Der Smaragd

Ein Besuch im neu gestalteten Zürcher Rietberg-Museum

von Jörg Aufenanger

Jörg Aufenanger

Rietberg – Museum



Per Bürgerentscheid bestimmte die Stadt Zürich 1949 die Villa Wesendonck zum Museum, das die Sammlung außereuropäischer Kunst des aus Wuppertal stammenden Baron Eduard von der Heydt aufnehmen sollte. Kurz zuvor hatte die Schweizer Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit gegen den Baron, der sowohl NSDAP-Mitglied als auch Devisen- und Goldbeschaffer für das deutsche Reich war, eingestellt. Seine Sammlung asiatischer und afrikanischer Kunst bildet noch heute den Grundstock des Rietberg Museums.


Foto © Rietberg Museum

Knapp hundert Jahre zuvor ließ der aus Elberfeld im Wuppertal stammende Kaufmann Otto Wesendonck über dem Zürcher See eine Pracht-Villa erbauen, das heutige Museum. Dort lebte er mit seiner Frau Mathilde,  ebenfalls aus Elberfeld. Richard Wagner, der im Zürcher Exil ausharren mußte, bezog 1857 ein auf dem Anwesen befindliches zweites Haus, nannte es „Asyl“. Hier kam es nicht nur zu der legendären Liebe zwischen ihm und Mathilde Wesendonck, Wagner komponierte neben den Wesendonckliedern zu fünf Gedichten der Hausherrin, die „Walküre“ und die ersten Akte der Oper „Tristan und Isolde“.

Nun hat das Rietberg-Museum einen Anbau erhalten, um seine immense Sammlung zeigen zu können. Er fügt sich wie ein Wunder in den geläufigen Park der Wesendoncks ein, sieht man doch von ihm nichts außer einem Entree aus Glas in grünlichem Licht. „Baldachine von Smaragd“ nennt der Architekt es und bezieht sich dabei auf eine Zeile des Gedichts „Im Treibhaus“, das Mathilde hier verfasst und Hausfreund Wagner vertont hat.     


Foto © Willi Kracher
                 

Das schmeichelnde Licht eines Onyxhimmels empfängt den Besucher im Foyer. Steigt der eine Holztreppe hinab, wird er von Lichtleisten durch die Ausstellungsräume des Hauses geführt, findet im ersten Untergeschoß zuerst afrikanische Kunst, dann die aus asiatischen Ländern. Wer weiter hinunter steigt, meint auf eine Piazza zu gelangen, denn ein einziger großer lichtheller Raum von fünf Meter unterirdischer Höhe ist für die Wechselausstellungen reserviert. Buddha an Buddha reiht sich hier aneinander: lachende, nachdenkliche, schlafende, hilfsbereite, sie breiten unzählige Arme aus. „Kannon – Göttliches Mitgefühl“ nennt sich die Ausstellung früher japanischer Holz- und Bronze Skulpturen und Bildern auf Seide. Kannon Bosatsus verkörpert das göttliche Mitgefühl, Kannon ist der, der die Töne der Welt wahrnimmt. Ruft einer um Hilfe, ist er schon da, hat daher oft auch 1000 Arme und bis zu elf Köpfe. Auf einem der unzähligen Arme des Senju Kannon hat schon ein Mensch in Not Platz genommen, während der Nyoirin – Kannon auf Seide sich noch in heiterem Halbschlaf befindet.


Foto © Heinrich Helfenstein
Wie der Zufall es fügt, so haben sich damals Richard Wagner und Mathilde Wesendonck auch mit buddhistischer Philosophie und Literatur beschäftigt, was in seinem Werk keinen direkt erkennbaren Einfluß gehabt hat, doch sie hat mehrere von buddhistischen Gedanken geprägte Gedichte verfasst.

 Eine Seitentreppe führt vom Neubau zur Villa Wesendonck, dem damaligen Domizil, das Wagner, nachdem es zum Skandal gekommen war, nach gut einem Jahr wieder verlassen hatte, und das die Familie bis 1870 bewohnte, bevor sie es an eine Familie Rieter verkaufte. Daher der heutige Name Rietberg.

In der Villa selbst ist die ozeanische, altamerikanische und die indische Kunst präsentiert, so ein komplettes Palmblattmanuskript erotischer Kunst und Literatur. Nicht versäumen sollte man die umfangreiche Sammlung  von Masken aus aller Welt, aus Java, Kamerun, Liberia oder Sri Lanka.

Doch schon das Herumstreifen im Park der Villa Wesendonck ist ein Erlebnis, denn der Genius des Ortes ist nicht verflogen. Die Tatsache, dass man den Anbau des Museums so behutsam unter die Erde gebaut hat, stört eben den Blick nicht, und besonders im Dunkeln leuchtet der smaragdfarbene Baldachin besonders schön und wer es kennt, hat das Lied „Im Treibhaus“ sofort im Ohr.

© Jörg Aufenanger  - Erstdruck in den Musenblättern 2007

Redaktion: Frank Becker