Manieren

gewürdigt

von Victor Auburtin
Manieren
 
Der Herr, der im Restaurant ganz dicht neben der Drehtür saß, dieser Herr fiel mir auf, weil er so appetitlich seine Krebse aß.
Es ist außerordentlich schwierig, Krebse appetitlich zu essen.
Nach den Krebsen verzehrte der Herr noch ein ganzes Rebhuhn mit Sauerkohl, und auch dieses Rebhuhn mit Sauerkohl zerlegte er so geschickt und sauber, daß es eine Freude war, hinzusehen.
Der Herr hatte übrigens eine große Ähnlichkeit mit dem verstorbenen König Eduard VII.
Als er mit allem fertig war, mit den Krebsen, dem Rebhuhn, dem Camembert und dem Staudensellerie, bestellte er sich noch einen Kognak. Und während der Kellner nach dem fernen Büfett eilte, um diesen Kognak zu holen, während also der Kellner weit fort war, erhob sich der Herr gelassen, wischte sich den Mund, nahm seinen Hut und schritt langsam zur Tür.
Mir lief ein Schauer den Rücken herunter. Ein Zech­preller! Ich wollte aufspringen und schreien: Halt, Sie haben ja Ihr Essen noch nicht bezahlt. Aber kein Ton kam mir aus der Kehle, so betäubt war ich von der sicheren und eleganten Art des Herrn.
Der Herr ging durch .die Drehhtür hinaus und hatte dabei einen Zahnstocher im Munde. Ich konnte noch sehen, wie er draußen vor der Tür stehenblieb, eine Zigarre aus der Tasche zog und sich eine Abendzeitung kaufte, dann verschwand er allmählich im Dunkel der Straße.
Großartig war das durchgeführt; ganz Eduard VII. Nichts geht doch über anständige Manieren und über eine gute Erziehung.
Hinterher rannte der Oberkellner erregt durch das Lokal von Tisch zu Tisch und klagte allen Gästen sein Unglück: Mit zwölf Mark ist mir der Kerl durch­gegangen. Wenn es ein Glas Bier gewesen wäre, würde ich ja nichts sagen, das kommt alle Tage vor, und das macht jeder mal! Aber zwölf Mark; und die muß ich ersetzen.
Dieser Oberkellner war uns allen lästig mit seinen aufdringlichen Klagen.
Schließlich kam der Geschäftsführer und machte ihn auf das Unpassende seines Benehmens aufmerksam.
 
Victor Auburtin