Neues Stück 2009
Gesehen am 14.06.09 im Opernhaus Wuppertal
Inszenierung und Choreographie: Pina Bausch - Bühne und Videoprojektion: Peter Pabst - Kostüme: Marion Cito - Musikalische Mitarbeit: Matthias Burkert, Andreas Eisenschneider – Fotos: Karl-Heinz Krauskopf Das Ensemble: Pablo Aran Gimeno, Rainer Behr, Damiano Ottavio Bigi, Aleš Čuček, Clémentine Deluy,Silvia Farias Heredia, Ditta Miranda Jasjfi, Nayoung Kim, Eddie Martinez, Dominique Mercy, Thusnelda Mercy, Morena Nascimento, Azusa Seyama, Fernando Suels Mendoza, Anna Wehsarg, Tsai-Chin Yu.
Internationale Zusammenarbeit
Alle Stücke der letzten Jahre entstanden in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Dieses mal ist es eine Koproduktion mit Festival International de Teatro Santiago a Mil und Goethe-Institut Chile. Im Februar bereiste das Ensemble Chile, um Eindrücke zu sammeln. Work in Progress nennt Pina Bausch es üblicherweise, wenn ihre Stücke ihr noch nicht formvollendet erscheinen. Einen Namen erhält dieses neue Stück später. Peter Pabst, oft schwelgend in überbordenden Bühnenbildern, schuf hier einen schlichten schwarzen Raum mit fast weißem Boden. Vulkane, Asche, Eis, Wüste, solch Assoziationen setzen sie frei. Kontrastreich dazu die bunten, edlen Abendkleider der Damen, entworfen von Marion Cito. Die Herren dagegen wie immer in gedeckten Anzügen. Pina Bausch setzt in diesem Stück fast ganz auf ihre „junge Garde“, auch auf neue Gesichter. Morena Nascimento zum Beispiel, die das Publikum zu begeistern und belustigen verstand. Sie sitzt an einem fein gedeckten Tisch. Kaum ist der Kellner verschwunden, kippt sie das gesamte Essen in den Topf zurück, versteckt sich unter dem Tisch und ißt mit den Fingern direkt aus dem Topf.
Dominique Mercy bricht das Eis
Viele solcher kleiner Szenen fügen sich zwischen die Tanzsequenzen. Deutungsmöglichkeiten werden dem Zuschauer überlassen. Einiges bleibt unerschlossen, doch vieles verweist auf das
Tänzer überwinden an einem Seil hängend eine tiefe Schlucht, während eine Tänzerin gehindert wird, ihre Tanzschritte zu vollenden. Ein Seil reißt sie immer wieder zurück. Durchgängig Pina Bauschs Hauptthema, der Geschlechterkampf. Hier aber liebevoll, augenzwinkernd dargestellt, wobei die Frauen dominieren. Wie immer gieren die Männer nach Aufmerksamkeit. Gehen die Frauen jedoch auf sie zu, zucken sie zurück. Finden sie doch einmal zusammen, werden sie sogleich von anderen Tänzern auseinander gezogen.
Macho Mendoza
Köstlich agiert Fernando Suels Mendoza mal als Gockel, mal als Macho oder erschrockener Liebeswerber, wenn Azusa Seyama mit klassischen Tanzschritten auf ihn zu stürmt und auf den Mund
Altbekannt - doch immer wieder neu
Es sind unzählige Szenen, die sich nicht alle verankern. Zwischenstücke der dreistündigen (inklusive Pause) Tanzcollage. Einige kleine Ensembleauftritte, ansonsten Soli. Getragene, schmalzende bis
Doch perfektionieren die Tänzer diese typischen Bausch-Bewegungsabläufe ein ums andere Mal. Altbekannt und doch immer wieder neu. Eine Freude zu sehen. Jeder hat sein bemerkenswertes Solo. Und doch stechen für mich vor allem im zweiten Teil zwei Frauen besonders hervor. Clémentine Deluy und die kleine Indonesierin Ditta Miranda Jasjfi. Ihre Präsenz ist raumeinnehmend, vibrierend.
Geschlechterkampf mal ohne Aggression
Neun Frauen und sieben Männer bilden das Ensemble. Erst spät, im fortgeschrittenem Stück finden sie zusammen, sitzen hintereinander am Boden und kraulen zärtlich das Haupthaar des jeweiligen Vordermannes und natürlich …-frau. Fast ganz zum Schluß noch eine anrührende Gruppenszene. Bäuchlings an der Rampe liegen die Damen, bewegen neckisch Arme und Kopf, lächelnd dem Publikum zugewandt. Die Männer präsentieren sich analog, müssen aber versetzt hinter den Damen liegen. So kommt auch diese Botschaft an: Letztendlich bestimmen die Frauen das Geschehen im inzwischen nicht mehr aggressiven Geschlechterkampf. Im Gegensatz zu früheren Stücken ist alles leichter, heiterer geworden. Auch in dem neuen Stück, das gleichwohl von Wehmut, Ängsten, Hoffnungen durchzogen ist.
Dramaturgische Klammer
Brausender Beifall, der sich zu stehenden Ovationen ausweitet, als Pina Bausch sich nach dem dritten Vorhang ins strahlende Ensemble einfügt.
Musik von: Cecilia, Congreso, Rodrigo Covacevich, Inti Illimani, Victor Jara, Magdalena Matthey, Mecánica Popular, Violeta Parra, Chico Trujillo, Mauricio Vivencio.
Weitere Aufführungen: 16., 17., 19., 20. und 21.06.2009
Redaktion: Frank Becker |