Äthiopien:
Landschaft • Gesichter • Kultur Eine Reise zu seinen christlichen Zentren Lalibela - Aksum - Gondar Liebe Leser, aus aktuellem Anlaß wiederholen wir in den nächsten Tagen sämtliche Folgen der aufschlußreichen Reisereportage von Johannes Vesper über Äthiopien, die er vor knapp drei Jahren unternommen hat. Wir weisen darauf hin, daß die jetzt durch die schrecklichen Nachrichten über getötete und entführte Touristen in die Diskussion gekommene Region Äthiopiens nach Erkenntnissen unseres Autors in der Tat unsicher ist und schon damals für Reisen nicht in Frage kam, die hier geschilderte Reise, wenn auch strapaziös, jedoch in einem für den Tourismus zugänglichen und ungefährlichen Bereich des interessanten afrikanischen Landes stattfand. Das Land in Kürze: Staatsform: Föderative Republik (seit 1994). Staatspräsident: Lt. Girma Wolde-Giorgis (seit 2001). Ministerpräsident: Meles Zenawi (seit 1995). Die Opposition kann nicht frei agieren.
Keine freie Presse. Im Flughafen von Addis gibt es keine internationalen Zeitungen zu kaufen. In den Hotels laufen BBC- und CNN-Programme.
Gesamtfläche 1.097.00 qkm (zum Vergleich: Deutschland ca. 357.000 qkm)
Bevölkerung: Orome 35%, Amharen 33%, Tigray 7% (insgesamt 90 Ethnien).
Falasha ist eine Bevölkerungsgruppe jüdischen Glaubens, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach Israel umgesiedelt wurde. Nur wenige äthiopische Juden sind bisher wieder nach Äthiopien zurück gekommen.
Einige Sozialdaten:
Alle Entwicklungsländer Afrika südl. Sahara Äthiopien
Bruttosozialprodukt:
(US $) 4775 1946 756
der Erwachsenen (%):
(% der Bevölkerung): 17 30 46
Gang zu sauberem Wasser: 56 ? 22
(Deutschland 337): 11730 ?? 33500
1000 Geburten: 57 103 110
(Deutschland 4.03)
Schulpflicht soll bis 2015 für jedes Kind durchgesetzt werden. Sie besteht für die 8-jährige Grundschule. 5,2 % aller Kinder besuchen die Grundschule, nur 12% die weiterführende Schule.
AIDS in % der erwachsenen
Bevölkerung: 1-1.4 5.4-6.9 0.9-3.5
Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt weiter als 35 km von der nächsten befahrbaren Straße entfernt
Mit dem Human Development Index (HDI: Index der menschlichen Entwicklung) wird versucht, den
Teff: Grundnahrungsmittel in Äthiopien. Die getreideartige Hirseart (Zwerghirse) dient in Äthiopien zur Herstellung des Nationalgerichts Injera (siehe Text unten). Es enthält kein Gluten und wird deswegen in Europa auch zur Herstellung von glutenfreien Backwaren für Patienten mit Sprue benutzt.
Freitag, den 6.3.2009:
Nach einem Start durch Regen und Wolkensuppe in den dunklen Nachthimmel (Start 22.50 Uhr) war der Flug Frankfurt-Addis (5360 km) ruhig. Orion grüßte. Der Vollmond schien. Mit dem Sitznachbarn wurde in nächtlichem Gespräch die Weltlage grundlegend analysiert. Nach dem Frühstück stieg die Sonne Afrikas langsam am Horizont hoch. Weiße Wolken unter uns. Schlafen konnte man in den engen Sitzen eigentlich nicht.
Samstag, den 07.03.09:
Nach problemloser Landung und Paßkontrolle fährt die Gruppe mit dem bereitstehenden Bus in das
Die Stadt Addis Abeba, entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts, stellt sich heute als eine Ansammlung offizieller Gebäude und Paläste, von Hotels, Bauruinen, staubiger Straßenbaustellen und vor allem von Wellblechhütten dar, in denen man wohnt. Je nach Zählung wird die Bevölkerungszahl mit 3.5-5 Mio. angegeben.
Im Nationalmuseum sehen wir die berühmte Lucie, bzw. ihre Reste. Sie war sozusagen die erste bekannte Äthiopierin (Australepithecus) und lebte hier vor ca. 3 Mio. Jahren.
