Plauderstunde

Über Rhapsoden, Vespasian, Richard Strauss und Dieter Bohlen

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Rhapsoden, Vespasian,
Richard Strauss und Dieter Bohlen


 

Das Phänomen, meine lieben Plauderstunden-Freunde, ist so alt wie die Menschheit, die Folgen oft schmerzhaft. Was ich meine, ist wie der Mensch so allgemein mit Neuerungen umgeht. Was mögen die Rhapsoden – Sie wissen schon: das waren die Leute in der Antike, die von Stadt zu Stadt, quasi von Haus zu Haus zogen und die jeweils neuesten Werke den interessiert lauschenden Kulturbeflissenen vortrugen – was mögen also die Rhapsoden für einen Hals gehabt haben, als die erste Literatur auf Pergamentrollen zu haben war. Untergang der Kunst, werden sie gezetert haben, wenn sich jeder seine Literatur so zusammenliest, wie er es versteht, wenn also Literatur nicht mehr von Profis vorgetragen wird, dann wird das Interesse am Schönen und Guten schnell erlahmen. Wir wissen: es kam anders. Auch der Buchdruck hat nicht wirklich dazu geführt, daß die Literatur stirbt, im Gegenteil. Es war aber immer auch die Frage nach Geld, die da im Hintergrund stand: daß ein Rhapsode im alten Rom ungern seinen Beruf aufgab, ist klar, wenn die einzige Alternative vielleicht Latrinenschrubber in den öffentlichen Klos, die Kaiser Vespasian eingerichtet hatte, war – wie ich darauf komme? Vespasian hat sie als Einnahmequelle eingerichtet. Als sein Sohn darob die Nase rümpfte, hielt ihm sein Papa Geld unter dieselbe und stellte fest: „Non olet!“ – Geld stinkt nicht.
 
Vor dieser ersten römischen Bedürfnisanstalt (im Französischen heißt das bis heute ‚Vespasiennes’!) aber waren die Bücherhändler und zwar die Antiquare mit ihren Ständen! Naja, damals war die Antike noch nicht so lange her, also war es mehr Modernes Antiquariat! So hat der Römer Literatur geschätzt! Also: Neuerungen hat es immer gegeben und man mußte sich darauf einstellen. Richard Strauss hat die Gema gegründet, um die Komponisten vor der Ausbeutung durch die Schallplatte zu schützen, die Plattenfirmen haben mit der Erfindung der CD Milliarden damit gemacht, daß sie alle Klassiker jetzt noch mal verkaufen konnten, schön. Und jetzt haben wir das Internet und alle Plattenfirmen gucken zu, wie vor unser aller Augen Google oder YouTube uns Komponisten über den Tisch ziehen, daß es eine Freude ist. Während die Internet-Leute Milliarde abzocken, schauen Komponisten, Texter, Bands, Sängerinnen und Sänger in die Röhre. Und das ist nicht richtig. Und warum schauen wir in die Röhre? Weil die paar Plattenfirmen, die übrig geblieben sind, nicht in der Lage sind, ihre und das heißt auch unsere Interessen zu bündeln und vernünftige Deals mit Google und den Räuberkonsorten zu machen. Denen könnte man nämlich ganz schnell klar machen, daß ohne attraktive Kompositionen sie auch bald nix mehr anbieten können, was man sich runterladen kann. Und dann stehen alle am Schlauch, Opfer sowieso, aber die Täter auch. Ich meine: wenn selbst die Gangster damals in Chicago Agreements treffen konnten, müßte das den Schnarchnasen von Plattenfirmen ja wohl auch möglich sein, oder?
 
Sagt sehr verärgert ob dieser Borniertheiten
 
Ihr
Konrad Beikircher
 
(der zwar kein so genialer Komponist ist wie Dieter Bohlen – wer so viel Geld mit Komponieren verdient, muß doch genial sein, oder?! – der aber erfahren hat, daß auch er illegal heruntergeladen wird und das ist zwar ehrenvoll aber macht hungrig!)


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker