Lost and (finally) found

Ein irisches Abenteuer

von Frank Becker

Lost - and (finally) found


I
ch will ihnen ja nicht den Spaß am Verreisen nehmen, aber manchmal vergeht er selbst dem gutmütigsten Globetrotter, z.B. wenn er im Chaos des Dubliner Flughafens am Gepäckband steht und sein Köfferchen nicht ankommt. Lassen sie mich erzählen: Flugzeuge aus aller Welt haben ihre menschliche Fracht am größten Luftbahnhof der grünen Insel ausgespieen, Heerscharen von Reisenden drängen sich um das schier endlos wirkende Band, das sich
, seinen Artgenossen zur Rechten und zur Linken gleich, wie eine gigantische Boa constrictor auf  fast 60 Metern Länge durch die Halle windet. Lebend gebärend sei die Boa, erläutert das Lexikon – und genau so scheinen die Koffer, Rucksäcke, Bündel und Taschen, dazwischen in grotesker Unschuld eine papierne Hülle mit Fotos, aus dem Bauch des Airports zu quellen.

Vier Maschinen aus Deutschland, Italien, den USA und Spanien werden zugleich an „meinem“ Band abgefertigt, entsprechend wächst das Durcheinander, nehmen babylonisches Stimmengewirr und Unruhe zu. Mit immer größer werdender Anspannung starren die Wartenden auf die Gebäröffnung des Gepäckbauches, dessen Gummilappen riesige Pakete, aufgeplatzte Gepäckstücke, einen King Size Regenschirm und immer wieder das Foto-Kuvert frei geben, am Ende wieder einsaugen. Bald kennt man sie schon, den roten Trekking-Rucksack, den braunen Pappkoffer mit nostalgischen Hotelaufklebern und den, aus dem lustig ein Wäschestück flattert. Nach 30 nervenden Minuten erster verhaltener Protest. Gelassen der Kommentar einer Dame in grüner Uniform: „Thirty minutes isn´t long“. Nach 45 Minuten darf mit Airline-Erlaubnis die Hoffnung aufgegeben werden. Es kommt nichts mehr. Die Reste werden eingesammelt (ein Phänomen: es bleiben mindestens so viele Gepäckstücke unabgeholt auf der Walstatt zurück, wie von anderen Reisenden welche vermisst werden) und man wird gebeten, sich in die Warteschlange am Beschwerdeschalter einzureihen. Im „Queueing“ stehen die Iren den Briten nichts nach. Da scharren mittlerweile schon 50 Gepäcklose mit den Füßen, man sieht wütende Gesichter, manche sind leer und erschöpft, einige lachen fatalistisch.

Der Bus zum Shannon River, wo schmucke Boote für meine Reisegesellschaft bereit liegen, wartet. Kann ich denn ohne Gepäck...? Keine Sorge, morgen werde der Koffer nachgeliefert, spätestens übermorgen, tröstet beruhigend der Veranstalter. Na gut, einmal nicht rasieren, eine Garnitur Wäsche beschaffen, kein Problem. Denke ich am Montag. Als dann am Mittwochabend der im Suchauftrag mit Namensschild und Gepäcknummer genau beschriebene blaue Koffer ankommt – ist es der rote Trekking-Rucksack, den wir (siehe oben) schon kennen! Also noch einen Tag mit Theos geliehenen Unterhosen überbrücken, Socken im Supermarkt kaufen... Und rasieren? Vergiß es! Dann endlich: Donnerstag, zeitig zur Morgentoilette – das Gepäck! Frische Wäsche, die eigene Zahncreme mit der geliebten ausgefransten Zahnbürste, der Rasierapparat und endlich ein frisches Oberhemd! Man braucht wirklich nicht viel, um zufrieden zu sein – nur den eigenen Koffer, wenn man auf Urlaub ist. Einen Vorteil (zugegeben, ein schwacher Trost) hatte die Sache: zu Hause konnte ich die Wäsche unbenutzt und sauber gefaltet wieder in den Schrank legen.