Du bist nicht wie die andren Weiber alle

von Franz von Dingelstedt

Foto © Frank Becker

Du bist nicht wie die andren Weiber alle:

Du forschest nicht auf meinem Seelengrunde
Nach längst versunknem Lieben oder Leben;
Du putzest minder Dich zu einem Balle
Als für den Freund zu stiller Schäferstunde
Und hast Dich, ohne Schwur und Widerstreben,
Mir ganz dahingegeben.
Jüngst küßte ich den Saum an Deinem Kleide,
Da wardst Du böse und botest süß-beklommen
Den Mund mir dar; auch abends, wenn ich scheide,
Fragst Du mich nie: wann wirst du wiederkommen?
O Mädchen, Mädchen, lehre mich vergessen,
Daß ich schon andere vor Dir besessen!
 
 
Franz von Dingelstedt