Das Leben flieht wie Sand dahin!

Hofmannsthals „Jedermann“ in einer glänzenden Inszenierung von Ellen Schwiers

von Frank Becker

Abgerechnet wird zum Schluß - (Urban, Schwiers, Neise, Röder)
Foto © Das Ensemble
Das Leben flieht wie Sand dahin
 
Jedermann
Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes
von Hugo von Hofmannsthal


Inszenierung:
Ellen Schwiers - Co-Regie: Katerina Jacob - Bühnenbild und Kostüme: Heidrun Schmelzer – Gewandmeisterin: Edith Bender – Bühnenausstattung: Rolf Brettschneider - Ton und Technik: Marcus Halbig – Musik: Sergio Vesely – Maske: Lili Schulteß
Besetzung: Jedermann: Holger Schwiers - Guter Gesell: Thomas Ney – Buhlschaft: Magdalena Kropiunig - Jedermanns Mutter: Ellen Schwiers – Tod: Ingo Neise - Dünner Vetter: Dirk Bender – Mammon: Frank Hangen - Gute Werke: Sabine Urban - Glaube: Eva Röder – Teufel: Hagen Marks - weitere Rollen: Spielansager, Gott, Nachbar, Schuldknecht, Schuldknechts Weib, Büttel, dicker Vetter, Koch, Knechte, Spielleute, Hausvogt, Tischgesellschaft.
 
Ins Stammbuch geschrieben

Remscheid.
Das Publikumsinteresse für eines der interessantesten deutschen Dramen, die Hofmannsthalsche Parabel vom Sterben des reichen Mannes, war enttäuschend. Gerade mal gut zur Hälfte besetzt war der Saal des Teo Otto Theaters. Kein Interesse an „schwerem Theater“? Oder vielleicht die Angst, dem Tod ins bleiche Antlitz zu schauen? Hugo von Hofmannsthal hat uns mit seinem in vielen Jahren gereiften Spiel, das auf den englischen Stoff des „Everyman“ aus dem 15. Jahrhundert zurückgeht, etwas ins Stammbuch geschrieben – seinen Zeitgenossen und allen folgenden Generationen. Mit der Wahl der archaisierenden Verse und Metrik – vom Ensemble Jacob- Schwiers hervorragend umgesetzt - öffnete er zusätzlich die Tür zur Vor-Geschichte.


Da ist die Welt noch in Ordnung - Tischgesellschaft bei Jedermann
Foto © Das Ensemble

 Was zählt ? - Was gilt? - Was bleibt?

Was zählt, wenn Freund Hein ans Tor pocht und dich zum letzten Gang auffordert? Was nimmst du

Magda Kropiunig als Buhlschaft
Foto © Das Ensemble
mit? Wer ist dir treu? Was gilt noch? Der Mammon (Frank Hangen) jedenfalls, einleitend brillant von einer Stockpuppe vertreten, zeigt dem Reichen verächtlich die Zunge. Er hat nie Jedermann gehört, sondern vice versa. Das Theaterstück, in dessen Zentrum wir alle als Jedermann stehen oder unsere schäbige kleine Existenz wiedererkennen, schont niemanden. Nicht den  „Jedermann“, in der Inszenierung von Ellen Schwiers durch ihren Bruder Holger Schwiers vital und wandelbar verkörpert, nicht den guten Gesell, dem Thomas Ney als hohler Sprücheklopfer und Busenfreund nur in guten Stunden gekonnt Gestalt gibt und nicht die verlogenen Vettern, falschen Freunde und Zechgenossen, die ihn in der Stunde der Not verlassen. Das nimmt auch die Buhlschaft nicht aus, von der betörenden Magda Kropiunig archetypisch ideal und von einer Saftigkeit und herrlichen Üppigkeit im reinsten Wortsinn verkörpert, die Jedermanns Lebenswunsch verständlich macht. Doch auch sieht flieht ihn angesichts des Sensenmanns mit Entsetzen. Ingo Neise spiegelt in dieser Rolle als hagerer Riese geradezu angsteinflößend Murnaus Nosferatu. Schließlich steht der Todgeweihte allein im Saal, in dem eben noch alle an der Tafel saßen wie bei Leonardos „Das letzte Abendmahl“.
 
Ovationen für den Teufel

Und doch: eine Person ist ausgenommen. Jedermanns Mutter, die für Vernunft und Umsicht mit Blick

Der Teufel zetert - grandios: Hagen Marks
Foto © Das Ensemble
auf das ewige Leben spricht. Ellen Schwiers selbst hat diese Rolle übernommen. Der großen Schauspielerin, die 1961/62 an der Seite von Walther Reyer in Salzburg die Buhlschaft gespielt hatte, gelang ein eindrucksvoller Beweis für hohe Schauspielkunst. Und noch einer – sogar mit Szenenapplaus bedacht – zeigte Theater á la bonheur: Hagen Marks als Teufel. Dieser Bocksfüßige in zu eng gewordener Priester-Soutane spielte im vergeblichen Versuch, sich an „Werke“ (Sabine Urban) und „Glaube“ (Eva Röder) spuckend, keifend, sich windend zur Seele Jedermanns vorbeizumogeln von Jedermann bis Herrgott, von Buhlschaft bis Tod alles an die Wand. Großartig! Seine Szene hätte er gerne als Zugabe noch einmal spielen dürfen.
Wir wissen und erleben jedes Mal aufs Neue beruhigt, daß Jedermann im Glauben geläutert vor den HErrn tritt. Hofmannsthal hat die Botschaft deutlich gemacht. Das Ensemble Jacob-Schwiers konnte sie vermitteln. Das Publikum dankte mit Ovationen. Ein Theaterabend von Rang.
 
Weitere Informationen unter: www.das-ensemble.de