Hörspielpreis 2009 der Kriegsblinden geht an Paul Plamper

Bund der Kriegsblinden e.V. und Filmstiftung NRW verleihen zum 58. Mal die renommierte Auszeichnung

von Lena Kraan

Paul Plamper - © WDR/Sybille Anneck
58. Hörspielpreis der Kriegsblinden
geht an Paul Plamper
 
Bund der Kriegsblinden e.V. und Filmstiftung NRW
verleihen zum 58. Mal die renommierte Auszeichnung
 
Für sein Hörspiel "Ruhe 1" erhält Paul Plamper den diesjährigen Hörspielpreis der Kriegsblinden/Preis für Radio­kunst. Der Hörspielpreis der Kriegsblinden, der zu den renommiertesten Auszeichnun­gen für Hörspielautoren zählt, wird gemeinsam vom Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V. und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen getragen. Mit dem Preis wird jährlich ein von einem deutschsprachigen Sender konzipiertes und produzier­tes Hörspiel ausgezeichnet, das "in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunst­form realisiert und erweitert".
 
Bei dem Hörspiel "Ruhe 1" handelt es sich um eine Koproduktion des WDR und des Museum Ludwig. Es war von Oktober 2008 bis Januar 2009 als Toninstallation im Museum Ludwig zu hören, wo es als "begehbares" Hörspiel ausgestellt war. Die Über­arbeitung der Installation in ein lineares, sendetaugliches Hörspiel wurde von der Film­stiftung gefördert. Am 15.12.2008 wurde das Hörspiel im WDR urgesendet.
 
Am 2. und 3. März tagte die Jury in Köln. Nachdem sie in den letzten beiden Jah­ren in der Schweiz und bei Radio Bremen zu Gast war, fand die Jurysitzung in diesem Jahr beim WDR statt.
Der Preis wird am 9. Juni in Berlin verliehen.
 
Entschließung der Jury:
"Paul Plamper inszeniert ein akustisches Gesellschaftsbild. Wie reagieren verschiedene Gruppen auf einen alltäglichen Konflikt?  Das Publikum eines Cafés beobachtet, wie draußen ein Mann eine Frau verprügelt. Was tun? Sich einmischen?  Darauf warten, daß es jemand anders macht? Sich heraushalten?
 
Plamper stellt das moralisch hochbrisante Thema ohne moralische Attitüde dar. Er läßt uns in die Gespräche an den Cafétischen und dadurch in ein Dutzend Lebensgeschich­ten eintauchen.  Bewundernswert, wie er Sprache und Denkweise  der verschiedenen Milieus lebendig macht, aus denen sich die jeweilige Art der Rechtfertigung für das eigene Verhalten ergibt. Das hat er dem Leben abgeguckt. Und hat es nicht ohne Ironie und Komik dargestellt. Die Gleichzeitigkeit der Gespräche an den verschiedenen Tischen wird kunstvoll in den linearen zeitlichen Ablauf eines Hörspiels gebracht. Plamper schafft akustische Signale, vernetzt die jeweilige Szene mit schon bekannten Gesprächsfetzen vom Nachbartisch. Man erkennt wieder, weiß wo man ist und ist schon mittendrin. Den großartigen Sprechern kommt Plampers Arbeitsweise zugute, aufgrund von Vor­lagen und Stichworten zu improvisieren. Sie gewinnen dadurch einen hohen Grad an Authentizität und Glaubwürdigkeit. "Ruhe 1" behandelt ein aktuelles sozialkritisches Thema und ist dabei durchaus gute Unterhaltung. Es ist ein hochartifiziell gebautes Stück, das unmittelbar emotional zu­gänglich ist. Ein Hörspiel für Experten der Radiokunst und für großes Publikum."
 
Zum diesjährigen Preisträger:
Paul Plamper begann seine Regiearbeit 1992 am Berliner Ensemble als Assistent von Peter Zadek, Heiner Müller, Robert Wilson u. a. Seit 1995 inszenierte er an diversen Theatern, u. a. an der Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz und am Berliner Ensemble. Mit "Der Auftrag" verwirklichte er die erste türkische Heiner-Müller-Aufführung am Stadttheater Istanbul.
 
Für den WDR realisierte Plamper Hörspiele im Grenzbereich zwischen Literatur und Musik, z.B. "Hüttenkäse", "Stopper" und "Top Hit leicht gemacht", das den Prix Europa 2002 gewann. Außerdem: "Henry Silber geht zu Ende", "Dramat Mixe 05" und das Gefangenenprojekt "Release". 2005 bis 2007 kuratierte er die Hörspiel-Veranstaltungs­reihen Hörspielzentrale (HAU, Berlin Kreuzberg) und Hörspielpark (Theater Freiburg). 2006 entstand der Dreiteiler "Hochhaus" nach J.G. Ballard, der als Trip­tychon mit Videos von Niklas Goldbach u. a. im Museum Ludwig, an den Münchner Kammerspielen und beim Literaturfestival Berlin gezeigt wurde. Seit 2005 konzipiert Plamper zunehmend räumliche Hörspiele. Er arbeitet an einer eigenen Form der begehbaren Hörspiel-Skulptur. "Ruhe 1" ist der Auftakt zu einer Serie von Arbeiten, die einen oder mehrere Momente der Ruhe zum Ausgangspunkt und Zentrum haben.
 
Seit 2008 erscheinen alle Hörspiele Plampers auch als CD und MP3 auf der eigenen Ver­triebsplattform www.hoerspielpark.de.
 
Der Jury, unter Vorsitz der Autorin Anna Dünnebier, gehören jeweils sieben Kriegs­blinde und sieben Fachkritiker sowie fünf von der Filmstiftung NRW berufene Juroren aus dem Kulturbereich an. Preisträger der vergangenen Jahre waren u. a. Michaela Melián, Stefan Weigl, Elfriede Jelinek, Christoph Schlingensief, Andreas Ammer & FM Einheit, Walter Filz oder Inge Kurtz & Jürgen Geers.
 
Im letzten Jahr erhielt "Rimini Protokoll", Helgard Haug und Daniel Wetzel, den Hörspielpreis für "Karl Marx. Das Kapital. Erster Band".