Der Charme des Stahls

Ulli Bögershausen - "Crimson"

von Bernd Geisler
Der Charme des Stahls
 
Ich hasse Konzept-Alben. Das Konzept-Korsett läßt nur zu oft Kunst zu Krampf verkommen. Ulli Bögershausens letzte CD „Crimson“ - soeben hat er die DVD  „My Choice“ veröffentlicht - beginnt mit „Overture“ und endet mit „Outro“. Dazwischen ein „Konzept“?
 
Mir schwante beim Aufklappen der CD nichts Gutes, zumal Bögershausen zum ersten Stück schreibt: „An album is more than a collection of songs. It needs a conclusive concept, a beginning and an end.“ An Anfang und Ende hat er sich gehalten. “Outro” ergänzt “Overture” wie der rechte Schuh den linken. Kurzes Stück, der gleiche Anschlag, eine ähnlich schöne Melodie, dieselbe ruhige Atmosphäre, derselbe magische Zauber wundersam verwobener Stahlsaiten. Die anderen zehn Songs dazu in eine Konzept-Beziehung zu setzen, gelingt nur mit waghalsigen, da konstruierten Hirnwindungsverrenkungen. Also lassen wir es lieber. Hier hat „Konzept“ Gott sei Dank nichts mit „Korsett“ zu tun. Wenn es auf „Crimson“ (Purpur-Rot) neben Anfangs- und Endstück (wie beim Christstollen: Welches schmeckt besser?) überhaupt so etwas wie ein Konzept gibt, dann ist es die kontemplative, in sich gekehrte Stimmung, die Ulli Bögershausen über die Stücke ausbreitet wie ein Albatros die Schwingen über seine Jungen im Nest.
 
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß, so, wie der Gitarrist hier seine Akzente setzt, ihm die Lieder ans Herz gewachsen sind. Das gilt ebenso für alle Cover-Stücke, besonders aber für „Manha do Carnaval“ und „Hit the Road Jack“. Schlicht, einfach und damit wunderbar. Bögershausen beherrscht die Kunst, aus simplen, ohrgängigen Tonfolgen Unerhörtes herauszuholen. Seine Spielweise verführt den neugierigen Hörer zu Entdeckungsreisen fernab ausgetretener Pfade. Er setzt seine Finger auch bei schnellen, dazwischen geschobenen Läufen zielsicher und akkurat auf die Saiten und gibt mit der rechten Hand den Tönen den richtigen Dreh, sich zitternd davonzumachen wie Seifenblasen in der Frühlingsluft. Prägnant wie frühmorgendliche Sonnenstrahlen erstrahlen sie in neuem Licht und lassen vergessen, daß hier Fleisch und Blut am Werke sind.
 
Bögershausen nimmt sich Zeit für jede Note, er kann es sich leisten. Seine Töne berühren. Die Stahlsaiten tun ihr Übriges. Jeder Hammer-On und Pull-Off klingt doppelt prägnant; jedes Vibrato verflüchtigt sich erst nach längerem Verweilen: Der Charme des blanken Stahls wird nicht nur hörbar, er blitzt und bleibt. Und das ist jetzt doch ein Konzept.

Beispielbild

Ulli Bögershausen
Crimson
 
Ulli Bögershausen  - Steelstring Gitarre
 
© 2008 Laika-Records
Produziert von Peter Cronemeyer
 
Titel:
01 Overture (Bögershausen)  1:53
02 Percussive Groove (Bögershausen)   3:47
03 Mistral (Westerheide)   3:01
04 Manha do Carnaval (Louis Bonfa)   3:50
05 Llado's House (Bögershausen)    4:17
06 Both Sides Now (Joni Mitchell)   3:57
07 Lakewood Song (Bögershausen)   3:27
08 Bernas (Bögershausen)   4:03
09 Waltz (Bögershausen)   3:00
10 Hit the Road Jack (Percy Mayfield)   3:09
11 Time after Time (Cindy Lauper)  3:45
12 Outro (Bögershausen)   2:17
 
Gesamtzeit:   40:26

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