Heidelberger Studenten-Romantik

Wilhelm Meyer-Förster - „Karl Heinrich“

von Frank Becker
Alt-Heidelberg, du Feine!

Wie oft die bekannteste aller deutschen Universitätsstädte besungen und bedichtet wurde, vermag wohl niemand genau zu sagen. Kein Kommersbuch, in dem nicht Heidelberg als Ort studentischer Romantik manches Lied gewidmet ist, kein Bücherschrank eines Philisters oder Verbindungsstudenten, in dem nicht mindestens ein Heidelberg-Roman einen Ehrenplatz hat. Neben Gregor Samarows „Die Saxoborussen“ und „Rudolf Stratz´ „Alt-Heidelberg, du Feine“, ist der Roman „Karl Heinrich“ von Wilhelm Meyer-Förster (1899) gewiß einer der bekanntesten, wenn nicht sogar durch seine spätere mehrfache Verfilmung der bekannteste und auch beliebteste. Zwei Jahre nach der Romanveröffentlichung machte Meyer-Förster aus dem Stoff das bis heute (natürlich überwiegend in Heidelberg) aufgeführte Theaterstück mit dem Titel „Alt-Heidelberg“. Allein in Berlin erlebte es seinerzeit nach seiner Uraufführung 1901 im „Berliner Theater“ 500 Vorstellungen en suite. Unter dem nämlichen Titel wurde Meyer-Försters Roman später zweimal als Stummfilm, dann als Musikfilm nach der Broadway-Adaption „The Student Prince“ und schließlich in der wundervollen Fassung 1959 von Ernst Marischka mit Christian Wolff, Gert Fröbe, Harry Meyen und Sabine Sinjen gedreht.
 
Kurz die Geschichte (in Klammern die Darsteller des Films 1959): Karl-Heinrich, Erbprinz von Sachsen-Karlsburg (Christian Wolff), wird nach der Erziehung durch seinen Hauslehrer Dr. Jüttner (Gert Fröbe) und bestandenem Examen für ein Jahr zum Studium nach Heidelberg geschickt, wo sein Mentor Jüttner selber Jahrzehnte zuvor das Studentenleben genossen hat. Jüttner fährt mit, und beide
steigen in Begleitung des Kammerdieners Lutz (Rudolf Vogel) und des Dieners Schölermann (Walter Bluhm) in Rüders (Heinrich Gretler) Gasthof ab, wo sich Karl-Heinrich sogleich in Käthi, die Nichte des Wirts (Sabine Sinjen) verliebt – und vice versa. Da aber auch die Heidelberger Corps bei Rüder ihre Konstante haben, wird der Prinz sogleich von deren Altem Herrn Graf Detlev von Asterberg (Harry Meyen) als Fuchs für die Saxo-Borussia gekeilt. Er erlebt eine glückliche, unbeschwerte Zeit im Kreise seines Corps, muß aber vorzeitig zurück in die Heimat, um wegen der Erkrankung seines Onkels, des regierenden Fürsten, dessen Staatsgeschäfte zu übernehmen. Die kurze Zeit des Glücks und der Liebe zu Käthi ist damit unwiderruflich vorüber. Da ist natürlich Kitsch kaum zu vermeiden, wo doch alles recht üppig vorkommt: Adel, Krone, Herz, Schmerz, Freundestreue, Liebe - na und die Kulisse Heidelbergs! Aber: es ist verdammt schöner Kitsch. Der von Adolf Wald sehr ansprechend illustrierte Roman ist auch heute noch angenehm zu lesen. Zwar längst nicht mehr im Sortimentsbuchhandel zu haben, findet man ihn doch noch häufig antiquarisch. 
 
Der oben genannte Ernst-Marischka-Film ist wegen seiner hervorragend ausgestatteten Couleur-Szenen und der ihm innewohnenden sehnsuchtsvollen Romantik besonders bei den Alten Herren vieler studentischer Verbindungen sehr beliebt. Bisweilen wird er im Fernsehen gezeigt.
 
Wilhelm Meyer-Förster - „Karl Heinrich“
Erzählung,
1899 Deutsche Verlags-Anstalt, 204 Seiten mit vielen s/w-Illustrationen von Adolf Wald