Bildende Kunst und das Menschenmögliche

Philosophie trifft Kunst - Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung "Werkzeuge des Lebens" im Deutschen Werkzeugmuseum Remscheid am 25.3.2007

von Andreas Steffens

Bildende Kunst und das Menschenmögliche

Philosophie trifft Kunst

Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung Werkzeuge des Lebens

Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid, 25.03.2007


Es werde mehr gedacht, als man denke, fand Helmuth Plessner gelegentlich. Nach ein wenig Nachdenken, kann man ihm darin nur zustimmen.
Auch in den Künsten.
Deshalb konnte es aussichtsreich erscheinen, Künstler einzuladen, sich mit ihren eigenen Mitteln auf eine der wirklich "großen" Fragen einzulassen, die gerade, weil sie, als "große", so unabweisbar sind, so selten gestellt, und noch seltener ausgiebig bedacht werden - : Wie es möglich sei, zu leben. Schließlich besteht das einzige Vorrecht, das die Philosophie auf die "großen Fragen" hat, darin, dass sie es ist, die sie immer wieder stellt und sich von ihrer Unbeantwortbarkeit nicht entmutigen lässt.
Man muss nicht so weit gehen wie Ernst Jünger, der einzige deutsche Surrealist von Rang, der gelegentlich bemerkte, nur in Bildern denke man gut, um zu finden, dass auch in Bildern und mit Bildern gedacht werde. Unter Philosophen ist das nicht verbreitet, bei denen, die sich - von Wissenschafts- und Finanzministerien alimentiert - noch für Wissenschaftler halten (müssen) gar ausdrücklich verpönt. Umso mehr sollte man es ernst nehmen. Oft ist das in Bildern enthaltene Denken noch ungedacht. Dann warten sie auf Betrachter, die es aus ihnen herausdenken. Aber es gibt auch den umgekehrten Fall, dass Denken von Bildern Gebrauch macht, ohne sie zu bilden. Dann warten die Gedanken darauf, ins Bild gesetzt zu werden.
Beide Bewegungen zusammenzubringen, ist Idee und Motiv der Begegnung, die in diesem Projekt der ‚Werkzeuge des Lebens’ stattfindet.
In einem der schönsten Gedankenbücher der deutschen Literatur, dem "Buch der Freunde", schreibt Hugo von Hofmannsthal: Wenn ein Mensch dahin ist, nimmt er ein Geheimnis mit sich: wie es ihm, gerade ihm - im geistigen Sinn zu leben möglich gewesen sei (Hofmannsthal, 37).
Wer es einmal hat, und sich in ihm einrichtete, für den erscheint das Leben ebenso selbstverständlich, wie es tatsächlich doch unwahrscheinlich ist, und in jedem seiner Augenblicke bleibt.
Man kann die Beziehung zwischen Philosophie und Kunst für eine "mesalliance" halten, wie Francis Ponge, oder in ihr einen "Missbrauch" der Kunst durch die Philosophie sehen, wie Arthur Danto, der ihn mit Platon beginnen und mit Adorno und Derrida noch nicht enden sieht; man kann aber auch - in jener philosophischen Bescheidenheit, die es der Philosophie angesichts ihres Versagens in den humanen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts angeraten sein lässt -  die Kunst unserer Zeit für die klügere Philosophie halten. Das scheint geradezu geboten, wenn man Philosophie als Anthropologie versteht, als Anstrengung, Menschsein zu begreifen.
Diese Beziehung geht weit über das etwas gönnerhafte Verhältnis hinaus, wie es die beiden Antipoden der neueren Ästhetik, Arnold Gehlen und Theodor W. Adorno, gleichermaßen in der Interpretationsbedürftigkeit der modernen Kunst begründet fanden, die intellektuell ohne Begrifflichkeit ist, und deswegen der Deutung und Vermittlung bedarf. Das ist nicht falsch. Bleibt aber hinter dem philosophischen Potential der Künste selbst zurück. Dessen Erschließung wurde erst mit dem Anbruch der inzwischen wieder verendeten "Postmoderne" zu einem seriösen philosophischen Einsatz, als Lyotard und Derrida demonstrierten, dass aus der Erfahrung der Kunst die in den humanen Katastrophen des 20. Jahrhunderts zerstörte Autorität der Philosophie rekonstruiert werden kann.
