Die Sprache als Hure und Jungfrau

"Erlaubt ist, was mißfällt" - Karl Kraus zum Vergnügen

von Robert Sernatini
Ein kritischer Gockel

Karl Kraus war ein Ärgernis. Karl Kraus war ein manischer Geist, ein Vielschreiber, einer, der mit nichts außer sich selbst zufrieden war. "Wo gehobelt wird, fallen Späne", sagt Günter Baumann in seinem Vorwort. Karl Kraus hat Späne in einer Zahl produziert, die bis auf den Tag das Dunkel vieler  Köpfe erhellen könnte, kennte man ihn denn noch. Ein neues Bändchen aus Reclams Universal Bibliothek möchte den scharfsinnigen Denker und unermüdlichen Schreiber dem Vergessen entreißen. Es wird bei jedem gelingen, der das schmale Heft zur Hand nimmt.

Karl Kraus (1874-1936), unvollendeter Jurist, Germanist und Philosoph, Ex-Jude und Ex-Katholik, Böhme, Journalist und Hasser der "Journaille", Literat und Herausgeber der wohl einzigartigen Zeitschrift "Die Fackel" ist eine ebenso einzigartige Erscheinung auf dem weiten Feld der deutschsprachigen Publizistik. Kritisch dem Staat, der Sprache und besonders dem vaterländischen Krieg gegenüber polemisiert er wie kaum ein zweiter gegen alles und jeden. Seine 1899 gegründete literarische Zeitschrift "Die Fackel", die seinen Nachruhm begründet, sah anfangs noch Mitarbeiter wie Else Lasker-Schüler, Detlev von Liliencron,
Peter Altenberg, Egon Friedell, Wilhelm Liebknecht, August Strindberg, Frank Wedekind oder Oscar Wilde. Ab 1911 schrieb Kraus das Blatt 25 Jahre lang allein und füllte Tausende von Seiten mit seinen Gedanken, seinen Ansichten - ein in der Geschichte der Publizistik wohl einmaliger Vorgang.

Günter Baumann hat das nahezu unüberschaubare Werk Kraus´ exzerpiert und ein Bändchen zusammengestellt, das man z.B. auf Bahnfahrten zum Arbeitsplatz oder für die Pausen im Theater bei sich haben sollte. Es trägt die Jackett-Taschen nicht auf und findet auch in der zierlichen Handtasche Platz. Räumen sie diesem Reclam-Heftchen den geringen Platz ein, den es bescheidener als sein Autor fordert. Sie werden es sich nach der Lektüre von Auszügen aus Kraus´ dramatischem Werk, seiner Prosa sowie Aphorismen und Bonmots wie "Den Weg zurück ins Kinderland möchte ich, nach reiflicher Überlegung, doch lieber mit Jean Paul, als mit S. Freud machen", selber danken.



 
Beispielbild


"Erlaubt ist, was mißfällt"
Karl Kraus zum Vergnügen

© 2007 Philipp Reclam jun., Stuttgart
RUB 18467

Hrsg. Günter Baumann

Broschiert, 159 Seiten, oktav
4,- €

Weitere Informationen unter:
www.reclam.de