Figaro trifft Musical

Oper Erfurt: W.A. Mozarts "Le Nozze di Figaro"

von Alexander Hauer
Figaro trifft Musical
 
Oper Erfurt 
W.A. Mozarts "Le Nozze di Figaro"
 
5 Sterne de luxe
 
Die Schauspielvorlage war verboten wegen revolutionären Gedankentums. Nach langer Prüfung ging die Opernfassung am 1. Mai 1786 im Wiener Burgtheater dann doch über die Bühne. Seltsamerweise hielt sich die wohl beste Oper aller Zeiten nicht lange auf dem Wiener Spielplan. Erst bei einer Aufführung in Prag konnte sie ihren Weltruhm erringen. Nun brachte sie die Erfurter Oper am 27. September wieder einmal auf die Bühne, mit einem doppelten Risiko: einerseits mußte die Premiere gegen die Bundstagswahl antreten, andererseits ist das Stück durch ungezählte CD- und DVD-Aufnahmen so bekannt, daß sie dadurch für jede neue Aufführung ein Risiko in sich birgt. Um es

Wut! - Foto © Lutz Edelhoff
gleich auf den Punkt zu bringen: Die Erfurter brauchen sich nicht hinter den computerbereinigten Konserven zu verstecken. Es war ein Bühnenerlebnis der Sonderklasse.
 
Glanzvolle Stimmen

Samuel Bächli erschloß zusammen mit den Sängern, dem Chor unter Andreas Ketelhut und den Philharmonischem Orchester Erfurt Mozartklänge in einer der Spitzenklasse zuzumessenden Qualität. Ilia Papandreou ist eine zarte lyrische Gräfin, ihr zur Seite stehen die kongenialen Damen Julia Neumann (Susanna), Mireille Lebel( Cherubino) und Franziska Krötenheerdt als Barbarina. Stéphanie Müther als Marcellina machte aus ihrer Arie“
Il capro e la capretta“ zusammen mit ihrem Freund Jack Daniels  aus einer Umbaupause einen musikalisch wie szenisch köstlichen Einakter.
Auf der Herrenseite ging es nicht minder glanzvoll zu. Peter Schöne gab einen sehr angenehmen Grafen, Máté Sólyom-Nagy war ein Figaro, wie man ihn selten hört, Jörg Rathmann (Basilio), Reinhard Becker (Don Curzio), Vazgen Ghazaryan (Bartolo) waren zusammen mit Dario Süß als Antonio ein stimmlich und spielerisch berückendes Männerquartett.

Bestechende Ausstattung

Einiges zur Inszenierung: Guy Montavon und sein Ausstatter Hank Irving Kittel gelang ein mehrfacher

Na warte! - Foto © Lutz Edelhoff
Spagat. Die Bühne ein variables Labyrinth, das durch geschicktes Umbauen immer wieder neue, transparente Räume schuf, bildete die Leinwand für alle Bilder. Die modernisierten Rokokokostüme bekamen durch heutige Requisiten und Accessoires eine zeitlose Dimension. Der Chor gewandet in Kostüme der französischen Revolution brachte die gefährliche Dimension der Zeit ins Spiel, Cherubino hat seine Perücke auch schon in den Farben der Trikolore einfärben lassen, Figaro trägt gar eine solche als Halstuch, ansonsten steht er aber in Eleganz seinem Dienstherren nicht nach. Seine Susanna kleidet sich charmant in ein Kleidchen aus Toile-de-Jouy, einem beliebten Möbelbezugstoff des französischen Adels aus der Rokokozeit, während la Contessa sich gerne in aufwendiger Seide gewandet. Auch hier zeigt Montavon die sozialen Differenzen und auch die Gründe für revolutionäre Tendenzen auf.

Perfekte Inszenierung

Bestechend auch Guy Montavons perfekte Personenführung und Charakterisierung.  Der Graf, ein

Revolution! - Foto © Lutz Edelhoff
selbstherrlicher Geck, Figaro ein fast schon widerlicher Intrigant, Cherubino, die Pubertät in der Hose und im Schädel, treffen das auf eine naive Barberina, eine bösartige Marcellina, und zwei sehr kluge Frauen: Susanna und die Gräfin.
Der Abend rundet sich – wie auch sonst - mit einem Happy End, allerdings mit einem Happy End mit bitterem Beigeschmack, die Revolution läßt sich nicht mehr aufhalten, einige haben es aber nicht verstanden, daß auch sie auf dem Schafott enden werden.
Dem Schlußapplaus tat dies aber keinen Abbruch. Das Publikum feierte das Orchester, die Sänger und das Regieteam. Ganz großes Hollywood, musikalisch wie stimmlich eine Sensation. Der beste Figaro seit langem. Hier ist der Beweis angetreten worden, daß modernes Regietheater keinesfalls verkopft oder verblödet daher kommen muß. Wer diesen „Figaro“ verpaßt, ist selbst daran schuld.

Weitere Informationen unter:
www.theater-erfurt.de
 
Bilder von Lutz Edelhoff
Redaktion: Frank Becker