Dieses Projekt einer Begegnung von Philosophie und bildender Kunst steht im Kontext meiner eigenen Arbeit an einer anthropologischen Ästhetik der "Poetik der Welt", die es sich zur Aufgabe stellt, die in den Künsten verarbeiteten Erfahrungen des Menschseins so zu bedenken, dass aus dem, was in der Kunst Manifestation eines individuellen Erlebens ist, zum Dokument einer allgemeinen Einsicht wird.
Welche Menschen wollen wir sein? Und wie? Oder genügt es uns, Teil jener "Fabrikware der Natur" zu sein, als welche der grimmige Schopenhauer das Durchschnittsdasein ebenso verächtlich wie treffend kennzeichnete? Und welche Wahl haben wir? Wenn wir eine haben?
Man darf das einzigartige welthistorische Privileg nicht übersehen, dass unsere Kultur, die Kultur Europas, die einzige menschliche Lebensform ist, in der diese Frage möglich ist, die den Anspruch auf Selbstbestimmung des Daseins manifestiert. Darin liegt eine Verpflichtung: uns mit unserer Lebensführung der Möglichkeiten des Menschseins, die unsere Kultur uns bietet, auch wert zu erweisen.
Einige werden sich an einen der berühmtesten Sätze aus der Urzeit deutscher Fernsehunterhaltung erinnern: "Machen Sie eine typische Handbewegung". Als an den typischen Zeitgenossen unserer Konsumzivilisation gerichtet gedacht, müsste dieser mit der Geste des Wegwerfens antworten. Die Produkte der gesellschaftlichen Arbeit sind heute nicht mehr auf Dauer, sondern auf Verschleiß und schnelle Ersetzung angelegt. Die Mentalität der "nachindustriellen" Gesellschaft kennzeichnet immer mehr die Nachlässigkeit eines Gerade-eben-so, die von den Mühen der Solidität nichts mehr wissen will. Auch nicht mehr braucht, da nichts mehr auf Haltbarkeit berechnet ist. Solidität war die höchste Ehre der auf Handwerk gegründeten frühbürgerlichen Zivilisation, und wer seinen Ehrgeiz nicht daran setzte, was er tat, besser zu tun, als es gewöhnlich getan wurde, hatte geringes Ansehen. Heute scheint es einen Wettbewerb darum zu geben, wer mit geringstem Einsatz von Kennen und Können am erfolgreichsten abschneidet.
Als wir vor einigen Jahren mit der Künstler-Gruppe "das künstliche gelenk" auf Einladung von Zbigniew Pluszynskis "Galerie im Bahnhof" unsere Performance "Bahnhofsmission" in Lennep planten, stieß ich bei der Vorbereitung meiner eigenen Aktion "Totes Gleis" im aufgelassenen Teil des Bahnhofs auf eine verrostete und verbeulte alte Eisenbahnerschippe, wie sie früher auf Zügen mitgeführt wurde – ein weggeworfenes, um seine Funktion gebrachtes, missachtetes Werkzeug eines ausgedienten täglichen Gebrauchs. Dieses Fundstück konnte ich damals noch nicht verwenden, es blieb bei einigen Aufzeichnungen. Als ich einige Zeit später erneut auf Cesare Paveses Tagebücher mit dem Titel "Handwerk des Lebens" stieß, gehörte dieses Fundstück sofort zu den Assoziationen, die dieser Titel weckte: es wurde zum Leitbild dessen, was es im Handwerk des Lebens nicht geben darf: weggeworfene Werkzeuge.
Paveses Metapher ist ganz so klug, wie es Philosophen seit Lichtenberg von Metaphern immer wieder festgestellt haben. Ein Handwerk braucht Werkzeuge. Welche Werkzeuge braucht es, um das Handwerk des Lebens auszuüben?
Mein Fundstück von damals ermöglicht eine Bestimmung ex negativo (wie es sich nach Spinozas klassischer Definition für eine ordentliche Definition gehört): ein Werkzeug des Lebens ist etwas, das nicht weggeworfen werden kann, ohne Lebensgefahr heraufzubeschwören.
