Die Ernst-Höllerhagen-Story ­- Textkonzert von Heiner Bontrup

„Lieber sterben als den Geist von Benny Goodman verraten!“

von E. Dieter Fränzel
„Lieber sterben als den Geist
von Benny Goodman verraten!“

Die Ernst-Höllerhagen-Story ­- 
Textkonzert von Heiner Bontrup
 
Sonntag, 7. Juni  2009, 19.30 Uhr
Museum Baden,
Wuppertaler Str. 160, Solingen-Gräfrath
 

„Swingtanzen verboten“ – für die Nazis war der Jazz entartete Musik. Hitlers Chefideologe  Alfred Rosenberg geißelte den „undeutschen Charakter“ der Jazz-Musik und wetterte gegen die „Mulatten- und Negerkultur“. Doch während die Hitler-Jugend gegen den Charleston mobil macht und der Deutsche Frauen-Orden in seinen Statuten vor „dem negativen Einfluß des Jazz, der Neger und der Juden auf die Sexualmoral“ warnt, tanzt das feine Berlin Swing. Ein  deutscher Jazzmusiker spielt mitten in dieser verrückten Zeit auf zum Tanz auf dem Vulkan: Ernst Höllerhagen. Während der 30er Jahre ist der in (Wuppertal-) Barmen  geborene Klarinettist und Saxophonist Mitglied bei den besten deutschen Swing-Orchestern in den legendären Amüsiertempeln des “Swinging Ballroom Berlin”.
 
Die Biografie Höllerhagens ist zugleich eine Zeitreise in das Berlin der 30er Jahre und zeigt den Wahnsinn, aber auch die inneren Widersprüche der nationalsozialistischen Kulturpolitik, für die Jazz und Swing „entartete Musik“ war, die aber zugleich eine eigene Jazz-Band engagiert hatte: „Charlie and his Orchestra“ spielte hochwertigen und aktuellen Swing. Die Texte der Songs entsprachen nur in der ersten Strophe den Originalen, die folgenden hatten englische Nazi-Texte, die den Gegner demoralisieren sollten. Zugleich spielte die Band bei Partys von hohen Nazi-Funktionären.
 
Heute erinnert sich kaum noch jemand an das große Ausnahmetalent des deutschen Jazz: ein fast vergessenes Kapitel europäischer Jazz-Geschichte, das Heiner Bontrup und Dieter E. Fränzel in dem Buch „Sounds like Whoopataal“ wiederentdeckt und aufgeschrieben haben.  Ein Leben swingend zwischen musikalischen Höhenflügen und tiefen Abstürzen im Privaten. Nach Tingeltangeljahren als Kinomusiker beginnt Höllerhagen mit nur 18 Jahren seine musikalische Karriere in Hamburg; zwei Jahre später wird er bereits zum besten Saxophonisten Deutschlands gekürt. Im Schweizer Exil trifft er Hazy Osterwald, dessen Showband er bis zu seinem Tod angehört. Dort macht er Aufnahmen mit Coleman Hawkins, dem Vater des modernen Jazzsaxophon-Spiels. Bei einem Konzert in Schweden ist selbst Benny Goodman von dem virtuosen Klarinettenspiel Höllerhagens so beeindruckt, daß er ihm anbietet, auf seiner Klarinette zu spielen: ein musikalischer Ritterschlag.  Jazz-Journalisten sind begeistert und erklären ihn zum “europäischen King of Swing”.
 
Die Höllerhagen-Biographie hat Heiner Bontrup für die Bühne als Textkonzert bearbeitet. Das Leben des Wuppertaler Klarinettisten wird aus der Perspektive des bekannten Schweizer Jazzmusikers und Bandleaders Hazy Osterwald erzählt, der mit Höllerhagen durch eine langjährige tiefe Musikerfreundschaft und eine tragische Liebesgeschichte verbunden war. Der Wuppertaler Schauspieler Hans Richter schlüpft in einer szenischen Lesung in die Rolle Hazy Osterwalds, eingespielt werden O-Töne aus einem Interview mit Hazy Osterwald sowie historische Aufnahmen mit Ernst Höllerhagen. Die Stimmungen des Textes sowie die historischen Aufnahmen Höllerhagens werden in dem Textkonzert von dem Percussionisten, Autor und Jazzveteranen Dietrich Rauschtenberger, der Wuppertaler Akkordeonistin Sabine Prüss sowie dem Kölner Klarinettisten und Saxophonisten Axel Petry improvisierend aufgegriffen. Text und Musik lassen sich auf einen Dialog ein, der beiden Raum zu freier Entfaltung läßt, aber auch Verschmelzung ermöglicht.
 
 
Redaktion: Frank Becker