Liebeserklärung an eine Weltstadt mit Herz

Regine Zweifel - "Paris in kleinen Dosen"

von Peter Bilsing
Paris in (köstlichen) kleinen Dosen –
Ein Buch von Regine Zweifel
 
Ein großes Buch der vielen kleinen unbekannten Sensationen einer Weltstadt
 

Verehrte Leser! Ich liebe Paris, obwohl ich schon Jahrzehnte nicht mehr dort war. Wien, Paris, London, Berlin oder Athen - das sind einfach echte und bewundernswerte Weltstädte mit Herz, U-Bahn, großer Kultur, Tradition und noch größerer Geschichte; besonders pour moi, einen Provinzler, der aus einem Dorfe stammt: Düsseldorf - Nomen est Omen. Wie sagte einst der selige Willi Millowitsch: „Wenn wir einen Durchhänger haben, brauche ich nur das Wort `Düsseldorf´ zu sagen und alle lachen.“ Während wir Düsseldorfer uns über die urinproben-ähnlichen Trinkgefäße für das Kölner Dünnbier namens „Kölsch“ lustig machen. Doch nun heraus aus der Provinz: Urbi et Orbi: Vive l`Europe, vive la France, vive Paris! Es lebe das unvergleichliche „savoir vivre“ dieser kosmopolitischen Weltstadt, deren Flair sich allein durch die Lektüre des bemerkenswerten Buches „Paris in kleinen Dosen“ von Regine Zweifel fast realistisch wieder vor mir ausbreitet. Oh la la.
 
Umso mehr schwelgt der Rezensent in schönen, nostalgischen Erinnerungen, je mehr er liest; verklärte, kitschige Vergangenheit: „Ganz Paris träumt von der Liebe“ hatte – war es vor einem Jahrtausend? - Caterina Valente einst gesungen. Komisch, daß ich diesen alten Schlager plötzlich im Kopf habe. Da sprudeln die Erinnerungen: Quartier Latin, Bastille, Pont Neuf, Montmartre, Louvre oder Palais Royal; Sightseeing per Bateaux mouches und Akkordeonklängen auf der abendlichen Seine. Selbst wer sie nur einmal im Leben gesehen hat, wird diese Stadt niemals vergessen.
 
Ein Reiseführer, der Spaß macht

Regine Zweifel stellt nicht nur einen brandaktuellen Reiseführer vor, den zu lesen einfach Spaß macht, nein, da ist dieses gewisse Etwas einer fachkundigen Autorin, das sich mitreißend vermittelt. Bild und Texte ergänzen sich prächtig. Die Bilder sind geschmackvoll ausgesucht und bilden genußvolle Ruhepunkte fürs Auge im Strom der vielen hochinformativen Informationen. Sie ergänzen ganz prächtig den schon filmischen Erzählstil der Zweifel.
 
„Paris in kleinen Dosen“ ist der schönste Paris-Reiseführer, den ich seit langem in den Händen hielt und sofort verschlungen habe; doch ist es nur ein Reiseführer? Nein, es ist mehr. Es ist eine augenzwinkernde Liebeserklärung an eine Stadt mit enorm viel Herzblut, einer wunderbaren Prise Humor – besonders bei den vorzüglich zusammengefaßten historischen Apercus, in denen sich die Autorin ihre Meinung, auch im Sinne eines kritischen Geschichtsbildes, selten verkneift – und ganz viel Leidenschaft geschrieben. Vor allem sind es die unbekannten Ecken, die Nebenlinien in den großen Perspektiven, vielfach jene kleinen Dinge, die der Erst-Parisbesucher nimmer wahrnimmt. Ich würde es wagen zu behaupten, daß selbst für den regelmäßigen Visiteur, der schon alles zu kennen glaubt, hier noch unbekannte Nischen aufgedeckt werden.
 
Das Büchlein ist ein Kleinod in hochqualitativem Druck auf feinem Papier und natürlich majestätisch gebunden, also kein „ordinäres“ Paperback, welches einer Traum-Stadt wie Paris doch wirklich unwürdig gewesen wäre. Dennoch ist es handlich genug für die erweiterte Herrenwesten- bzw. Damenhand-Tasche.
Auch hat es den schönen Vorteil, daß man es nicht in einem Stück lesen muß. Nach einer tagesaktuellen Einführung über notwendige Allgemeinplätze folgen nützliche Hinweise für Reisende. Themen: Anreise, Taxis, Metro & Busse, Stadtplan, Cafés, Restaurants und Eifelturm - auf knappen 12 Seiten alles Notwendige. Dann folgen 300 Seiten, auf denen wir in die ausgesuchten Schönheiten und unbekannten Ecken förmlich eintauchen.
 