Die zum Leben erforderlichen Utensilien können gar nicht haltbar genug sein, in umgekehrter Proportion zur Kürze des Lebens und seiner jederzeitigen Bedrohtheit durch ein vorzeitigen Ende.
Für den Künstler ist seine Kunst das wichtigste Werkzeug seines Lebens. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass in gleichem Maß gilt, dass man etwas nur ganz sein und leben kann, wenn man auch etwas anderes sein könnte.
Wie der produktive Mensch mit seiner Zeit gehen muss, um sich schließlich gegen sie durchsetzen zu können, so ist ein eigenes Leben immer das Produkt einer Gegen-Arbeit. Es bildet sich in Elementaroppositionen zu allem, was Anspruch auf Bestimmung des Daseins erhebt: Herkunft und Erziehung, Ausbildung und Berufsanforderungen, Konkurrenten; Gesellschaft und Zeitgeist, angemaßte und tatsächliche Autoritäten. Ein Werkzeug des Lebens ist etwas, das befähigt, diese elementare Gegen-Arbeit zu leisten.
Ihre wichtigste Frucht ist die Entstehung und Behauptung eines individuellen Daseinssinns. Alles kann als ein Werkzeug des Lebens fungieren, das in der Lage ist, dazu beizutragen, den Wert des einmaligen Lebens zu gewährleisten. Um zu vermeiden, dass eintritt, was unter dem Gesichtspunkt seines eigenen Sinnanspruchs seine größte Bedrohung ist: Die bitterste Verzweiflung eines Lebens beruht darin, sich nicht erfüllt zu haben, sich selbst nicht gewachsen gewesen zu sein (Jünger, Arbeiter, 35 ; NA 37).
Werkzeuge des Lebens sind Instrumente zur Vermeidung von Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit.
Welche Werkzeuge bieten die Künstler mit ihren Arbeiten, die wir hier versammelt haben?
In Begriffe übertragen, repräsentieren sie die folgenden: den Sinn für das Wesentliche, den Wechsel zwischen Innen und Außen, die Erinnerung, die Übung der Einbildungskraft, die Umkehrung von Schwäche in Stärke, den Austausch zwischen den Symbolsystemen Schrift und Bild.
(Da ich jeder Arbeit, zusätzlich zu den üblichen Werklegenden und Viten, je einen Kurz-Essay beigefügt habe, der ihre Stellung im Kontext des Ausstellungsthemas pointiert, darf ich mich auf einige Hinweise beschränken.)
Der Sinn für das Wesentliche braucht, tritt er in Aktion, und lässt nach dem Wesentlichen einer Sache, eines Dinge, eines Sachverhaltes oder eines Menschen, suchen, Verfahren der Reduktion. Als das, was notwendig zu einer Sache gehört, lässt Wesentliches sich am besten durch Verminderung ihrer Eigenschaften feststellen: es wird greifbar, sobald alles weggedacht ist, was fehlen kann, ohne die Identifikation unmöglich zu machen. In seiner "Phänomenologie" - der letzten Philosophie, die es auf sich nahm, Philosophie überhaupt noch einmal neu zu begründen - , nannte Edmund Husserl dieses Verfahren mit einer griechischen Bezeichnung "epoché", Einklammerung. Ein Wesen wird erfassbar, sobald die Eigenschaften eines Phänomens so weit reduziert wurden, dass es gerade eben noch erkennbar bleibt. Das Wesentliche liegt in dem, was nicht mehr weggedacht werden kann, ohne die Sache damit zum Verschwinden zu bringen.
Auf ästhetische Art machen Kristina Frei und Knut Wolfgang Maron Gebrauch von diesem Verfahren. Während Maron es auf die Erfahrung von Dingen anwendet, die symbolisch für Unentbehrlichkeiten des Lebens stehen und diese ihre wesentliche Eigenschaft durch eine extrem auratisch verdichtete Darstellung vor Augen führt, bezieht Frei es auf die menschliche Selbst-Wahrnehmung, indem sie deren Reduktion buchstäblich bis zur sprichwörtlichen "Nacktheit" führt. Die Entblößung eines Menschen von allem, was ihn durch kulturelle Codes und Übereinkünfte scheinbar bestimmt, erweist den für uns so tief unnatürlichen Zustand der Nacktheit