Bilder vom hohen Norden
Werke dänischer Expeditionsmaler 1876 – 1908 im Kopenhagener Nordatlantikhaus Die wissenschaftliche Erforschung des hohen Nordens fängt in Dänemark etwa im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an – und zwar auf eigenem Territorium, denn Grönland und Island sind damals noch dänische Kolonien. Besonders für Grönland gilt, daß auβer einem schmalen Küstenstreifen das
Die Photographie ist zwar schon erfunden, aber es gibt nur Schwarz-Weiβ-Abbildungen, und außerdem ist das Verfahren viel zu umständlich, um unter arktischen Bedingungen eingesetzt werden zu können. Jedoch ist die Wiedergabe von Farben und Farbnuancen gerade für die Analyse des Nordlichts besonders wichtig. Deshalb gehören den Expeditionen neben Fachleuten aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen auch Zeichner oder Maler an, die in der Lage sind, Landschaften darzustellen, Licht- und Farberscheinungen des Nordlichts festzuhalten, Eis- und Felsformationen, Flora und Fauna sowie Aussehen und Lebensweise der örtlichen Bevölkerung zu dokumentieren. Die Werke der Künstler dienen ausschlieβlich wissenschaftlichen Zwecken - so ihr klarer Auftrag - und deshalb landen die Bilder in ethnologischen, geologischen oder meteorologischen Sammlungen, wo sie der Wissenschaft zur Verfügung stehen - und mit der Zeit vergessen werden. Dem „Nordatlantikhaus“ („Noratlantens Brygge“) in Zusammenarbeit mit dem dänischen Arktischen Institut ist es zu danken, daß dieser vergessene Schatz jetzt gehoben ist und der Öffentlichkeit präsentiert wird. In der Ausstellung „Nordlicht – dänische Expeditionsmaler“ („Nordlys – danske Ekspeditionsmalere“) ist es nun möglich, die „rein wissenschaftlichen“ Bilder unter künstlerischen Aspekten zu würdigen. Die Expeditionsmaler
Andreas Kornerup (1857-1881), Geologiestudent, nimmt an drei Grönlandexpeditionen zwischen
Mehr als 300 Bilder malt Kornerup während der drei Expeditionen, eine beachtliche Leistung, und ihre Farben sind so frisch wie am Tage ihrer Entstehung; der Grund: Kornerups Werke werden seit fast 130 Jahren erstmals wieder ausgestellt.
Unter welchen Bedingungen die Maler häufig arbeiten müssen, beschreibt Achton Friis (1871-1939), Teilnehmer der „Großen Dänischen Expedition“ („Danmarks-Ekspeditionen“) nach Grönland in den Jahren 1906-1908: „… der scharfe Wind bewirkte, daß die Farben steif wurden, so daß wir ausschlieβlich den Spachtel anwenden mußten. Unsere Kleidung fror steif an unserem Körper und unser Bart fror am Halstuch fest, so daß wir den Kopf nicht mehr bewegen konnten.“ Daß unter diesen Voraussetzungen die herrlichsten Bilder von Eisformationen entstehen, ist bewundernswert und eigentlich kaum zu glauben. Friis’ Kollege Aage Bertelsen (1873-1945), ebenfalls Teilnehmer dieser Expedition, hatte sich auf die harten Arbeitsbedingungen vorbereitet: sein kleiner Malkasten enthält alle notwendigen Utensilien sowie vorher zurechtgeschnittene Leinwandstücke, die mit Reißzwecken schnell an die Innenseite des Deckels geheftet werden können, und schon ist die Staffelei fertig. Der Malkasten mit vorbereiteter Leinwand im Format 15 X 22 cm ist erhalten geblieben und in der Ausstellung anzuschauen. Die kleinen im grönländischen Eis entstanden Ölbilder hängen neben den nach der Heimkehr im Atelier angefertigten perfektionierten großformatigen Ausführungen, z.T. mit ergänzter Vordergrundszenerie; der Charme des Ursprünglichen ging dabei jedoch ein wenig verloren.
Das Nordatlantikhaus („Nordatlantens Brygge“)
Gegenüber von „Nyhavn“ und dem neuen Schauspielhaus liegt auf der anderen Seite des Hafens ein Speicher, gebaut 1767, am früheren Grönlandkai. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts liefen von hier die Schiffe nach Island, Grönland und den Färöern aus und kehrten mit Fässern voll Tran, mit Seehundfellen und anderen arktischen Handelswaren wieder hierher zurück. Die Waren wurden im Packhaus gelagert bis sie auf Auktionen Abnehmer fanden. Von hier aus brachen auch die
Eine der alten Speicheretagen, Wände, Ständer und Balken sind nur weiß übertüncht, dient als Ausstellungsraum, und hier sind die Bilder der dänischen Expeditionsmaler anzuschauen. Einen stimmigeren Ort für diese Werke kann man sich kaum vorstellen. Es ist eine kleine chronologisch geordnete Ausstellung, aber sie zeigt Außergewöhnliches, denn die Bilder können den Betrachter, läßt er sich nur ein wenig darauf ein, verzaubern und im Geiste zu den Eisbergen Grönlands und dem Nordlicht Islands entführen.
Zitate aus Erinnerungen und Tagebüchern machen die Arbeitsbedingungen anschaulich - wenn man dänisch versteht. Für Nicht-Skandinavier stehen zwar Faltblätter auf Englisch zur Verfügung, aber kurze englischsprachige Erläuterungen zu den Bildern wären hilfreich. Dennoch, die Ausstellung ist sehenswert, auch für deutsche Touristen, zumal ihr Besuch mit einem Spaziergang durch den eher abseits der touristischen Pfade gelegenen Teil Kopenhagens verbunden werden kann: es lohnt sich, an den vielen engen Kanälen entlang durch Christianshavn zu schlendern, zur neuen Oper zu wandern, den Blick übers Wasser auf das neue Schauspielhaus und die Kopenhagener Altstadt mit Nyhavn zu genießen und mit dem „Hafenbus“ („Havnebus = Fähren im Linienverkehr) zur Königlichen Bibliothek hinüber zu schippern.
Die Ausstellung „Nordlys – danske Ekspeditionsmalere“ ist noch bis 27. Juni 2010 in „Noratlantens Brygge“ zu sehen.
Öffnungszeiten: Montag - Freitag: 10-17
Samstag-Sonntag: 12-17 Eintritt: Erwachsene: 40 kr. - Pensionäre: 30 kr. - Studenten und Jugendliche bis 18: 20 kr.
Kinder unter 12: gratis
Weitere Informationen: www.bryggen.dk
© 2010 Friederike Hagemeyer Redaktion: Frank Becker |