Äthiopien (3)

Tagebuch einer Reise durch ein Land voller Geschichte und Gegensätze: Von Lalibela durch die Bergwelt von Lasta nach Mekelem in Tigre

von Johannes Vesper

Felskirche in Lalibela - Foto © Johannes Vesper
Von Lalibela
durch die Bergwelt von Lasta
nach Mekelem in Tigre




Mittwoch 11.03.09
Lalibela ist ein kleiner Ort und wurde während der Zagwe-Dynastie  (vom 10. Jahrhundert bis 1268) Hauptstadt Äthiopiens. Die Stadt ist berühmt für ihre Felskirchen. Der Felskirchenbau hat in Äthiopien eine große Tradition. Allein in der Provinz Tigre gibt es schätzungsweise 150. Über Lalibelas Felskirchen weiß man wenig. Es ist unbekannt, wer diese Kirchen wann und warum aus dem Fels schlagen ließ. Wahrscheinlich sind die Kirchen  im 13. Jahrhundert und später entstanden. Hypothetisch könnte der Bau dieser Kirchen mit dem Fall des christlichen Jerusalem 1187 zusammenhängen und Lalibela mit seinen Kirchen nach der Übernahme Jerusalems durch die Muslime als ein 2. Jerusalem, als eine Kopie Jerusalems, geplant worden sein, um den Bedarf an Wallfahrt aus Europa nach Jerusalem auch nach seinem Fall zu befriedigen. Auffällig sind jedenfalls die an Jerusalem erinnernden Bezeichnungen Golgatha, Debre Sina („Berg Sinai), Bethlehm, Tabor, Jordan usw.. Diese Kirchen, oft mit basilikalem Grundriss und Kuppel, wurden aus dem weichen Tuffstein herausgehauen und somit sozusagen in die Erde versenkt.  Manche Gebäude waren ursprünglich vielleicht als Paläste oder Wohngebäude geplant und wurden später zu Kirchen umgewidmet. 

Bei einigen Gebäuden lassen außen stehende Pfeilerreihen an griechische Tempel denken. Wir

St. Georgs Kirche - Foto © Johannes Vesper
brauchten einen ganzen Tag, um zu Fuß diese unterirdische Kirchenwelt zu durchwandern, mit ständigem An-/Ausziehen der Schuhe, da die Kirchen nur ohne Schuhe betreten werden dürfen. Priester in prächtiger Robe wachen über die heiligen Stätten, halten die schönen Lalibela-Kreuze hoch und lassen sich gegen eine Spende auch gerne fotografieren, gelegentlich mit Sonnenbrille, damit sie nicht vom Blitzlicht geblendet werden. In dieser Aufmachung erscheinen die heiligen Männer dann aber eher weltlich.
Als vermutlich letzte der Kirchen von Lalibela entstand die kreuzförmige St. Georgs Kirche. Sie ist gut erhalten und vielleicht die schönste dort. Etwas außerhalb des Dorfes steht sie in einem zwölf Meter tiefen Schacht und ist nur über einen teilweise unterirdisch verlaufenden Gang zu erreichen.  
Auf dem Dach der Kirche sieht man drei ineinander geschachtelte Kreuze, die den Grundriß der Kirche aufnehmen.
 

Foto © Johannes Vesper
Noch ein Wort zu den äthiopischen Kreuzen: Frauen und Männer tragen in Äthiopien  Halskreuze, um das Böse von sich fern zu halten. Frauen tragen aus demselben Grund oft ein tätowiertes Kreuz  auf der Stirn. Der Priester trägt ein Handkreuz bei sich während des Gottesdienstes oder ein Vortragekreuz bei Prozessionen. Auf den Kirchen finden sich Dachkreuze. Die Kreuze zeigen unterschiedliche Formen: das griechische Kreuz mit gleich langen Armen, das lateinische mit kürzerem Querbalken, das Lalibela-Kreuz oval mit Schlangen oder auch Fischen, in Gondar  mit Quadrat und Kreuzblume und andere mehr. Kreuze finden sich  schon auf aksumitischen Münzen aus dem 4. Jahrhundert und sie sind noch heute in Äthiopien lebendiger Ausdruck christlichen Glaubens und christlicher Symbolik.   
 