als Reinzustand dessen, was nichts mehr ist, außer man selbst, als Kern alles dessen, was sowohl die eigenen Lebensherausforderungen, als auch die eigenen Fähigkeiten der Lebensbewältigung ausmacht: kommt es hart auf hart, so besitzt man nichts, außer sich selbst. Aber das ist zugleich alles, was man wirklich braucht. Denn reicht es nicht, so kann auch nichts helfen, was hinzutritt. Als das Abendland noch christlich war, hieß das: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Zu helfen ist nur dem, der sich selbst zu helfen weiß. Das ist eine der wenigen beständigen Wahrheiten, in ihrer nacktesten Form, von Kristina Frei demonstriert anhand einer fotografischen Darstellung des Selbsterlebens eines Menschen im Zustand seiner eigenen Nacktheit.
Ein wesentliches Hilfsmittel zur Erkenntnis und zur Stärkung dieses Elementaren, über das jede einzelne Existenz gebieten können muss, um sich behaupten zu können, veranschaulicht Jan Bresinski mit seinen Malerei-Objekten, "Inwaendig" betiteltet. Es sind Objekte einer Innenkehrung, in denen gleichsam aus der Innenfaltung von Malflächen malerische Innenräume entstehen.
Dieser Wechsel von Außen nach Innen ist das grundlegende Kennzeichen jedes lebendigen Organismus, wie Helmuth Plessner es in seiner biologischen Anthropologie zuerst beschrieben hat. Es ist die Funktion des Körpers, an seinen Rändern eine Demarkationslinie zwischen einem Leibinnenraum und einem weltlichen Außenraum zu bilden, deren Überschreitung als Verletzung den Organismus in seinen Lebensfunktionen beeinträchtigt oder lahmlegt. Gleiches gilt für die geistig-seelische Konstitution. Wie der Körper als Organismus nur so lange unversehrt ist, wie die Außenwelt nicht materiell in ihn eindringt, so muss es zu Störungen der geistigen Gesundheit kommen, wenn es nicht mehr gelingt, das eigene Ich von einer äußeren Welt im Bewusstsein zu unterscheiden und in den Akten der Wahrnehmung von der einen in die andere Sphäre zu wechseln.
Die meisten Leben entfalten Wirkung über ihre eigene Dauer hinaus, auch die, die sich nur in engsten privaten Kreisen abspielen. Das geschieht ungewollt, auch unbeachtet, denken wir nur an die genetische Macht der Herkunft, die so weit reicht, dass man damit rechnen muss, an einer Krankheit zu sterben, deren Keim Vorfahren in einen legten, die man selbst nicht mehr kannte. Damit solche Nach- und Fernwirkung sich angemessen und zum Wohl entfalten kann, braucht es Erinnerung. In den Künsten ist das am sichtbarsten: Ohne institutionalisierte Erinnerung in Gestalt von Museen wäre ein van Gogh für alle Zeiten verloren.
Das Gedenken, das man anderen erweist, ist ein Stück Vorsorge dafür, dass auch das eigene Leben nicht mit dem Tod enden wird. Erst wenn kein Lebender sich an einen mehr erinnern wird, ist der Herzstillstand endgültig.
Einer spezifischen Erinnerungsarbeit widmet sich Janet Zeugner. Sie hat sich ganz der experimentellen Fotografie verschrieben. In verschiedenen, parallel durchgeführten Serien spürt sie den Wegen und Abwegen der Erinnerungsleistungen, und –nichtleistungen nach, und erkundet damit jene wichtigste Eigenschaft des als Mittel der Dokumentation gehandhabten Mediums Fotografie, die ihm die Massenverbreitung sicherte, die es in einem unvergleichlich rasanten Prozess in seiner erst kurzen Geschichte erfuhr. Dabei macht sie Gebrauch von bereits existierenden fremden Fotos. In diesem Fall solchen aus einem Album, das vermutlich in einem Landschuldheim der NS-Zeit entstand. Sie zeigen anonyme Privatpersonen, die sie genau zum Zweck der Erinnerung hergestellt haben. Diese unterzieht sie einer Bearbeitung, der analog dem Verfahren einer malerischen Bildgestaltung geschieht, weshalb es sich bei ihren Arbeiten nicht mehr um Fotografien handelt, sondern um fotochemische Malereien.
