Gemalte Schriften – ungeschriebene Bilder

Malerei und Zeichnung von Andreas Steffens

von Susanne Buckesfeld

Andreas Steffens, o.T. - Foto © Hanieh Bozorgnia
Gemalte Schriften –
ungeschriebene Bilder.


Malerei und Zeichnung.


Eine Ausstellung mit Arbeiten von Andreas Steffens
im Deutschen Werkzeugmuseum Remscheid
 

Ich kenne Andreas Steffens als Mann der Worte und des Geistes, als einen Philosophen im wahrsten, ursprünglichen Sinne des Wortes: als einen Freund des Denkens. In seinen Texten über Kunst, die mir bekannt sind, entwickelt Steffens komplexe Gedankengebäude, die zwar vom Leser höchste Aufmerksamkeit fordern, ihn dafür jedoch mit sprachlicher Brillanz und gestochen scharfen Formulierungen belohnen, die ihren Gegenstand zur neueren und älteren europäischen Geistesgeschichte in Beziehung setzen. Umso überraschter war ich, als ich hörte, daß Andreas Steffens sich nicht nur theoretisch mit der Kunst beschäftigt, sondern selbst praktisch künstlerisch tätig ist. Aha, dachte ich mir, also ein Konzept-Künstler, spannend. Etwas anderes als eine Auseinandersetzung mit jener Sparte der Kunst des 20. Jahrhunderts, deren Stoff die Ideen und der Geist sind, zog ich für den mir als Kopf-Menschen bekannten Andreas Steffens gar nicht in Betracht. Weit gefehlt! Der 1957 Geborene reiht sich mit seinem künstlerischen Werk dezidiert in jene Strömung der deutschen Nachkriegskunst ein, die sich der Abkehr vom analytisch vorgehenden Geist verschrieben hat: Es ist die Kunst des Informel, der sich Steffens von Kind an verbunden fühlt und der er sich seit einigen Jahren mit stetig wachsender Aufmerksamkeit auch praktisch widmet.
 
Auslöser für die künstlerische Betätigung war eine Erkrankung, die solche starken Schmerzen mit sich brachte, daß dem Philosophen das Denken unmöglich wurde. Sprache als Medium der Kommunikation versagte angesichts des körperlichen Leidens; sie stand Steffens für den Ausdruck seiner selbst nicht länger zur Verfügung. Am eigenen Leibe wurde ihm das Cogito, ergo sum gleichsam ausgetrieben: die Descartsche Trennung von Körper und Geist war in diesem Moment uneinholbar aufgehoben; der Körper als Voraussetzung des hauptsächlich geistig erlebten Denkvorgangs überdeutlich ins Bewußtsein gebracht, indem er sich dem Denken versagte. So begann Steffens vor einigen Jahren zu malen, lässt seitdem Pinsel und Zeichenstifte intuitiv über überwiegend kleinformatige Bildträger fahren, um einen Gegenpol zu seiner bislang vorherrschenden Denkarbeit zu schaffen, die sich des Mittels der Sprache bedient. Bezeichnenderweise sind die kleinen Bildtafeln jedoch fast allesamt kaum größer als Bücher. So bleibt Steffens auch im malerischen Ausdruck sozusagen in seinem Element.
 
Das Remscheider Werkzeugmuseum zeigt noch bis zum 28. März in einer Ausstellung mit dem Titel

Foto © Hanieh Bozorgnia
„Gemalte Schriften – ungeschriebene Bilder“, wohin Andreas Steffens seine Kunst seitdem geführt hat. Chronologisch angeordnet, lassen sich die einzelnen bisher entstandenen Werkgruppen gemäß ihrer bildlichen Struktur voneinander unterscheiden. Im schmalen Gang, der zum Kabinett und damit zum zentralen Ausstellungsraum führt, sind rechts die ältesten Arbeiten ausgestellt – runde informelle Formierungen. Auf der gegenüberliegenden Wand sind Zeichnungen zu sehen, deren aufgebrochener Binnenstruktur die Form eines Andreas-Kreuzes zugrunde liegt. Diese greift Steffens auch in der Hängung auf, indem seine Arbeiten in einander kreuzenden Diagonalen angeordnet sind und so zusätzlich Spannung erzeugen. Überhaupt schafft Steffens in dieser Art eine lockere Ausstellungsstruktur, sodaß der Betrachter eingeladen ist, den Blick frei umherschweifen zu lassen und Beziehungen zu stiften – auch zu den in Vitrinen ausgestellten eigenen Texten und denen anderer Autoren, die für Steffens maßgeblich sind.
 
