Wehe, wenn er losgelassen

"Der lustige Witwer" im Essener Theater im Rathaus

von Frank Becker
Der lustige Witwer

Komödie von Simon Moss


Regie: Wolfgang Spier - Ausstattung: Horst Neumann - Besetzung: Wolfgang Spier (Thomas Madison) - Mathias Kopetzki (Richard Madison) - Astrid Straßburger (Harriet Madison) - Leena Fahje (Elaine Baker) - Uta Krüger (Sharon Duckworth) - Marion Reck (Doris Duckworth)

Wehe, wenn er losgelassen

Es beginnt mit einem bigotten Nachruf auf die verewigte Agnes Madison, die offenbar zu Lebzeiten der Fluch aller Lust gewesen ist. 30 entbehrungsreiche Jahre hat es ihr Gatte Thomas (unnachahmlich Wolfgang Spier) bei ihr in Winkle Bay ausgehalten, jetzt hält ihn nichts mehr - auf nach London! Auf ins Leben! Daß er mittlerweile recht bejahrt ist, stört den alten Knaben keineswegs. Er stürzt sich mit Charme, gepumptem Geld und Champagner auf die holde Weiblichkeit, dieweil er sich bei seinem Sohn Richard (Mathias Kopetzki) und dessen Frau (Astrid Straßburger) unwillkommen einquartiert.

Simon Moss hat die kleine, leichte Komödie geschrieben, die Wolfgang Spier für eine deutsche Erstaufführung ausgegraben und inszeniert hat. Boulevard im besten und harmlosesten Sinn und für den Altmeister des Genres eigentlich nicht mehr als eine maßgeschneiderte Fingerübung, bei der ihm ein liebenswertes Ensemble zur Seite steht. Allen routiniert humorvoll und von bewundernswerter Eleganz voran (wer sonst) als lüsterner alter Herr der Mann, dessen Name für Jahrzehnte besten Boulevards in ganz Deutschland steht. In seinem 90. Lebensjahr ist er so erfrischend heiter und witzig, wie er dem Theaterpublikum von Baden-Baden bis Berlin, von Düsseldorf bis München bekannt ist. 
Auch Mathias Kopetzki als stress- und vatergeplagtem Sohn und Astrid Straßburger als genervter Schwiegertochter passen die Rollen wie angegossen. Fehlen nur noch eine Femme fatale mit einem Schuß Erotik (sehr dezent: Leena Fahje als geldgeile Liebesdienerin), ein bebrilltes häßliches Entlein, das zum Schwan wird (Uta Krüger als Bibliothekarin mit Potential), einige Flaschen algerischer Champagner, das übliche Tür-auf-Tür-zu-Durcheinander und ein paar spritzige Pointen wie: "Faß hier nichts an! - Meine Hände sind sauber! - Aber deine Gedanken sind schmutzig!".

Uta Krüger, Wolfgang Spier


Die Inszenierung hat Tempo, läßt keine Langeweile aufkommen und verlangt vom Publikum nichts als ein fröhliches Gemüt und den Wunsch unterhalten zu werden. Wolfgang Spier ist ein Phänomen des Theaters, ein letzter Saurier des hochwertigen Boulevard, der wohl auch noch mit 100 Jahren auf der Bühne bewundert werden wird. Happy End? Na klar, auf allen Ebenen so wie es sich gehört - und mit Pointe. Ein konfliktfreier, heiterer Abend, den man sich nach Tages Müh und Last ruhig mal gönnen kann. Im Theater im Rathaus Essen noch bis zum 10. Juni.

Weitere Informationen unter:
www.theater-im-rathaus.de