In seinem zweiten Beitrag, einem seiner Buch-Objekte, geht Jan Bresinski den Weg des Zitats, und erinnert mit einem Gedicht, das er sichtbar werden lässt, an dessen junge, früh verstorbene Autorin, die polnische Lyrikerin Halina Poswiatowska. Diese schärfte ihre poetische Einbildungskraft zum Werkzeug ihres Lebens, das sich einem sicheren, medizinisch unabwendbar vorzeitigen Tod zuneigte. Damit gelang es ihr, das, was ihr Leben ausmachte seinen Sinn, über sein Ende hinaus zur Geltung zu bringen.
Diese Leistung der Verwandlung kennzeichnet die Einbildungskraft elementar. Wann immer ein Leben in die Bedürftigkeit eines Wandels gerät, muss diese ihre Kraft bewähren, oder Scheitern droht.
Dass dies sogar für die wohl schlimmsten Krankheiten gilt, die es gibt, die einer Störung der geistigen Integrität eines individuellen Bewusstseins als Teil einer gesellschaftlich-gemeinschaftlichen Welt, demonstriert Thomas Henke in seinem Dokumentarfilm "Mario der Zauberer". Die mit den Mitteln der künstlerischen Einbildungskraft erreichte Verwandlung der Schwäche der Krankheit in die Stärke eines wieder erträglichen Lebens mit ihr, die seinem Protagonisten gelingt, ist ein eindrucksvolles Beispiel dieses ‚Werkzeugs des Lebens’, Störungen des Lebens durch Umkehrung der Energien zu erreichen, die es bedrohen.
Das kann gelingen vermöge der Prägekraft des Modells, derer die Einbildungskraft sich bedient. Ihr spürt der Wiener Zeichner und Maler Lorenz Estermann in seinen "Raumstücken" nach: Miniatur-Modellen einer trotz ihrer minimalistischen Anmutung hoch artifiziellen "Bastelei", die sich jener Virtuosität einer traumwandlerisch sicheren Reduktion der Mittel bedient, die den Zeichner Estermann schon früh auszeichnete. Auch hier hier wirkt, wie in der Malerei, die Neigung, das ausgekundschaftete Terrain des zweidimensionalen Bildträgers in die dritte Dimension des Raumes zu erweitern.
Steht diese Arbeit mit dem Modell in der Konsequenz des Wechsels zwischen Zeichnung und Malerei, so geht es in meinem eigenen Beitrag um den Wechsel zwischen den beiden Symbolsystemen des Ausdrucks von Bedeutungen, Bild und Schrift. Gleichermassen von existentiellen Erfahrungen geweckt und motiviert, kann der Wechsel vom einen zum anderen zu einem "Werkzeug des Lebens" werden, wenn der Gebrauch des einen gerade nicht - oder überhaupt nicht mehr - gelingt.
Doch über Idee und Begriff soll und darf das Sinnliche nicht vergessen sein. Den Sinnen, vor allen dem Sehen, offenbaren die Bildwerke Bedeutungen und deren Nuancen, die dem reinen Denken verborgen bleiben müssen.
Sich auf die Suche nach ihnen in den hier versammelten Werken zu begeben,  deren im engeren Sinn ästhetisch-künstlerische Qualitäten gewiss über die angesprochenen theoretischen Bezüge hinausreichen und für sich bestehen können, sollen Sie nun nicht länger aufgehalten sein.

Literatur
Danto, Arthur, Die philosophische Entmündigung der Kunst (1986), München 1993
Hofmannsthal, Hugo von, Buch der Freunde, Leipzig 1922
Jünger, Ernst, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg 1932; NA in Cotta’s Bibliothek der Moderne, Bd. 1, Stuttgart 1982
Ponge, Francis, Gedanken zu den Statuetten, Figuren und Gemälden Alberto Giacomettis, in: ders.,  Texte zur Kunst, hg. Von Werner Spies, Frankfurt/M 1967, 114-117
Steffens, Andreas, Poetik der Welt, Hamburg 1995

 

Privatdozent Dr. phil. habil. Andreas Steffens lehrt Philosophie mit den Schwerpunkten Kulturtheorie, Anthropologie und Ästhetik an der Universität Kassel