Hans Putty - Verleger der ersten Stunde nach 1945

Heute wäre der Verlags-Pionier 100 Jahre alt geworden

von Frank Becker

Foto: Privat - Nachlaß Putty
„Ich war immer ein unruhiger Geist!“
 
Der Verleger, Galerist und Kunsthändler Hans Putty
wäre heute 100 Jahre alt geworden. ­
 
 
Als 1945 der Wahn vom „Großdeutschen Reich“ in den Trümmern deutscher Städte verrauchte, gab es buchstäblich nichts mehr. Natürlich fehlte es auch an aktuellem und politisch unbelas­tetem Lesestoff, nachdem die gleichgeschalteten Verlage und Zeitungsredaktionen von den Besatzungsmächten aufgelöst wor­den waren.
Das erkannte der in Velbert geborene und bei Kriegsende in Wuppertal lebende damals 35 Jahre alte Schrift­setzer Hans Putty, der sich mit den braunen Herren nicht ge­mein gemacht hatte, auf der Suche nach einer Möglichkeit, sei­ne Familie über die Zeiten der Not zu bringen, und genau in diese Lücke stieß er. Sein tägliches hartnäckiges Vorsprechen bei der britischen Militärregierung, die damals im Polizeiprä­sidium der zerstörten Stadt saß, führte schließlich dazu, daß man ihm, der politisch und moralisch unbelastet war, die Verlags-Nummer 1 der britischen Zone zuteilte.
 
Noch 1945 konnte er so die erste in Wuppertal wieder allgemein zugängliche Zeitung herausgeben, die „Mitteilungen der Militär­regierung“. Im Straßenverkauf wurde die mit 120.000 Stück er­staunlich hohe Auflage für 15 Pfennige pro Exemplar des vier bis acht Seiten starken Blattes abgesetzt, bis die Verlage der großen Zeitungen wieder ins Tagesgeschäft einstiegen.

Foto (privat): von links: Hans Putty, Bengt Berg, Sigbert Mohn
bei Verhandlungen in Kopenhagen
(Fünfziger Jahre) 
Hans Putty widmete sich fortan dem Verlegen von Büchern. Der Wunsch, immer etwas Neues ins Leben zu rufen, gab ihm die Kraft und trieb ihn stets an, wenn Wechsel nötig wurden. Zu den er­sten Büchern, die er ab 1946 in seinem "Hans Putty Verlag" her­ausbrachte, gehörten ein englischer Sprachführer und ein zwei­sprachiges Bändchen mit Gedichten Paul Verlaines. Es folgten Otto Böttchers „Vom Wesen der deutschen Romantik“ (mit Illus­trationen im Kunstdruck!), eine zweibändige Novalis-Ausgabe, Goethes "Reineke Fuchs" und Jugendbücher wie „Vier Schwestern“ von Louisa M. Alcott und Bengt Bergs „Arizona Charley´s Junge“. Das rare damals stark holzhaltige Papier dazu beschaffte er sich in Zusammenarbeit mit einem Vertreter der Fa. Seiler-Papier, mit dem er in einem von der Militärregierung zur Verfügung ge­stellten Auto die Papierfabriken abklapperte.
 
Später stieg Putty ins lukrative Schulbuch-Geschäft ein, ver­legte einige Wuppertal-Bildbände und Broschüren im Auftrag der Landesregierung  - und er entwickelte die Idee einer „Kleinen Reihe“, die
später formatgleich von seinem Geschäfts­freund Sigbert Mohn für den Bertelsmann-Lesering übernommen wurde. Diese „Kleine Reihe“ ist ihm das liebste Produkt seines Verlages geworden. Weil alles so gut klappte und sich in dem Ronsdorfer Brotfabrikanten Michel ein Mäzen fand, gründete Hans Putty in den Fünfziger Jahren noch einmal eine Zeitschrift, „Die Welt des Orients“. Das Blatt erschien in dem dafür gegrün­deten „Abendland- Verlag“ und wurde seinerzeit von Universitä­ten im In- und Ausland gehalten. Hans Putty hatte sich zwischenzeitlich an der Elberfelder Traditionsdruckerei Martini & Grüttefin beteiligt und in deren Geschäftsräumen in der Genügsamkeitsstraße eine kleine Galerie gegründet, in der er moderne Graphik anbot: Bagheer, Terry Haas, Hans Hartung, Serge Poliakoff, Marc Chagall, Josef Albers, Marino Marini... Ein signiertes Picasso-Blatt z.B. ging für 300 DM weg, „zu teuer damals zum Behalten“.
Mit der Veränderung der Verlagslandschaft und dem Nachlassen des Druckerei-Gewerbes wandte sich der Selfmademan und „Alleingänger“ neuen Aufgaben und Geschäften zu: Hans Putty wurde zunächst in der Elberfelder Bergstraße ein erfolgreicher Galerist und Kunsthändler, danach am Turmhof in Elberfeld, danach in der Sophienstraße und erwarb einen bis guten Ruf als Antiquitäten-Experte, Schätzer und Gutachter.
 

