Große Polizei-Reform
Ein Bekannter von mir ist bei der Polizei. Unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit erzählt er mir regelmäßig Dienstgeheimnisse. So auch Details der geplanten großen Polizei-Reform. Wie es heißt, solle und müsse die Polizei reformiert werden, wenn sie nicht den Anschluß ans Einundzwanzigste Jahrhundert verpassen will. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Von meinem Informanten, einem Befürworter der Reform, erfahre ich: „Ein Vorbild sind die Banken – die gehen ganz neue Wege. Die Kassenschalter werden rausgerissen und viele schöne Sachen zum Kauf angeboten. Oder nimm die Rechtschreibreform! Das bringt Modernität! Da darf die Polizei nicht zurückstehen! Zuerst wird privatisiert. Es gibt wohlhabende Herren aus dem Orient, die man sich sehr gut als Eigentümer vorstellen kann. Dann geht die Polizei natürlich an die Börse etc. etc.“ Ich habe da aber doch Bedenken: Wie verträgt sich so eine Privatisierung mit dem Grundgesetz? „Ach“, wird erwidert, „das Grundgesetz wird angepaßt.“ Einigermaßen entsetzt frage ich: „Und das Strafgesetzbuch?“ „Wird vereinfacht“, lautet die Antwort. „So, wie das jetzt ist, bringt es ja sowieso nichts. US-Forscher haben rausgefunden, daß es Unsinn ist, bestimmte Dinge zu verbieten.“ Mich interessiert, wie eine Vereinfachung des Strafgesetzbuches denn aussehen solle. Der Bekannte verrät es mir: „Wir brauchen nur noch einen einzigen Paragraphen: ‘Erlaubt ist, was gefällt.’“ „Wem gefällt?“ frage ich mit gesträubtem Haar. Genervt fuchtelt der Reformanhänger mit den Armen: „Na, den einfachen Leuten eben. Polizei muß wieder populär werden. Zum Beispiel sollen alle Polizisten große rote Kunststoffnasen tragen. Das kennt jeder, und es spricht vor allem Kinder an.“ Und die übrige Kleiderordnung? „Viel Werbung, flotte Hütchen, Hosen mit Schlag, auch schon mal gesäßfrei. Und immer Bier dabei und ein Grillgerät. Das wollen die Leute.“ Und was wird aus der Verbrechensbekämpfung, möchte ich wissen, fällt die weg? Auch darüber hat man sich natürlich Gedanken gemacht: „In diesem Punkt setzen wir verstärkt auf die Initiative der Bürger“, sagt mein Informant. „Analog zu den Banken, da müssen die Kunden ja auch alles selbst machen, am Automaten. Und online-justice soll in großem Stil angeboten werden.“ Über eins habe ich aber noch nichts gehört: Wie sieht es bei einer solchen Reform für die Polizisten in finanzieller Hinsicht aus? Gibt es endlich Gehaltserhöhungen? „Hier soll das Ehrenamt flächendeckend greifen“, erfahre ich. „Mit acht, neun Putzstellen nebenher kann ein Polizeiangestellter prima leben. Und es soll ja auch lustiger werden bei der Polizei.“ „Dann erzähl doch mal einen Polizeiwitz“, schlage ich vor. Der Bekannte legt sofort los: „Ein Mörder kommt aufs Revier. In der Hand hat er ein Fahndungsgesuch mit seinem Steckbrief, da steht drauf: ‘Wir suchen Mörder aller Art’. Nee, Moment, anders, die Polizei
© Eugen Egner - Erstveröffentlichung dieser Fassung in den Musenblättern 2009
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