Im Kabinett schließlich öffnet sich das Feld hin zur Malerei, die es dem Künstler ermöglicht, das Spektrum seiner bildsprachlichen Ausdrucksmittel zu erweitern. Auf dunklem Bildgrund leuchten etwa strahlend gelbe Farbschlieren und erinnern an Kosmisches, Energiegeladenes. Handelt es sich um gemalte Geistesblitze? Gewissermaßen ja. Es sind solche Gedanken, die sich der Sprache verschließen und Andreas Steffens vom Schreiben zum Bilden drängen. Sie stehen allerdings nicht isoliert, sondern rühren von den Schwerpunkten seiner Beschäftigung mit historischen und geschichtsphilosophischen Themen her. Das Burgund und seine Kulturgeschichte im Mittelalter, auf die sich die Malerei bezieht, haben es ihm schon seit Jahren angetan. Im Medium der Farbe illustriert Steffens dabei keineswegs die eigenen Texte, sondern erschafft eine visuelle Poesie, die sich sprachlichen Mitteln versperrt und nur im Bild wirksam ist. In dieser offenen Wechselbeziehung stehen für ihn Bilder und Texte. Sie transportieren Bedeutungsebenen, die sich im jeweils anderen Medium zeigen. „Ein Bild ist ein ungeschriebener Text; ein Text ist ein ungemaltes Bild“, formuliert Steffens diese wechselseitige Befruchtung der unterschiedlichen Gattungen.
 

Andreas Steffens, o.T. - Foto © Hanieh Bozorgnia
Die große Werkgruppe der Skripturen, fragmentarische Kürzel auf hell-weißem Bildgrund, greift das zentrale Thema der Ausstellung explizit auf: das Verhältnis zwischen Bild und Text. „BildGedacht und SchriftGemalt“ heißt denn auch eine die Ausstellung begleitende Schrift von Andreas Steffens, die schon im Titel die klare Zuordnung von Denken und Schrift einerseits und Bildern und Malen andererseits aufhebt, ohne jedoch die gattungsspezifischen Unterschiede zwischen Bild und Schrift zu negieren. Malerei und Texten liegen die selben Gedanken und Bilder zugrunde: es ist „dasselbe in anderem Medium.“ Dennoch können die dunklen Markierungen im weiß schattierten Bildraum die Unzulänglichkeit der Schrift, Bedeutung festzuschreiben, eindringlicher zum Ausdruck bringen, als ein Text dies je vermöchte. Schließlich eröffnen sie in ihrer Eigenschaft, zugleich an Schrift zu erinnern wie unlesbar zu sein, ein unbegrenztes Feld an Bedeutungen, das durch Worte viel stärker eingegrenzt würde. Für Steffens trägt allerdings keine Gattung im Streit der Künste den Sieg davon. Es ergibt sich vielmehr ein neues Ganzes, das ebenso ästhetisch reizvoll wie intellektuell inspirierend ist. Sowohl Bild als auch Text fordern ihre Rezipienten gleichberechtigt zur „Auslegung“ auf, um den unendlichen Reichtum ihrer Bedeutungsebenen und Verweise zu entdecken. Dabei geht es Andreas Steffens nicht nur um das Netz der eigenen Gedanken. Auf welche Weise die gestischen Lineamente, die körperlosen Farbflecken und die schriftartigen Markierungen die Rezipienten ansprechen und zu welchen Imaginationen sie herausfordern, läßt er bewußt offen.
 

© 2010 Susanne Buckesfeld
 

Andreas Steffens: Gemalte Schriften – ungeschriebene Bilder. Malerei und Zeichnung.

Deutsches Werkzeugmuseum

Andreas Steffens - Foto © Hanieh Bozorgnia
Historisches Zentrum der Stadt Remscheid
Cleffstrasse 2-6 - 42855 Remscheid

Dauer der Ausstellung: noch bis zum 28.03.2010
Künstlergespräch am Samstag, 20. März 2010 von 15:00-16:45 Uhr

Tel. 0 21 91 – 16 – 25 19
Fax. 0 21 91 – 16 – 20 55
Öffnungszeiten: Di-Sa 9:00-13:00 Uhr, 14:00-17:00 Uhr, So 10:00-13:00 Uhr
www.werkzeugmuseum.org

Redaktion: Frank Becker