Händels Agrippina in Erfurt

Michael Hampe inszeniert barocken Hochgenuß

von Alexander Hauer
Händels Agrippina
in Erfurt
 

S
ie stammte aus Köln, machte in Rom Karriere und starb durch die Hand ihres Sohnes. Daß das dramma per musica in tre atti dann doch zu einer Buffo-Oper geriet, lag unter anderen am genialen Libretto von Vicenzo Grimani. Im Dienste Josef I. stehend schrieb er mit der Agrippina eine Satire auf den päpstlichen Hof Clemens IX. Der Protestant Händel schuf im Auftrag des Kardinals Grimani die Agrippina für die Weihnachtspremiere 1709 am Teatro di S. Giovanni Grisotomo in Venedig. Eine Handlung, die im intriganten alten Rom spielt und im intriganten Barock geschrieben wurde: was liegt da näher, als sie in der ebenso intriganten Zeit des Wiener Kongresses anzusiedeln.
 
Trotz Erkrankungen auf hohem Niveau
 
Michael Hampe produzierte wieder mal seine Agrippina. Hank Irvin Kittel gestaltete seine Ausstattung

© Lutz Edelhoff
klassizistisch, wie die Vorgabe von Mauro Pagano es verlangte. Hampe drillte seine Sänger auf barocken Gestus und lieferte Perfektion bis in die Fingerspitzen. In den bewährten Händen von Samuel Bächli lag die musikalische Leitung. Das Philharmonische Orchester Erfurt ertönte im Händelschem Wohlklang, die Sänger, trotz Erkrankungen, auf gewohnt hohem Niveau. Mireille Lebel überzeugte als Ottone, ihre Kollegin Julia Neumann spielte eine sinnliche Poppea. Neumanns Arien wurden, bedingt durch ihre Erkrankung, von Rebekah Rota (Theater Neubrandenburg) aus dem Graben gesungen, während sie selbst die Rezitative sang.
 
Leichtfüßige Oper
 
Máté Sólyan-Nagy verlieh dem Diener Lesbus Charakter und baritonalen Wohlklang. Florian Götz und Marvan Shamiyeh gaben den beiden Höflingen Pallas und Narziss komische Züge, aber auch hinterhältige Gerissenheit. Albert Pesendorf sang einen baßsicheren Claudius. Er spielte den alternden Stelzbock, dessen Johannistrieb die Führung übernommen hatte. Peter Schöne, schon als Orfeo sensationell, sang den jugendlichen Nero, dessen spätere Dämonie schon zu spüren war. „Dat kölsche Mädschen“ gab Marisca Mulder. Was läßt sich da noch sagen außer: stupend. Hampe nimmt Text und Musik ernst, produziert eine leichtfüßige Oper. Seine Figuren sind perfekt inszeniert, geraten nie ins Lächerliche und bleiben immer menschlich. Besonders der Kampf zwischen den beiden intriganten Weibsbildern Agrippina und Poppea und die Darstellung des Dieners Lesbus gelingen ihm aufs Beste.
 
Barocker Hochgenuß
 
Die Oper Erfurt brachte Agrippina in einer deutschen Übersetzung von Berthold Warnecke und Samuel Bächli auf die Bühne. Der Dramaturg und der Dirigent schufen so eine sprachliche moderne Fassung, die sich der Musik anpaßte. Das gesamte Ensemble sang so präzise und deutlich, daß sich die Frage nach Übertiteln erübrigte. Nach knapp drei Stunden endete der Abend unter tosendem Applaus. Nach dem Monteverdi Orfeo stellte Agrippina nun hoffentlich die Weichen für weitere barocke Hochgenüsse in Thüringen.


© Lutz Edelhoff
 
Fotos von Lutz Edelhoff

Weitere Informationen unter: www.theater-erfurt.de