Beim Weg durch das Dorf sehen wir uralte Szenen, wie es sie im europäischen Leben nicht mehr gibt: Eine Frau mahlt Korn zu Mehl durch Rollen eines Steines in der Mulde eines größeren. Der Weber sitzt in einer Erdmulde, beschattet mit einem aufgespannten Tuch und schiebt sein Schiffchen durch die Kettfäden. Frauen tragen Wasser in tönernen Amphoren, die mit Seilen auf dem Rücken befestigt  werden. 

Foto © Johannes Vesper


Foto © Johannes Vesper
 












Donnerstag, den  12.03.09
Wecken 6:00 Uhr. Abfahrt 7:00 Uhr. Bei strahlender Sonne geht es durch die Bergwelt der Region Lasta auf der Schotterpiste nach Korem. In der kargen Berglandschaft sieht man überall Tukuls und Terrassenanlagen. Die Regenfälle entsprechen hier durchschnittlich denen Deutschlands. Aber wegen der Beschaffenheit des Bodens, in dem das Regenwasser sofort versickert und der zeitlichen Unregelmäßigkeit des Regens ist die Vegetationsperiode oft so kurz, daß die Bevölkerung sich trotzdem nicht selbst versorgen kann.       
Zum Mittagessen in Korem  gibt es Injera und Wot. Injera ist ein aus Teff bereiteter Fladen, dünner als

Injera und Wot - Foto © Johannes Vesper
Pfannkuchen. Die Samen der Hirse werden gemahlenund in Wasser einige Tage fermentiert. Dadurch entsteht ein dünnflüssiger Sauerteig, der auf einer runden heißen Platte ausgegossen und gebacken wird. Im Ergebnis entspricht Injera einem sauren, schwammartigen Fladen, der in großen geflochtenen Körben einige Tage aufbewahrt werden kann. Dazu werden Saucen aus Linsen oder Bohnen mit und ohne Fleisch, pikant und schmackhaft mit Berberee (rotes scharfes Paprikapulver) gewürzt, gegessen. Anschließend folgt die Kaffeezeremonie, die stets von der schönsten Frau oder Tochter des Hauses zelebriert wird.
Dazu röstet die hübsche Gastgeberin Kaffeebohnen in der Pfanne und wedelt den Röstrauch dem Gast zu. Der Kaffee wird in einer Tonkanne aufgegossen und in einer kleinen Mokkatasse angeboten.
Wir brechen auf. Der Ashenge- See nördlich von Korem zwischen hohen Bergen und mit reichen kaktusartigen Kandelaber-Euphorbien an der Straße erinnert

Kaffeezeremonie in Lalibela Foto © Johannes Vesper
kurzzeitig an Italien.
 
Über einen hohen Paß geht es entlang der Kante des ostafrikanischen Grabens weiter nach Norden. Gänsegroße Vögel mit interessantem Hornschnabel stehen neben der Straße. Kurz vor  Mekele, der Hauptstadt Tigres, bekommt einer unseres Land-Cruisers einen  platten Reifen. Schnell wird unter Anteilnahme des ganzen Dorfes der Reifen gewechselt.  Mekele liegt 2130 m hoch, wuchs im 19. Jahrhundert zur Stadt und war Residenz von Kaiser Yohannes IV.(1872-1889).  Altertümer gibt es hier nicht. Der 1884 fertig gestellte Palast des Kaisers  beherbergt heute das Regionalmuseum der Provinz. Es wird viel neu gebaut und die Gerüste sind wie überall im Land vollständig aus Eukalyptus-Baumstämmen.


Gehen Sie mit unserem Autor morgen weiter auf seine Reise durch Äthiopien
Redaktion: Frank Becker