Indiskretionen

Michael Mendl überzeugte nicht als Haydn

von Frank Becker

Michael Mendl als Haydn - Foto: Veranstalter
„Meine Sprache versteht man
überall in der Welt“
 

ein Abend mit Joseph Haydn
 

Konzeption
, Text und Arrangement: Alexander Krampe
- Regie: Dominik Wilgenbus - Premiere 16. September 2007 in Bad Kissingen - gesehene Vorstellung: Remscheid, 15.3.2009
Die Schauspieler: Haydn - Michael Mendl   -  Frauenrollen - Carolin Fink  -  Sprecher - Dominik Wilgenbus  -  Sopran - Katja Stuber
Die Musiker: Flöte Christiane Steffens - Oboe Susanne Schlusnus - Klarinette Christophe Gördes - Horn Carlos Duque - Fagott Ruth Gimpel - Violine Peter Clemente, Thomas Wollenweber - Viola Katrin Wollenweber - Violoncello Susanne Weis - Kontrabass Ronald Schweppe
 
Mendl wirkte müde
 
Seit anderthalb Jahren ist die Kammeroper München mit ihrem Haydn-Programm auf Tournee, die letzten Stationen: Zweibrücken, Bruneck, Remscheid, Ofterschwang... -  in diesem Jahr unter dem Stern des Haydn-Jahrs, denn vor 200 Jahren ist der Komponist von 104 Sinfonien, der „Schöpfung“, der „Jahreszeiten“ und nicht zuletzt des Kaiser-Quartetts gestorben. Michael Mendl, profilierter Bühnen, Film- und Fernsehschauspieler, bringt den geschäftstüchtigen Bonvivant mit einem zehnköpfigen Musikensemble, seiner Frau Carolin Fink in allen Frauenrollen, dem Erzähler Dominik Wilgenbus und der Sopranistin Katja Stuber auf die Bühne. In Remscheid aber wirkte der beliebte Schauspieler unkonzentriert, fahrig und textunsicher – was der von Alexander Krampe erdachten und von Dominik Wilgenbus in Szene gesetzten musikalischen Kurzbiographie schon ein wenig abträglich war.
 
Ein gigantisches Werk
 
Erzählt wird in gerafften biographischen Notizen - und mit gezielten Indiskretionen -  das Leben des Joseph Haydn (1732-1809), der als Wiener Konkurrent und späterer Freund Mozarts, als Lehrer Beethovens und als höchst erfolgreicher „Hofcompositeur“ derer von Esterhazy ein Leben zwischen seelischer Entbehrung und außerehelicher erotischer Ausschweifung führte. Daß er dabei mit 104 Sinfonien, 24 Opern, 14 Messen, 6 Oratorien, 32 Konzerten, 276 Kammermusiken, 52 Klaviersonaten und unzähligen weiteren kleinen Kompositionen ein gigantisches Lebenswerk schuf, sei am Rande erwähnt. Mit 18 Jahren schrieb er ein Streichquartett, das als Wiege des Genres gelten kann, 1803, mit 69 Jahren endete sein kompositorisches Werk mit einem letzten Streichquartett, das unvollendet blieb. Haydn starb 1809. Seine im Stück kolportierten angeblichen letzen Worte „Viele Grüße an alle schönen Weiber“ sind zwar witzig, aber nicht sein wirklicher Abschied von der Welt.
 
Zwischen Esterhaza und London
 
Beinahe ein Leben lang als Kapellmeister und Hofcompositeur am fürstlichen Hof Esterhaza gebunden, entwickelte der umtriebige Joseph Haydn, erster Sohn eines Stellmachers und älterer Bruder des Komponisten Michael Haydn, ein unerhört produktives Leben (s.o.), bei dem ihm seine wenig geliebte Frau Maria Anna Keller, eine bigotte Xantippe, die er am 26. November 1760 ehelichte, überwiegend der Mitgift wegen hilfreich war. Ansonsten betrog er die Frömmlerin mit Sängerinnen und adligen Gönnerinnen. Das Ehepaar Carolin Fink und Michael Mendl stellte das in kurzen Szenen dar, wobei Mendl stets Haydn blieb, Fink aber alle Frauenrollen übernahm. Die Hauptrolle indes hatte die Kammeroper München, 10 Musiker, die Haydns Sinfonien Nr. 94, Nr. 6, Nr. 45, Lieder und Streichquartette untadelig, wenngleich kaum inspiriert spielte. Der Eindruck von Routine ließ sich weder bei den Schauspielern noch bei den Musikern übersehen. Kaum mehr als angenehm blieb die Sopranistin Katja Stuber bei ihren Lied-Interpretationen in Erinnerung. 
 
Hin ist alle meine Kraft
 
Im zweiten Teil, bei dem Haydn mit dem Union Jack über den Kanal schippert, um im königlichen England Damenherzen und die Royalties zu erobern, hatte sich der durchaus sympathische Michael Mendl besser im Griff, wenn auch die zwei Stunden der Aufführung dennoch insgesamt blutleer wirkten. Da war einfach die Luft raus. Mozarts Tod, der Disput mit dem widerständlerischen Beethoven, der zweimalige englische Erfolg und der Diebstahl von Haydns Schädel nach seiner Beerdigung bergen wesentlich mehr Stoff, als hier umgesetzt werden konnte. Mendl blieb weit unter seinen Fähigkeiten, während im kaum halb gefüllten Saal des Remscheider Theaters das Gefühl aufkam, als habe die Truppe einen Termin in der Provinz „abgehakt“. Das ist weder Haydn noch seiner Bühnen-Verkörperung durch Mendl würdig. Der beinahe peinliche stehende Applaus am Ende, der die künstlerische Leistung überbewertete, war völlig unangemessen und desavouierte die ehrliche Leistung anderer, weniger prominenter Künstler, die solcher Ovationen nicht teilhaftig werden.

Weitere Informationen unter: www.kammeroper-muenchen.com