Leichtfüßige Halbtags-Spaziergänge

Übersichtlich, fast genial einfach, ist das Werk in Halbtags-Spaziergänge eingeteilt, der Verweiler und Genießer sollte jedem der 17 Kapitel aber durchaus einen sicherlich lohnenswerten ganzen Tag opfern können. Jeweiliger Startplatz und Abschnitts-Titel entspricht dem der Metro-Station gleichen Namens. Der herrlich lockeren, humorvollen und kenntnisreichen Beschreibung Regine Zweifels kann man leichtfüßig auch ohne Kompaß und Navi (!) folgen. Schön, daß man in fast jedem Kapitel Unterabschnitte zum Thema „Was Essen“ mit genauer Beschreibung der oft süßlichen Kulinarik findet. Liebe geht ja bekanntlich auch in Paris durch den Magen.

Den Begriff „leichtfüßig“ verwende ich hier bewußt im Sinne bildhafter Zielorientierung und klarer, eindeutiger Ansprache. Wenn Sie wissen wollen, worauf ich hier ironisch anspiele, und was ich meine, dann lassen sie sich vor dem nächsten Rendezvous mal von ihrer Freundin den Weg zu ihrem Lieblingsitaliener beschreiben oder fragen in irgendeiner Stadt nach dem Bürgermeisteramt bzw. der Stadtverwaltung.
 
Geschichte wird oft als langweilig empfunden - ist sie in viele Seiten Papier gebunden. Das ist nicht von Busch, sondern kam mir so spontan in den Sinn, wenn ich an meine Schüler denke. Nicht doch! Geschichte kann man soooo schön beschreiben. Und welche ist spannender als die der Guillotine. Daß diese Fallbeilmechanik von keinem anderen als einem Arzt hätte erfunden werden können, ist uns allen klar, kennen wir doch selber genug Medici, denen wir das zutrauen würden…ähem…intellektuell meine ich natürlich!
Aber wußten Sie z. B. auch, warum genau die Guillotine erfunden wurde? Immerhin hätte man die Delinquenten ja damals auch schon erschießen oder erwürgen können – Spanien und Deutschland lassen grüßen! Antwort: Nicht nur weil Enthauptungen mit dem Schwert sich manchmal doch allzu sehr in die Länge zogen (je nach Dicke des Halses vermutlich), sondern auch aus dem solidarischen Volksgeist der Revolution, „Egalité und fraternité“. Sozusagen fing mit der Guillotine eigentlich schon lange vor Marx und Engels der Kommunismus an. Populär ausgesprochen: Vor Gott und unter dem Beil sind alle gleich! Vor Zeiten der Revolution war das Hackebeil oder Henkersschwert eigentlich nur Edlen, Adeligen und Hochstaplern vorbehalten. Der proletarische Gangster endete am Strick! Und wußten Sie, daß das ausgesprochen lukrative Henkergewerbe, wie heute nur noch die Berufsgattung des Bezirksschornsteinfegers, familiär vererbt wurde? Und das jede bessere Gemeinde über ein eigenes Kopf-ab-Gerät verfügte? Danke, Frau Zweifel für die Schließung dieser Bildungslücke, die uns bei „Wetten daß“ sicher irgendwann zum Millionär machen wird. ;-)
 
Nicht ohne Grund hat die Autorin ihr schönes Büchlein mit dem Hinweis „ein Zweitbuch“ versehen. Es soll augenscheinlich nicht den obligaten Marco Polo ersetzen. Blödsinn! Vergessen Sie Ihren Marco Polo. Das hier ist der ultimative Reiseführer für Paris! Allenthalben brauchen Sie noch ein Verzeichnis der Metrolinien, aber das gibt es immer noch umsonst an den Stationen, hoffe ich doch.
 
Und sonst...?

