten Toshiyuki Kamioka den Stab senkte, brandete Jubel auf. Mit stehendem Applaus lohnte ein begeistertes Publikum diese grandiose Leistung - und es war dem Strahlen von Orchester wie Dirigent anzusehen, daß auch sie ihren Gewinn aus dem beglückenden Konzert gezogen hatten.