A
ls eines der letzten Bücher des Hans Putty Verlages erschien 1981, schon unter der Regie des Sohnes Rainer Putty, der heute sehr gesuchte Band „Literatur im Wuppertal“, u.a. mit Beiträgen des späteren Buch­druckers und Kleinverlegers Jochen Ehrlich und des jetzt in Berlin lebenden, deutschlandweit erfolgreichen Journalisten und Buchautors Jörg Aufenanger - Kreise schließen sich. Am 27. Februar ­wäre Hans Putty, der sich stets gerne an Erlebtes und Geschafftes erinnerte und beneidenswerterweise bis zu seinem Tod im Oktober 2001 weder zum Lesen noch zum Blick über „seine“ Stadt eine Brille brauchte, 100 Jahre alt geworden.
Seine Tochter Dr. Ulrike Steding-Putty erinnert sich: „Er war immer ein großzügiger, aufgeschlossener Mann, der noch als 90-jähriger bei seinen Spaziergängen mit Hund Titus in der Lilienthalstraße den Respekt und die Zuneigung der Kinder aus der Nachbarschaft genoß“.
 
Auswahlbibliographie:
H. Zörnitz: Trümmer-Gedanken, Garten-Geheimnisse, die zu denken geben (o.J.)
L. Dahlbüdding: Drei Puppen reisen um die Welt, Kinderbuch (o.J.)
Rudi vom Endt: Scurrile Schnörkel, Gedichte (1946)
Rudi vom Endt: Der Dichter Herbert Eulenberg ganz menschlich gesehen (1946)
Bernhard Sieper: Eine kleine Blütenlese der Weltlyrik (1946)
Johann Wolfgang von Goethe: Reineke Fuchs in zwölf Gesängen (1946)
Bernhard Sieper: Der Ruf der Strahlen (Ein biogr. Röntgen-Bildnis)  (1946)
J.W. von Goethe: Der ewigen Weberin Meisterstück – Gedanken über Mensch und Natur(1946)
Lothar Przybylski: Besinnung und Erneuerung, Vorträge (1946)
Lieselotte Geissel: Das Märchen vom Zwergen Tippeltapp, dem Raben Huckepack und der Kräutermuhme (1946)
Paul Verlaine: Gedichte, übertragen von Paulheinz Wantzen (1947)
Stephan Schön: Wuppertal im Kampf gegen die Not, Bestandsaufnahme nach dem Krieg (1947)
Edwin Nacken, E. Leonhard: Abenteuer an der Mosel, Ein Roman für die Jugend (1947)
Johannes Kulp: Das Problem Mensch in Goethes „Faust“ (1947)
Otto Böttcher: Vom Wesen der deutschen Romantik, illustriert (1947)
Claus Silvester: Mann ohne Gestern, Roman (1948)
Louisa M. Alcott: Vier Schwestern, Jugendroman (1948)
Adolf Löhr: Drei fröhliche Mädel, Jugendroman (1949)
Bengt Berg: Arizona Charleys Junge. Roman für die Jugend (1950)
H. Zörnitz: Garten - Arbeits - Kalender von unbegrenzter Dauer (1950)
Aus alter und neuer Zeit, Schulbuch Bremen (1952)
Rudolf Picard und Hans Brangs: Bilder Und Gestalten aus der Bergischen Geschichte. Bergische Heimatgeschichten, Band 1 (1952)
Wat Die Wopperwellen Ruuschen. Dichtungen in Bergischer Mundart (1955)
Maria van Horn: Weißt du was Bonn wirklich will? – Die Parteien (1956)
Heinz Kampmann-Hervest: Spuren, 34 Original-Zinkätzungen, 18 Federzeichnungen (1956)
Den Weg entlang, Eine Gedichtsammlung für alle Schulen (1956)
Heinz Wolff, Manfred Jakob und Hans Dost: Wuppertal: eine interessante Stadt. (1960)
Julius Burchardt: Das fröhliche Diktat (1960-1984)
Josef Guggenmoos: Kinderaugen, Kinderherzen (1961)
Konrad Hartstein: Nordrhein-Westfalen, Porträt und Chronik (1964)
Gerhart Werner: Wuppertal im Spiegel der Dichtung - eine Wuppertaler Anthologie (1965)
Gerhard Werner: Wuppertal in Napoleonischer Zeit (1967)
Rainer Putty: Unterwasser-Archäologie (1973)
Literatur im Wuppertal, Geschichte und Dokumente (1981)

Lesen Sie diesen Artikel auch in der nächsten Ausgabe des Magazins "Die beste Zeit" - erscheint Mitte März im Verlag HP Nacke, Wuppertal (www.diebestezeit.net)