Vielleicht ein paar interessante Sehenswürdigkeiten neben dem Eifelturm:
Auf der Rue Royal neben dem Gebäude des Automobilclubs France (wunderbare Zielansprache, denn wer würde auf das Hotel de Crillon achten?) gibt es eine marmorne Wandtafel mit der originalen amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 - hängt dort seit anno domini 1778! Da gab es historisch gesehen Groß-Amerika noch gar nicht. Neben der Kirche Sainte-Marie Madeleine existiert das einzige Jugendstil-Denkmal dieser Welt in Form einer Männertoilette. So was gibt es noch nicht einmal in Wien! Und was wissen Sie über den riesigen See unter der alten Pariser Oper (Garnier), wo die lokale Feuerwehr regelmäßig Tauchübungen abhält? Schon einmal vom „Phantom der Oper gehört“ – Äugsgenknipps, knipps! Was hat es mit der Stimme Carusos in diesen geheimen Gewölben auf sich? (Lesen Sie ab S. 52) Nebenbei: Ich habe die umfassende Lebens-Geschichte Kardinal Richelieus (jenem aus den Musketieren Dumas!) noch nie so kurzweilig und kurzzeilig genossen.
 
Weiteres pars pro toto: Was ist das Versaille-Syndrom? Warum eigentlich heißt das erste Arrondissement „Louvre“? Warum heißt der bei uns in klarem deutsch so betitelte „Showroom“ der Autoverkäufer in Paris ebenso „salon“, wie die Ausstellungshallen von Geflügelzüchtern oder Edelkatzen-Präsentatoren? Was hat es mit den Wappentieren Bienen und Lilien eigentlich genau auf sich? Was bedeuten die unzähligen Hieroglyphen an den antiken Prachtbauten? Wo steht der Sessel, in dem Molière ironischerweise nach einer Vorstellung vom „eingebildeten Kranken“ tatsächlich verstarb? Einschub: Nix Pigalle – das „Palais Royale“ war der größte Puff seiner Zeit! Und wo steht die kleinste Kanone der Welt? Wo sind eigentlich zwischenzeitlich die 135 Plaketten des alten Nullmeridians hingekommen, die der Künstler Jan Dibbets 1995, wie die Sterne der Stars auf Hollywoods Walk of Fame, in die Steinplatten der Pariser Gehsteige eingelassen hatte? Wo war die Straße mit dem schmutzigsten aller Namen „Poil-au-Cul“ (das übersetze ich jetzt mal nicht)? Manch einer der Leser wird sich auch dafür interessieren, wo das älteste Haus von Paris steht – nicht nur, weil es - witzigerweise - heuer einen Swinger-Club beherbergt.
 
Dies und noch viele weitere unzählige Informationen, die in kaum einen Stadtführer stehen, erfährt der Leser über die Weltstadt. Ein tolles Buch, daß ich jedem empfehlen möchte, dessen Herz nur irgendwie für die französische Hauptstadt schlägt.
Lassen wir die Autorin, die ihr Buch mangels Verlagsinteresse im Eigenverlag herausgebracht hat, am Ende persönlich zu Worte kommen:
 
Paris sichtbar gemacht

„Mein Buch will das unsichtbare Paris sichtbar und das sichtbare Paris deutlicher machen. Es ergänzt die bekannten Fakten, Abmessungen und Geschichtsdaten…Es erzählt die kleinen Geschichten

© Regine Zweifel
hinter der großen Geschichte der Stadt…Viele der kleinen Sensationen, von denen die Rede ist, liegen ganz in der Nähe der berühmten 3-Sterne Sehenswürdigkeiten und blieben bisher vielen Besuchern trotzdem verborgen. Dabei sind sie unbedingt zu empfehlen…Sie werden viele kuriose Kleinigkeiten erfahren, die sich hinter den großen Fassaden verstecken. Nicht die gängigsten Informationen, sondern das, was ihr freundlicher Pariser Stadtführer vielleicht nach der Stadtbesichtigung bei einem Gläschen Wein erzählt, wenn er noch Zeit hat.“
 
Schöner kann man es nicht formulieren. Ich wiederhol´s gerne: Ein wunderbares Buch – ein wahres Kleinod!
 
Regine Zweifel – Paris in kleinen Dosen – Eigenverlag (ISBN 978-3-00-028114-3 – bestellbar für 24,95 Euro über den Buchhandel)
Und wenn Sie mehr als 24,80 Euro ausgeben wollen: Die Autorin, wohnhaft in Krefeld, bietet auch individuelle Touren durch Paris an. www.paris-in-kleinen-dosen.com
 

© Peter Bilsing exklusiv für www.musenblaetter.de