Große Polizeireform

von Eugen Egner

Foto © Frank Becker
Große Polizei-Reform
 

Ein Bekannter von mir ist bei der Polizei. Unter dem Siegel strengster Ver­schwie­genheit erzählt er mir regelmäßig Dienstgeheimnisse. So auch Details der ge­planten großen Polizei-Reform. Wie es heißt, solle und müsse die Polizei reformiert werden, wenn sie nicht den Anschluß ans Einundzwanzigste Jahrhun­dert verpassen will. Aber wie sieht das in der Praxis aus? Von meinem Infor­man­ten, einem Befürworter der Reform, erfahre ich: „Ein Vorbild sind die Banken – die gehen ganz neue Wege. Die Kassen­schalter werden rausgerissen und viele schöne Sachen zum Kauf angeboten. Oder nimm die Rechtschreibreform! Das bringt Modernität! Da darf die Polizei nicht zurückstehen! Zuerst wird privatisiert. Es gibt wohlhabende Herren aus dem Orient, die man sich sehr gut als Eigen­tümer vorstellen kann. Dann geht die Polizei natürlich an die Börse etc. etc.“ Ich habe da aber doch Bedenken: Wie verträgt sich so eine Privatisierung mit dem Grundgesetz? „Ach“, wird erwidert, „das Grundgesetz wird ange­paßt.“ Eini­germaßen entsetzt frage ich: „Und das Strafgesetzbuch?“ „Wird vereinfacht“, lautet die Antwort. „So, wie das jetzt ist, bringt es ja sowieso nichts. US-Forscher haben rausgefunden, daß es Unsinn ist, bestimmte Dinge zu verbieten.“  Mich interessiert, wie eine Vereinfachung des Strafgesetzbuches denn aussehen solle. Der Bekannte verrät es mir: „Wir brauchen nur noch ei­nen einzigen Paragraphen: ‘Erlaubt ist, was gefällt.’“ „Wem gefällt?“ frage ich mit gesträubtem Haar. Genervt  fuchtelt der Reforman­hänger mit den Armen: „Na, den einfachen Leuten eben. Polizei muß wieder populär werden. Zum Beispiel sollen alle Polizisten große rote Kunst­stoffnasen tragen. Das kennt jeder, und es spricht vor allem Kinder an.“ Und die übrige Kleiderordnung? „Viel Wer­bung, flotte Hütchen, Hosen mit Schlag, auch schon mal gesäßfrei. Und immer Bier dabei und ein Grillge­rät. Das wollen die Leute.“ Und was wird aus der Verbrechensbekämpfung, möchte ich wissen, fällt die weg? Auch darüber hat man sich natürlich Gedan­ken gemacht: „In diesem Punkt setzen wir verstärkt auf die Initiative der Bür­ger“, sagt mein Informant. „Analog zu den Banken, da müssen die Kunden ja auch alles selbst machen, am Automaten. Und online-justice soll in großem Stil angeboten werden.“ Über eins habe ich aber noch nichts gehört: Wie sieht es bei einer solchen Reform für die Polizi­sten in finanzieller Hinsicht aus? Gibt es endlich Gehaltserhöhungen? „Hier soll das Ehrenamt flächendeckend greifen“, erfahre ich. „Mit acht, neun Putz­stellen nebenher kann ein Polizeiange­stellter prima leben. Und es soll ja auch lustiger werden bei der Polizei.“ „Dann erzähl doch mal einen Polizeiwitz“, schlage ich vor. Der Bekannte legt sofort los: „Ein Mörder kommt aufs Revier. In der Hand hat er ein Fahn­dungsgesuch mit seinem Steckbrief, da steht drauf: ‘Wir suchen Mörder aller Art’. Nee, Moment, anders, die Polizei

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sucht natürlich Mörder, aber auf dem Steckbrief, da steht das nicht so, wie ich gesagt hab, da ist irgendwie das Bild von dem Mann drauf, verstehst du? Drüber steht ‘Ge­sucht’ und drunter ‘Mör­der’, also ‘Mord’. So, daß man sofort erkennt, daß er der gesuchte Mörder ist, als er da reinkommt. Verstehst du? Und dann fragt er die Polizisten, also, die, die da Dienst haben: ‘Sie suchen doch Mörder?’, nein, anders: er zeigt ihnen den Steckbrief, also, er fragt jedenfalls: ‘Verzeihung, ist die Stelle noch frei?’ Verstehst du? ‘Verzeihung, ist die Stelle noch frei?’ Und der Polizist auf dem Revier antwortet: ‘Wann können Sie denn anfangen?’“ Er lacht wiehernd, und in meiner Verlegenheit frage ich: „Weißt du, daß du schöne Hände hast, wenn du lachst?“


© Eugen Egner - Erstveröffentlichung dieser Fassung in den Musenblättern 2009