Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich

Horvaths "Kasimir und Karoline" im Düsseldorfer Schauspielhaus mit reichlich Bier und Prolligkeit

von Andreas Rehnolt
Man hat halt oft
so eine Sehnsucht in sich
 

Horvaths "Kasimir und Karoline" im Düsseldorfer Schauspielhaus
mit reichlich Bier und Prolligkeit
 
Bierselig und in krisengeschüttelter Prolligkeit ging am 21. März die Premiere von Ödön von Horvaths "Kasimir und Karoline" im Düsseldorfer Schauspielhaus über die Bühne. Doch da waren auch stille, rührende Momente in der mit knapp drei Stunden allerdings deutlich zu langen Inszenierung von Karin Neuhäuser. Von der vermeintlich fröhlichen Gemütlichkeit des Münchener Oktoberfestes im Jahr 1932 ist auf der Bühne von Granz Lehr lediglich der Eiswagen geblieben. Ein gigantischer runder Käfig schwebt über dem ebenfalls runden, sich mitunter drehenden Rummelplatz und scheint die Gefangenheit aller Figuren in der grauslich schlechten Zeit zu versinnbildlichen, die deutliche Bezüge zum Hier und Heute aufweist.
 
Horvath verstand sein Stück als eines über die Liebe, die in Zeiten existentieller Verunsicherung auf die Probe gestellt wird. Die simple und doch so einschneidend wichtige Frage nach dem Verbleib der Liebe, wenn einer oder gar alle beide der Liebenden kein Geld mehr haben, schwebt über dem Theaterabend. Dutzende bunter Plüschtiere spielen auf der Bühne wie auf jedem realen Rummel natürlich mit und auch die zu den damaligen Zeiten übliche Abnormitäten-Schau wird in Düsseldorf nicht ausgelassen. Neben einem Liliputaner gibt es das singende Affenkind mit Gorillamann und auch ein Mädchen mit zwei Köpfen rauscht über das Oktoberfest. Die Protagonisten sind aufs Prächtigste ausstaffiert. Christoph Seeger-Zurmühlen gibt mal den Wurstlbrater, mal das Maßkrüge schleppende Mad'l mit strammen Waden und auch den Ausrufer.
 
Maria und Elli sind mit Marianne Hoika und Katrin Röver zwei drall-derbe Frauen, brutalst geschminkt und auf fesch getrimmt, die für einen Fünfer und ein Bier zu allem bereit sind. Der Merkl Franz von Thiemo Schwarz ist ein widerlicher, seine Brutalität kaum im Griff habender Kleinkrimineller, dem seine Erna zum Auftakt eines jeden Hustenanfalls unverzüglich eine brennende Zigarette zwischen die Lippen zwängt. Die beiden aufs Saufen und Huren versessenen Bessergestellten Rauch und Speer (Michael Schütz und Winfried Küppers) übertreiben die Besoffenheit allerdings in der zweiten Hälfte des Stücks beträchtlich und enden leider mehr als klamottig. Und dann die beiden Hauptfiguren: Nadine Geyersbach als Karoline läßt sich allzu gern von Rauch und Speer bedrängen und gibt Kasimir, den Markus Scheumann leider mächtig introvertiert spielt, den Laufpaß.
 
Während die erste Hälfte der Inszenierung noch Schwung hat, kippt sie nach der Pause wie die Stimmung der Protagonisten auf der Rummelplatz-Bühne. Viel zu ewig wird da "So lang der alte Peter..." oder "Solang die grüne Isar..." geträllert. Viel zu oft wird auf Ex gesoffen und die Kirmesgesellschaft, die vermeintlich so "fidel" ist, zeigt schon fast Schmerz verursachend die Hölle der Gemütlichkeit, die sich auch heutzutage gerne in Eckkneipen und Kirmeszelten breit macht. Das zu viel an Gedudel und auch Einsprengsel aus der deutschen Schlagerseeligkeit wie etwa: "Egal wohin die Zeit und treibt, die Liebe bleibt..." sorgen für den Absturz dieser gut gemeinten Inszenierung.
 
An deren Ende ist der Merkl Franz verhaftet, seine Elli verbandelt sich mit Kasimir, und Karoline entfernt sich mit der Erkenntnis: "Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich - aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen." Ach ja, der Riesen-Teddybär von Karoline bleibt einsam zurück auf dem Bühnenrund. Auf einem echten Rummel wär das natürlich nie passiert und in echten Krisenzeiten hätte Karoline ihn sicher mitgenommen und ihn bei Ebay versteigert. Der Applaus am Ende war angemessen.
 
Nächste Aufführungen: 27. März sowie 5., 7. und 29. April
Weitere Informationen unter: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de