Plauderstunde

Über Nobelpreise und solche, die sie nie bekommen werden

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Nobelpreise
und solche, die sie nie bekommen werden



Toor! Tooor! Tooooor! mochte man am liebsten rufen, Deutschland ist Weltmeister, das ist der Wahnsinn, das ist das Größte. Das ist mehr als Fritz Walter, Helmut Rahn und Uwe Seeler zusammen, das ist - fast - mehr als die Schlagzeile „Wir sind Papst“, das ist der Wahnsinn: Wir hatten im vergangenen Oktober 2 (in Worten: zwei) Nobelpreisträger! Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde meiner Plauderstunde in den Musenblättern, das war natürlich DAS kulturelle Ereignis schlechthin, wie ja überhaupt dieser Monat eher durch Ereignisse im Umfeld als auf dem kärglich begangenen Acker der Kultur selbst beeindruckte. 2 Nobelpreisträger! – und das nach den PISA-Studien, nach gefühlten 50 Jahren Stefan Raab und dem Kniefall vor Oliver Pocher, der zeigt, daß es immer noch einen überraschenden Weg nach unten gibt (so nach dem Motto: Und wenn Du denkst, übler gehts nicht mehr, kommt irgendwo ein Pocher her).Wenn der ein Maskottchen braucht, schick ich ihm einen plattgefahrenen Hamster - vom Autobahnkreuz Hannover abgekratzt, mein Gott, was wollen wir uns denn noch alles gefallen lassen - haut der GEZ die Gebühren um die Ohren, möchte man da als Alt-Revoluzzer rufen, zumal, wenn man weiß, daß bestimmte Herrschaften nur darauf warten, daß ihnen endlich mal einer den Mund verbietet.

2 Nobelpreisträger – und schon klopfen wir uns auf die Schultern, siehste! Sooo schlecht können unsere Universitäten gar nicht sein, wenn da zwei solche Typen herauskommen, die obendrein optisch auch ein bißchen das Bild abgeben: wenn DIE das geschafft haben, dann pack ich das auch – sagen jedenfalls unsere jungen Stefan Raab Fans und wenn man sie fragt, wie man das denn wohl wird: Nobelpreisträger, sagen die glatt: erstmal Jugend forscht, dann gehen die zum Casting nach Stockholm, da sitzt dann eine Jury mit dem Ranga Yogeshwar und dem Wissenschaftsteam vom KiKa nebst Aiman Abdallah vom Galileo und die sagen dann, ey, das mit der Festplatte is ja super, das ist ja seit der Erfindung des Sitzkissens überhaupt das Größte und schwupp! krisse den Nobelpreis, oder?! Naja, oder so ähnlich.

Wir von der Musenblätter-Plauderstunde halten dem ganzen Wir-Dunst und „Wir-sind-wieder-wer“–Gejohle entgegen: nee, meine Herrschaften, wir glauben immer noch nicht an Casting und DSDN - Deutschland sucht den Nobelpreisträger - wir glauben noch an das Talent, den Fleiß und den Einzelnen. Es ist zwar schön, daß die beiden Deutsche sind, aber den Nobelpreis, den haben nicht wir, den haben die schon allein bekommen, da gab es keinen „Aber-die-sind-ja-von-hier“ – Bonus. Die ganze Begeisterung wäre ja schön, wenn man spürte, daß sie den beiden gilt, wenn man aber spürt, daß sie uns selbst meint, bekriecht einen ein Gefühl, das schon ein bißchen komisch ist: so wenig also trauen wir deutschen Wissenschaftlern zu, einen Nobelpreis zu erringen, daß wir – wenn es dann passiert – vollkommen ausflippen.

Flippen Sie bitte nicht aus, liebe Musenblätter-Freunde, dafür wird es heute viel zu heiß!
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009

Redaktion: Frank Becker