Kein Fehler in Addition und Kalkül

Carl Sternheims Komödie "Der Snob" in einer brillanten Wuppertaler Inszenierung

von Frank Becker

Wuppertaler Bühnen

Kein Fehler in Addition und Kalkül

Wuppertals Intendant Gerd Leo Kuck inszeniert Carl Sternheims bissige Gesellschaftskomödie pointiert und mit leichter Hand genau so, wie sie sein muß: eine amüsante Ohrfeige gegen die, die es angeht.


Inszenierung: Gerd Leo Kuck - Ausstattung: Philipp Kiefer - Dramaturgie: Wilfried Harlandt - Licht: Fredy Deisenroth
Theobald Maske: Hans Richter - Luise Maske: Bettina Muckenhaupt - Christian Maske: Thomas Braus - Graf Aloysius Palen: Andreas Ramstein - Marianne Palen: Olga Nasfeter - Sybil Hull: Julia Wolff - Eine Jungfer: Felicia Spielberger


Mathematische Bühne


Auf der wunderbar mathematisch gestaffelten schwarz-weißen Bühne, einer wie ein möglicher Lebenslauf an- oder absteigenden schrägen Ebene mit wenig ausgesuchtem Mobiliar und einer abstrakten Skulptur sitzt Christian Maske und macht die Lebensrechnung auf. Jetzt, auf dem Sprung zum Generaldirektor-Posten rechnet er ab, zahlt die aus, die ihn dorthin gebracht haben, jetzt aber im Wege sind, beinahe ein Clavigo des Industriezeitalters. Thomas Braus glänzt als dieser antinomisch liebenswürdig kalte Erfolgsmensch, der nicht über Leichen geht, sondern die Risse in seiner

Schöne neue Welt - Thomas Braus - Hans Richter
gesellschaftlichen Fassade mit (genau kalkulierten) Zahlungen kittet. Das Abweichende in Christian Maskes schwarz-weißer Welt zeigt sich farblich durch die roten Dessous der Geliebten, später ihr leuchtend rotes Kleid, das mit dem Gold der Skulptur im Raum und dem schwarzen Hintergrund für Momente ein fast schon Richlingsches Bühnenbild ergibt. Das Abweichende wird ausgezahlt, die nicht standesgemäßen Eltern in ein wohl versorgtes Alters-Exil abgeschoben.

Kabinettstücke

Hans Richter gibt den Vater Theobald Maske als prima Kleinbürger, schlitzohrig und komödiantisch hochrangig. Einen so saftigen Bühnenprofi findet man selten, und er wird die mit tiefer Verbeugung ausgesprochene Bezeichnung "Rampensau" als Ehrentitel verstehen. Seine Auftritte "Setz deinen Hut grade, Luise!" sind ebenso Kabinettstücke wie die geistreichen Dialoge zwischen Maske jun. und dem verarmten Grafen Palen (gekonnt dekadent: Andreas Ramstein), nach dessen draller Tochter Marianne Christian schielt, um sich mit einer Ehe den Zutritt zu aristokratischen Kreisen zu verschaffen. Carl Sternheims delikate Sprache wird in dieser Inszenierung, die in der
straffen und zügigen Dramaturgie von Wilfried Harlandt durchweg auf hohem Niveau unterhält, brillant umgesetzt. Da wir von Kabinettstücken sprechen: Christian Maskes Briefentwurf - ohnehin ein kleines Kunstwerk Sternheims - gerät durch Thomas Braus zu einem Exempel mimischer wie sprachlicher Haute Cuisine. Fredy Deisenroth, der so manche Wuppertaler Inszenierung durch seine Ausleuchtung ins rechte Licht gerückt hat, leistet auch im "Snob" Vorbildliches. Besonders das gebrochene Licht zwischen den Bildern läßt erfreut durchatmen. Das sind die Momente der Kontemplation, die man braucht.

Maske Forever!


Maske forever! - Thomas Braus - Hans Richter
Daß die Inszenierung den Männern gehört (Mutter Maske ist etwas zu trampelig angelegt, das fügt sich nicht in das Bild, das man von ihr aus "Die Hose" hat und Julia Wolffs Sybil hinterläßt gewollt ebenfalls kaum Spuren), ist nicht zu übersehen. Ramsteins Gotha-taugliche Dekadenz (man sollte ihm etwas elegantere Handschuhe genehmigen) überzeugt, Braus überspielt kleine Textunsicherheiten mit Verve, er fesselt, und Richter ist von einer so starken Präsenz, daß ihm die weite Bühne gehört, sobald er nur auftritt. Herrlich die Wiedervereinigung von Vater und Sohn in einem Moment der Ehrlichkeit: "Maske forever!". Olga Nasfeter allerdings sichert sich am Ende ein gutes Stück vom Kuchen, als sie sich mit dem Moët in der Hand und dem Negligé am Leib ihren in köstlicher Selbstzufriedenheit badenden Gatten zur Brust nimmt: "Mein lieber Herr und Mann!". Da muß selbst der kühle Rechner die Waffen strecken und die ironische Nähe zu dem witzigen Veltins-Werbefilm mit Simone Thomalla und Rudi Assauer "Schatz, ich hab was für Dich..." ist nicht zu übersehen.

Schatz...  -  Olga Nasfeter - Thomas Braus


Wer die empfehlenswerte Aufführung noch in diesem Monat sehen möchte, muß nach Ludwigshafen fahren, denn "Der Snob", eine Koproduktion mit dem Theater im Pfalzbau Ludwigshafen, wird nach der Premiere im Remscheider Teo Otto Theater bis Spielzeitende ab 19.4. dort gezeigt. In den Wuppertaler Spielplan wird "Der Snob" in der nächsten Spielzeit aufgenommen: Premiere am 3. November 2007.

Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de