Die Lebensbeichte eines Unangepaßten

Klaus Ender - "Die nackten Tatsachen des Klaus Ender"

von Frank Becker
Eine Lebensbeichte

Der populäre DDR-Fotograf Klaus Ender
läßt sein abenteuerliches Leben
zwischen Ost und West Revue passieren



Kindheit im Zweiten Weltkrieg, schwierigste Familienverhältnisse, die Vergewaltigung der Mutter bei Kriegsende durch Russen, harter Überlebenskampf in der von Hunger, Kälte und Not bestimmten Nachkriegszeit der Moskau ergebenen DDR, Überwindung einer schweren Krankheit durch Kraftsport, Bäckerlehre und nach Repressalien Republikflucht, um die Lehre in Freiheit abschließen zu können, anschließend Rückkehr in die DDR zur Mutter, Inhaftierung und Erpressung durch die Stasi, Tätigkeit als IM, Arbeit in verschiedenen Kombinaten und Brigaden der DDR, viele Affären und zu frühe Ehe, unter schwierigen Bedingungen aus eigener Kraft neue Karriere als Fotograf, zweite Ehe, Auswanderung nach Österreich, ermöglicht durch Doppelstaatsbürgerschaft, Bruch mit der Stasi, erneute Rückkehr in die Heimat nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur, neue schwere Erkrankung und die Hinwendung zur Poesie sind einige der wichtigen Angelpunkte der Autobiographie eines Menschen, der nie aufgegeben hat. Es ist ein Stoff, der für viele Romane reichen würde – und doch nur das Leben eines Mannes: Klaus Ender.

Klaus Ender gehörte in der DDR, deren totalitäre SED-Führung dem kommunistischen Staat ewigen Bestand prophezeite, zu den Unangepaßten, den widerwillig geduldeten Quer- und Freidenkern. In den zweiten Weltkrieg hineingeboren, war er trotz Vater vaterlos und dadurch ganz auf die Mutter fixiert. Mit dem Ende des Krieges und dem Einmarsch der Russen machte der Junge  die schrecklichsten Erfahrungen, die man einem Kind auf den Lebensweg mitgeben kann. Daß er sich, wenn auch unter großen inneren und äußeren Schwierigkeiten dennoch zu einem zielbewußten Menschen entwickelte, ist nicht zuletzt der Auflehnung gegen Unrecht und Willkür und dem starken Wunsch nach Freiheit zu verdanken. Das machte ihm zwar vom Jugendalter an in der DDR, die alles andere als demokratisch war, das Fortkommen schwer, stärkte aber Willen und Charakter. Klaus Ender, ein schmächtiges Bürschchen, wurde Bäcker, schaffte mit Energie eine Sport-Karriere als erfolgreicher Ringer, ließ die DDR 1957 aber hinter sich, als ihm klargemacht wurde, daß er den Gesellenbrief wegen seiner Einstellung nie bekäme. Er machte in Westdeutschland die Lehre zu Ende und kehrte 1958 zurück. Unter unwürdigen Umständen arbeitete er im staatlich gesteuerten Saisongeschäft an der Ostsee, wurde Stahlarbeiter und Zellstoffkocher und fand schließlich zu dem, was sein Leben von da an bestimmen sollte: zur Fotografie.

Als Autodidakt und mit einfachsten Mitteln entwickelte sich der talentierte und sportliche junge Mann zunächst über die Auftragsfotografie für Kombinate zum Fotografen der Arbeitswelt und Landschaft. Über das Portrait kam er bald zur Aktfotografie, die ihm im Laufe der Jahre nicht nur einen guten Namen und viele schöne Modelle (und Sex mit ihnen) einbrachte, er fand einen festen Stand als freier Fotograf für Zeitschriften in der DDR, im sozialistischen und sogar im kapitalistischen Ausland. Bekannt wurde er vor allem durch seine Veröffentlichungen im "Magazin" und "Eulenspiegel", die wegen ihrer Akte sehr begehrt und in der DDR "Bückware" waren. Als Initiator der Ausstellungsreihe "Akt & Landschaft" erwarb Klaus Ender ab 1975 internationale Meriten. Doch wegen des Griffs der Stasi, die ihn zur Mitarbeit als IM erpreßte, nutzte er schließlich die Doppelstaatsbürgerschaft, die er durch seinen österreichischen leiblichen Vater besaß, um mit seiner zweiten Ehefrau Gabi, der Liebe seines Lebens, legal nach Österreich auszuwandern. Das Leben dort und später auch in Westdeutschland war zwar freier, nicht aber leichter. Und Klaus Ender hatte mit neuen Krankheiten zu ringen, die vermutlich auf die früheren Arbeitsbedingungen und einen Unfall beim Ringen zurückzuführen waren.

Als die DDR 1989 unter dem Druck des Volkes ihre Grenzen öffnete. ging Klaus Ender zurück in die Heimat, nach Rügen, wo er heute, 70 Jahre alt, mit seiner Gabi lebt. Wer vor Beginn der Lektüre eine literarische Autobiographie erwartet, wird sich umstellen müssen. Klaus Ender berichtet, Notizen eines Tagebuchs ähnlich und mit gelegentlichen Lücken, Fakten. Eine interessante Lebensbeichte, die niemandem schmeichelt. Er läßt am Unangenehmen ebenso teilnehmen wie an seinen (äußerst dezent kolportierten) Liebesabenteuern, dem Privileg und dem Glück der Fotografie. Wer wie ich als alter Wessi gelegentlich alte DDR-Serien, darunter den aufschlußreichen "Polizeiruf 110" im Fernsehen anschaut, kann durch Enders Bericht das Bild einer DDR vervollständigen, wie sie im Alltag wirklich war: diktatorisch, abgewirtschaftet, den selbst gesetzten Idealen in keiner Weise gerecht werdend. Ein interessantes Buch, dessen lächerlich geringer Preis alleine schon durch den umfangreichen s/w-Bildteil von 24 Seiten gerechtfertigt wäre.

Klaus Ender hat 1989 auf Rügen einen Verlag gegründet, in dem er u.a. Foto-Bücher und Bände mit eigener Lyrik herausgibt. Auch bei anderen Verlagen ist mittlerweile eine Vielzahl von Bänden mit Texten und Fotografien Enders erschienen.

"Die nackten Tatsachen des Klaus Ender" - Ein Leben zwischen Ost und West
© 2004 WEVOS-Verlag, 2. Auflage 2005, 240 Seiten, Bildteil mit 135 Bildern, Hardcover mit Schutzumschlag, 16,0 cm x 22,5 cm, ISBN 3-937547-03-7
7,90 € zzgl. Porto (1,40 €)
erhältlich im Buchhandel oder direkt bei Klaus Ender - auf Wunsch signiert-
e-mail: art-photo-archiv@klaus-ender.de
Fax: 03838-252583
Weitere Informationen unter:
www.klaus-ender.com  und  www.klaus-ender.de