"Die Unwertigen"

Ein erschütternder Film über Kinder, die nicht ins Wertesystem der NS-Zeit und der jungen BDR paßten, hatte gestern in Düsseldorf Vorpremiere

von Andreas Rehnolt

© Daniel Karg
Vorpremiere des Films
"Die Unwertigen" in Düsseldorf
 
Der Streifen zeigt die jahrzehntelange
Mißachtung von Kindern und Jugendlichen,
die in der NS-Zeit und in den Anfängen
der BRD nicht ins gesellschaftliche
Wertesystem paßten
 

Düsseldorf – Das Düsseldorfer Savoy-Kino zeigte gestern die Vorpremiere des Films "Die Unwertigen" von Regisseurin Renate Günther-Greene. Der Film zeigt die jahrzehntelange Mißachtung von Kindern und Jugendlichen, die in der NS-Zeit und in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik nicht ins gesellschaftliche Wertesystem paßten. Bei der Vorpremiere waren einige der Protagonisten des Dokumentarfilms anwesend, so etwa der 77 Jahre alte Richard Sucker. Er wurde seiner Mutter als uneheliches Kind mit anderthalb Jahren weggenommen und in ein Waisenhaus in Breslau gesteckt, wo er ab seinem 5. Lebensjahr Zwangsarbeit verrichten mußte. Auch nach dem Krieg blieb Sucker in Heimen. Bis in die 1970er Jahre gab es für ihn und unzählige andere Betroffene dort wieder Prügel und unbezahlte Zwangsarbeit.
 
"Diejenigen, die nach dem Krieg die deutsche Verfassung geschrieben und die Würde jedes Menschen darin verankert haben, haben die Verfassung noch viele Jahre mit Füßen getreten", sagte Sucker bei der Vorpremiere des Dokumentarfilms. Auch Waltraut Richard, deren Mutter wegen ihrer Patenschaften für jüdische Kinder ins Konzentrationslager kam, war bei der Premiere des Films anwesend. Sie und ihre Geschwister kamen damals in Heime, erfuhren nichts über den Verbleib und das Schicksal der Mutter und trafen diese erst viele Jahre nach dem Ende des Kriegs wieder. Der Film mit dem lauten Tackern der Schreibmaschine unterlegt, die Worte wie  Ausmerzen, Zwangseinweisung, Schwachsinn oder Aussonderung aufs Papier und in die Köpfe der Zuschauer hämmert, ist schwer erträglich.
 
Da erzählen Elfriede Schreyer, von den Nazis als angeblich "schwachsinnig" in ein Heim eingewiesen und Günter Discher, der wegen seiner Liebe zur Swing-Musik ins Jugend-KZ kommt, von ihren Schicksalen. Die heute 77 Jahre alte Elfriede bleibt bis 1970 im Heim unüberprüft eingesperrt, ihre drei Kinder werden ihr nach der Geburt weggenommen. Erst Anfang der 70er Jahre wird sie

© Daniel Karg
freigelassen. Der Film zeigt nach den Worten von Regisseurin Günther-Greene auch, daß nach dem Krieg über viele Jahre hinweg "alles beim alten blieb." Die Heimkinder, von den Nationalsozialisten in die Anstalten eingewiesen, wurden weiter ausgegrenzt. Richard Sucker kämpft vor dem Petitionsausschuß des Bundestages für eine Wiedergutmachung. "Das bin all denen, denen es genauso wir mir ergangen ist, schuldig", sagte Sucker am Sonntag mit tränenerstickter Stimme. Ende kommenden Jahres will der Ausschuß in Berlin seine Ergebnisse verkünden.
 
Die Nazis sortierten Jugendliche nach ihrem Wertesystem der Rassenhygiene und Eugenik aus, sagt die Regisseurin, die eigentlich in der Werbung zuhause ist. Die „wertigen“ Kinder wurden gefördert, die „unwertigen“ aussortiert und ausgemerzt. Der 86-minütige Film erzählt aber auch von der gesellschaftlichen Verdrängung nach 1945 und den Auswirkungen für die Betroffenen, die bis heute andauern. Der Film ist am 21. und 22. November jeweils um 15.30 Uhr erneut in Düsseldorf, dann im Bambi-Kino zu sehen. Am 25. November läuft er im Münchner Kino Neue Arena, am 9. Dezember im Kino Koralle in Hamburg, am 10. Dezember im Kino im Künstlerhaus in Hannover, am 21. Januar nächsten Jahres im Filmhaus Köln und am 20. Januar im Kino im Dach in Dresden.
 
Internet und Trailer: www.die-unwertigen.de

Redaktion: Frank Becker