Das warme Bad

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Das warme Bad


Also ich habe schon gern ein warmes Bad. Nicht nur das Wasser, sondern das ganze Badezimmer muß mor­gens, wenn ich es betrete, warm sein. Schön gemütlich warm, so daß man aus dem Badezimmer gar nicht mehr rausmöchte. Aber das geht nicht, denn draußen wartet ja der rohe Alltag. Aber zunächst kann man sich im Bad noch ein ruhiges gütiges halbes Stündchen gönnen. Vorausgesetzt, es ist schön warm. Ich mußte es noch mal sagen, denn ich führe schon seit Jahren einen Feld­zug gegen meine Frau. Einen Feldzug für die Wärme, gegen die Kälte. Das geht bei mir nämlich so weit, daß ich dem alten Spruch huldige: Lieber warmer Mief als kalter Ozon. Das oder ähnliches sollen früher die Landsknechte vor sich hingesungen haben. Übrigens meine Frau ist auch für ein warmes Badezimmer. Er­staunlich. Denn andererseits ist sie für ein eisigkaltes Schlafzimmer. Sie meint, daß die Körper- und Bett­wärme ausreiche und das Zimmer schon aus medizini­schen Gründen schön kalt und nicht schön warm, ge­schweige denn lecker warm, sein dürfe. Und bei mir muß alles immer lecker warm sein. Vielleicht frieren wir Männer schneller als die Frauen. Ich weiß es nicht. Aber das passiert mir oft, daß ich abends im Freien sitze und friere, obwohl ich einen dicken Pullover anhabe, und meine Frau hat was Leichtes an und friert nicht. Aber machmal hat sie sich, sagt sie dann, völlig falsch angezogen. Auch im Urlaub. Ich nehme immer von allem ein bißchen mit. Man kann heutzutage ja nicht wissen, manchmal steht doch alles auf dem Kopf. Selbst am Mittelmeer ist es abends frisch, und dann sagt sie immer: „Was du wieder alles anhast.“ Und nach zwei Stunden friert sie. Ich friere meistens am Hals, aber ich komme abends mit einem guten Woll­schal schon aus. Wenn der Hals warm ist, ist bei mir alles warm. Tenöre haben auch immer so einen Schal um. Nein, meine Frau ist manchmal richtig leichtsin­nig, fährt nach Italien und meint, da würde immer die Sonne scheinen. Aber jetzt haben wir uns schon umge­stellt. Wir nehmen nur noch das Allernötigste mit. Was Warmes und was Kaltes, so daß in Zukunft nix mehr passieren kann. Höchstens mal ne kalte Nase oder kalte Füße. Aber das ist dann der Kreislauf. Und der Kreislauf ist nun mal nicht wegzukriegen. Ich kann zwei Pull­over anziehen und drei blaue Jeans übereinander. Kreis­lauf bleibt Kreislauf. Aber damit ist das kalte Schlaf­zimmer immer noch nicht aus der Welt geschafft. Da muß ich dann auf die klappernden Zähne beißen, wenn ich aus dem lecker warmen Bett durch das kalte Schlaf­zimmer über den kalten Flur in das Gott sei Dank lecker warme Bad springe. Aber das Badezimmer muß in der Wand oder in der Decke irgendwo einen Riß oder einen Sprung haben. Es kann noch so warm sein: Wenn ich unter der Dusche stehe, kommt immer ein leichter kalter Zug von oben. Aber oben ist nix zu sehen. Viel­leicht hat meine Frau in der Decke unsichtbar einen Ventilator eingebaut. Das sähe ihr ziemlich ähnlich.



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung