Kleiner Mann, was nun?

Revue von Tankred Dorst und Peter Zadek in Hof

von Alexander Hauer
Schauspiel: sehr musikalisch
 
Kleiner Mann, was nun?



Revue von Tankred Dorst und Peter Zadek
nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada
Eine Inszenierung von Michael Blumenthal
 
 
Die Krise holt uns ein
 
Als vor einem Jahr die Spielzeit konzipiert wurde, setze man in Hof auf zwei Stücke, die in der Weltwirtschaftskrise spielen. Die Oper „ Von Mäusen und Menschen“ und die Revue“ Kleiner Mann, was nun“.
Vor einem Jahr, da war die Welt - fast- noch in Ordnung. Und im frühen Jahr 2009 holt uns die Realität ein. Eine weltweite Krise, in der die da Oben leben, immer noch feiern, aber die da Unten an die Belastungsgrenzen geraten. Peter Zadek und Tankred Dorst schrieben ihre Revue zu Beginn der 1970er, und da geriet die Schilderung des Elends eines kleinen Mannes, der unaufhaltsam nach unten driftet, zu einem operettenhaft schrillem Spektakel. Und heute? Michael Blumenthal und sein Dramaturg Thomas Schindler haben sich des Stoffes angenommen, ihn gekürzt und aktualisiert.
 
Kleine Leute als Spielball
 

Polina Bachmann - Jörn Bregenzer
Jörn Bregenzer ist Johannes Pinneberg, der kleine Angestellte, der der Arbeitertochter Emma Mörschel (Polina Bachmann) ein Kind gemacht hat. Klar, die beiden lieben sich und er will sie auch heiraten. Aber zunächst muß er sich gegen die Widerstände seiner Schwiegereltern durchsetzen. Ein Angestellter paßt nicht in das kommunistische Weltbild der Hamburger. Dann verliert er auch noch seinen Job, die Not treibt die beiden nach Berlin, weil es da vielleicht Arbeit gibt. Dort kommen sie zunächst bei Pinnebergs Mutter unter, die ihnen ein Zimmer vermietet, Emma als Haushaltshilfe ausnutzt, während sie in neudeutsch - einen “toleranten Partykreis“ betreibt. Ihr aktueller Lebensabschnittspartner vermittelt Johannes in ein Konfektionsgeschäft. Die beiden ziehen aus, in einen Lagerraum, wohnen quasi „schwarz“, werden erpreßbar. Die Welt wird zum immer stärkeren Gegner, aber gegen Ende bleibt die Hoffnung, daß die Liebe der Beiden doch noch zum Guten führt.
 
Hervorragend be- und umgesetzt
 
Nun, diese dunkle Geschichte als Revue – geht das? Und wie es geht. Das komplette Hofer

Hocke - Kaiser - Holzwedel
Schauspielensemble, ergänzt durch Gast Jürgen Lorenzen und die Soul City Dancers, eine in Hof ansässige Tanztruppe, zaubern die letzten Zuckungen der Weimarer Republik auf die Bühne, ohne in Nostalgie zu verfallen. Stets sind aktuelle Ereignisse greif- und spürbar, ohne daß sie direkt angesprochen werden.
Bis auf die beiden Hauptdarsteller sind alle Schauspieler in mehreren Charakteren zu sehen und zu hören, und die Gesangsleistung ist sehr beachtlich. Allen voran Anja Stange, die sowohl als Schlampenmutter Mia brilliert, als auch als Marlene Dietrich. Phantastisch dieses Timbre, mit der sie auch die Frivolität Fritzi Massarys und Marika Rökks gestaltet. Ralf Hocke glänzt als Futterhändler Kleinholz mit Asthmaproblemen, und mit dem Lied vom alten Leiermann. Angelika Koopmann und Wolfgang Kaiser überzeugen als Hamburger Arbeiter ebenso wie in den anderen Rollen. Peter Kampschulte gibt den netten Arbeitskollegen Heilbutt mit frivolen Nebenverdienst, John Peter Altgeld und Jens Holzwedel schlüpfen in unterschiedlichste Rollen. Nina Machalz gibt das verwöhnte Kleinkapitalistenkind mit dem Lied vom schönen Fritsch genauso glaubwürdig, wie das Frl. Coutureau. Für komische Momente in all der Tragik sorgt das „Damentrio“ Ralf Hocke, Wolfgang Kaiser und Jens Holzwedel. Auch soll die Rolleninterpretation des Schauspielers Schlüter durch Wolfgang Kaiser nicht unerwähnt bleiben. Er gibt dem arroganten Mimen beängstigende Dimensionen. Jürgen Lorenzen spielt den Jachmann einfühlsam und gibt dem masochistisch angehauchtem Kleingangster Tiefe.
 
Eine runde Sache
 
Die Kunstform der Revue lebt aber nicht nur durch die Qualitäten ihrer Darsteller. Auch die Regie Blumenthals, das Bühnenbild von Thomas Mogendorf - mit einfachsten Mitteln werden Arbeiterwohnung, Arbeitsplätze, Etagenpuff, Saunaclub in kürzester Zeit auf die Bühne gezaubert - auch die stimmigen Kostüme Barbara Schwarzenbergers komplettieren den Gesamteindruck. Was Barbara Buser mit den Damen der Soul City Dancers macht, ist ebenfalls beeindruckend. Der Wechsel von den Revuegirls hin zu BDM-Mädels und wieder zurück ist überdurchschnittlich gut.
Lorenz C. Aichner und seine Combo treffen stets genau den Ton, den das Stück braucht. Die Band unterstützt die Schauspieler, hilft ihnen bei den Gesangsnummern. Die technische Mannschaft, die Garderobieren und die Maskenabteilung haben nicht nur im Vorfeld sehr gute Arbeit geleistet, auch während des Stückes haben sie kaum eine Verschnaufpause.
Nach gefühlten 90 Minuten und realen drei Stunden endete der Abend mit tosendem, verdientem Applaus für Darsteller, Band, Tänzerinnen und das Regieteam, die es gemeinsam schafften, für wenigstens einen Abend die aktuelle Krisensituation vergessen zu machen. Gratulation an alle.
 
Fotos: SFF Fotodesign
Besuchte Vorstellung 27.03.2009
Weitere Informationen unter: www.theater-hof.de

Redaktion: Frank Becker