Um 14:00 Treffen mit Philipp C., dem ich aus Deutschland Grafschafter Goldsaft mitgebracht habe und der mit seiner Familie in Addis lebt. Wir essen beim deutschen Bäcker um die Ecke einen Berliner Ballen und unterhalten uns über das Land. Konfliktbewältigung zwischen unterschiedlichen äthiopischen Völkern ist ein Thema für die äthiopische Regierung. Auch Wirtschaftsförderung von
Anschließend kleine Stadtrundfahrt u.a. zum Goethe-Institut mit der benachbarten, kleinen Galerie für moderne Kunst. Auf der Wiese hinter dem Schlachthof von Addis tummeln sich zahllose Vögel. Die Autofenster werden hier wegen des Gestanks geschlossen.
Sonntag, den 08.03.09
Wecken 5:30 Uhr. 7 Uhr Abfahrt der Gruppe mit 6 Toyota-Landcruisern nach Kembolcha (ca. 380 km). Bis zum Tarmaber-Pass holpern die Autos über eine Baustellenstraße mit viel Staub und ständigen Bodenwellen. In den Außenbezirken von Addis werden die Wellblechhütten langsam seltener. Einzelne Wohnblocks sollen wohl die Wohnungssituation verbessern. Nach ca. 25 km endet die städtische Bebauung, Immer wieder sieht man jetzt reetgedeckte Rundhütten (Tukuls) neben der Straße. Auf Dreschplätzen werden 3-4 Pferde im Kreis getrieben. So wird Stroh gedroschen wie seit Jahrtausenden. Durch Hochwerfen des gedroschenen Strohs wird die Spreu vom Weizen getrennt. An einer Heilquelle neben der Straße holen sich die Menschen nach Predigt und Lied gesegnetes Heilwasser, was bei den Lebensumständen im Lande auch dringend benötigt wird.
Auf der ca. 180 km langen Straßenbaustelle gibt es keine einzige Verkehrsampel. Der oft einspurige Verkehr wird von Anwohnern geregelt, die bei Annäherung eines Autos von den Feldern gelaufen kommen und ein rotes oder grünes Schild schwenken. Am Tarnaber-Pass (3230 m) öffnet sich ein grandioser Blick in den ostafrikanischen Graben (Great Rift Valley), der sich über 6000 km vom Roten Meer bis nach Mosambik erstreckt.
Auf besserer, jetzt durchgehend asphaltierter Straße geht es zum Sonntagsmarkt nach Ataya. Das Gewusel dort ist deutlich übersichtlicher als auf dem Mercato. Es bietet sich ein buntes Bild mit Kamelen, Ziegen und schön gekleideten Menschen (Sonntag!), mit Plastik- und/oder Tuchbedeckten, und so schattenspendenden Holzständen aber auch mit einem Krankentransport, bei dem der Kranke, in Decken gehüllt, auf einer Liege unter schnellen Schritten seiner Träger zum dürftigen Medizinischen Versorgungszentrum getragen wird. Der „Jamaica Barber“ erinnert an die Rasta-Bewegung, die vor 100 Jahren auf Jamaika entstand. Die schwarzen Amerikaner Jamaikas wollten nach Afrika zurück. Als Ras Tafari Makonnen (hierher stammt die Bezeichnung der Rastafari) 1930 zum Kaiser Haile Selassie von Äthiopien gekrönt wurde, erhofften sich die Schwarzen in Jamaika von ihm ihre Befreiung und Rückführung nach Afrika. Darüber wurde auch mit Deutschland und dem Völkerbund verhandelt. Erfolg war der Bewegung nicht beschieden. Sie versank in Pleite und Rauschgiftkonsum.
Wenn wir mit den Autos stehen bleiben, sind wir sofort umringt von freundlichen Menschen, auch wenn sie immer wieder ein Gewehr tragen. Unsere äthiopischen Fahrer zeigen darob jedenfalls keinerlei Ängstlichkeit. Für die zahlreichen Kinder sind die leeren Wasserflaschen aus Plastik begehrte Sammel-Objekte. Bei vielen dieser Kinder sieht man einen bei der Rasur ausgesparten, merkwürdigen Haarschopf, dessen Zweck darin besteht, daß der Schutzengel besser zufassen kann.
Später zwingt uns eine auf der Straße tanzende Gruppe Jugendlicher mit Stöcken in den Händen zum Halt. Die Sperre wird langsam mit verschlossenen Autotüren passiert. Nach Auskunft der Fahrer hat es sich anscheinend nur um ein Hochzeitsfest gehandelt.
Gehen Sie mit unserem Autor schon morgen weiter auf seine Reise durch Äthiopien Redaktion: Frank Becker |