Die Orchesterstimmen vom 1930er "Weißen Rössl" in Zagreb aufgetaucht

Im Juni führt die Staatsoperette Dresden das Original auf

von Kevin Clarke

Faksimile des Original-Manuskripts
Die Original-Orchesterstimmen vom 1930er "Weißen Rössl" in Zagreb aufgetaucht
 
"Wunder gibt es immer wieder" hat Katja Ebstein gesungen. Und das paßt ganz gut auf diese Geschichte: Seit der Verlag Felix Bloch Erben sich ernsthaft dazu durchgerungen hat auf Drängen vieler Theater das Weiße Rössl in der 1930er Originalfassung wieder zugänglich zu machen, war man auf der Suche nach der Originalpartitur, die Eduard Künneke fürs Große Schauspielhaus Berlin erstellt hatte. Sie galt - laut Auskunft des Verlags - als verschollen. Nun hatte Felix Bloch Erben die naheliegende und gute Idee, alle Theater anzuschreiben, die das Stück in den frühen 1930er Jahren aufgeführt haben, und zu fragen, ob dort irgendwo noch Material vorrätig sei. Fündig wurde man, ganz überraschend, ausgerechnet in Zagreb. Dort tauchte das vollständige (!) Orchestermaterial auf, das 1:1 übereinstimmt mit dem auf der Berliner Urfassung basierenden Klavierauszug. Man kann wohl zu Recht von einer Operettensensation sprechen! Vor allem auch, weil alle Tanzevolutionen nun im Original wieder zugänglich sind, ein für eine Revue-Operette wie das Rössl nicht unwesentlicher Aspekt.
 
Die Orchester-Einzelstimmen werden derzeit von M. Grimminger und H. Hagedorn als Partitur ediert und "bühnenpraktisch eingerichtet". Die Premiere der wiederhergestellten Originalfassung wird im Juni 2009 an der Staatsoperette Dresden stattfinden, inklusive der vollständigen Ballettmusik. Die musikalische Leitung übernimmt Christian Garbosnik, Inszenierung und Choreografie Winfried Schneider. Laut Auskunft der Staatsoperette hat das Orchester bereits Einzelstücke des Original-Rössl durchgespielt, wobei sich herausstellte, wie sensationell 'anders' der Sound von 1930 ist - sehr ähnlich Kurt Weills Dreigroschenoper gemischt mit den großen Filmmusiken der Epoche. Eine Erfahrung, die man kürzlich auch in Nordhausen im Zusammenhang mit Benatzkys Drei Musketieren machen konnte, die für ein ähnlich großes und differenziertes Orchester geschrieben sind. Da es scheinbar derzeit keinem Opernhaus zumutbar ist, für eine Operette ein 250 Mann

Kostüm-Entwurf für die Rössl-Girls, Ernst Stern (nicht ausgeführt)
© Benatzky-Archiv
Orchester zu mobilisieren (mit teils 16-fach geteilten Geigen, Jazz-Kapelle und Zither-Gruppe), wird der Verlag vom Rössl eine etwas 'vereinfachte' Version als offizielle neue Partitur anbieten.
 
Vielleicht wird ja nach der (hoffentlich erfolgreichen) Premiere in Dresden ein großes Haus mit großem Orchester den (konzertanten) Versuch starten, das Rössl in all seiner üppigen Glorie zu Gehör zu bringen - und das Ereignis dann auf CD zu bannen? Mit etwas Glück wird es auch von der Dresdner Fassung eine CD geben. Und mit noch mehr Glück bringt Bloch Erben von diesem rekonstruierten Rössl auch eine kommentierte Partitur in den Handel - damit dieser Klassiker des Unterhaltungstheaters des 20. Jahrhundert allgemein zugänglich wird.