Der geprellte Liebhaber

von Eugen Egner

Foto © Peter Bast / Pixelio
Der geprellte Liebhaber
 

Auf dem Humus meiner sträflichen Nachgiebigkeit ge­diehene widrige Umstände haben dazu geführt, daß ich insgesamt drei Wohnungen bewohne und bezahle. In der ersten, die genaugenommen eine junge Frau ange­mietet hat, deren Mietzins ich aber übernommen habe, versuche ich, eben dieser jungen Frau schönzutun, ob­wohl sie gar nichts für mich ist. Einmal nur gewährt sie mir die Intimität, um mich glauben zu machen, es sei mein Kind, das sie eine Woche später auf meine Kosten abtreiben läßt. Sie verlangt Mutproben von mir, wozu sie mich ausgesucht lächerliche Kleidung tragen und in dieser sowohl an den Arbeitsplatz als auch von einem Ende der Stadt zum anderen fahren heißt. Ihre alten Blusen vom Flohmarkt muß ich anziehen und mir knallbunte Pluderhosen kaufen. Lächerlich sind auch die Haar­schnitte und Frisuren, zu denen sie mich inspiriert. In je­der der drei Wohnungen liegt ein Föhn bereit, um das arme Haupthaar senkrecht in die Höhe zu zwingen.
Es wird immer schwerer für mich, die erotische Gewo­genheit der Spröden zu erringen; ihre Aufgaben werden von Mal zu Mal unbarmherziger. Nicht lange, und sie macht zur Bedingung, ich müsse nackt in einen katho­lischen Gottesdienst eindringen. Das kommt mich hart an, doch ich opfere meine mannigfachen Skrupel auf dem Altar der schnöden Sinnenlust und gehorche. In den Ohren klingt mir der Brechtsche Vers »Das ist die sexuelle Hörigkeit«, und ich stürme nach dem Abstreifen meiner Kleidung ins Kircheninnere. Der Geistliche auf der Kanzel brüllt gerade: »Laßt uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot! «, da erscheine ich blank wie weiland Adam, um im nächsten Augenblick gehetzt gleich einem waidwunden Wild dem Ausgang zuzustreben. Ein Wunder, daß ich unerkannt entkommen kann. Der Vor­fall wird am übernächsten Tag mit einer wenige Zeilen langen Notiz im Lokalblatt bedacht. Zwar nimmt meine Auftraggeberin befriedigt Kenntnis davon, das Ver­sprochene aber verwehrt sie mir unter fadenscheinigen Ausflüchten. Zuerst einmal solle ich eine Wohnung mie­ten, auf die sie im Anzeigenteil der Tageszeitung auf­merksam geworden ist, und die nur ein paar Straßen ent­fernt gelegen ist. Dort könne ich mich dann aufhalten, wenn sie meiner überdrüssig wäre, und hätte es nicht weit zu ihr, wenn sie mich zu sehen wünschte. Ich will­fahre ihr. In der zweiten Wohnung versuche ich dann er­folglos Bilder zu malen, was ich in der ersten, viel zu en­gen, schon wegen der zänkischen Frau nicht kann. Selten halte ich mich in dieser aufgenötigten Bleibe auf, und während der Nächte, die ich je nach Laune der Frau hier verbringe, liege ich kompensatorisch trunken auf ei­ner defekten Campingliege mit Schottenmuster.
 
Die dritte Wohnung, mein angestammter Hauptwohn­sitz, dient mir zum Ausruhen, liegt auch ganz nah bei meiner Arbeitsstätte. Zum Ausruhen aber komme ich nur selten, weil ich vor und nach der Arbeit mit Taschen, Beu­teln, Koffern und oft auch Elektrogeräten oder Kleinmö­beln in öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen meinen weit auseinanderliegenden Wohnsitzen hin- und herfahre. Meinen Hausrat habe ich auf die drei Stellen verteilt.
Noch ehe ich in der dazu bestimmten zweiten Woh­nung richtig zum Malen gekommen bin, gebe ich sie wieder auf. Mit dem Geld, das ich nun einspare, finan­ziere ich der Frau und ihren zahlreichen Freunden einen längeren Urlaub in den Tropen. Es reicht sogar noch für die Miete der gewerblichen Etage, die die fidelen jungen Leute zum Zwecke gemeinsamer, wenn auch unklarer, Kunstausübung vor längerer Zeit vertraglich übernom­men haben. Wie ich vom Vermieter erfahre, haben die Lebenskünstler ihre Vertragspflichten bislang nicht ein­gehalten, und der Zorn des groben Menschen entlädt sich auf mich.
 
Die Möbel aus der aufgegebenen zweiten Wohnung stelle ich während der Urlaubsdauer in den von der Frau verlassenen Räumen unter. Weil ich meine, dies sei die angebrachte Verhaltensweise, warte ich hündisch bei ihren zurückgelassenen Schuhen auf ihre Wiederkunft, die dann aber enttäuschend ausfällt. Obwohl ich ihr täg­lich geschrieben und ihr unzählige Pakete mit Speze­reien an wechselnde Auslandsadressen geschickt habe, kanzelt sie mich am Bahnhof grob ab, als ich sie herzlich willkommen heißen will. Ich habe bereits vorsorglich Geld für eine weitere Abtreibung beiseite gelegt.
Daheim schilt sie mich heftig ob der durch das Unter­stellen meiner Möbel entstandenen Enge und Unbehag­lichkeit. Ich gebe zu, daß es ein Fehler war, den teuren Möbeltransport zu meinem Hauptwohnsitz gescheut zu haben, und spüre: ich habe alle Hoffnung auf ihre Gunst verwirkt. Während der unerfreulichen Szene trägt einer ihrer Verehrer pfeifend meine Leinwandvorräte aus dem Haus.



© Eugen Egner