Erinnerungen im Advent

von Joachim Klinger

Zeichnung: Heinrich Zille
Erinnerungen im Advent
 
Advent – da wird man etwas fromm
und denkt an alte Lieder…
Die Mutter sprach zu mir: “Nun komm!
Wie alle Jahre wieder!”
 
Wir gingen, die Frau Lüdemann
im Hinterhaus besuchen.
Die Alte sah uns müde an:
“Habt Ihr auch etwas Kuchen?”
 
Frau Lüdemann war wirklich arm
und hatte keine Kinder.
Dazu war sie noch krank am Darm
und wurde immer blinder.
 
Die Mutter hat ihr hingestellt
zu trinken und zu essen.
Sie gab ein Tuch und etwas Geld.
Sie hatte nichts vergessen.
 
Die Frauen haben viel erzählt.
Am Fenster saßen Spatzen.
Ein Apfel wurde mir geschält,
und Mutter sprach: “Nicht schmatzen!”
 
Man sah schon das Laternenlicht.
Da sind wir aufgebrochen.
Gefallen hat mir alles nicht.
Auch hat es schlecht gerochen.
 
Die Mutter nahm mich bei der Hand:
“Vergiß mir nie die Ärmsten!”
Dann rasch ins Kaufhaus Kinderland!
Dort war es stets am wärmsten.
 
Advent – da wird man etwas still
und denkt an alte Zeiten.
Wer armen Menschen helfen will,
soll sich jetzt vorbereiten!


Joachim Klinger