Der Mönch

Eine Satire

von Karl Otto Mühl

 Karl Otto Mühl - Foto © Frank Becker

Der Mönch


Euer Eminenz,

ich erlaube mir, Ihnen eine Bitte zu unterbreiten, die mich gleichzeitig in Gefahr bringt, von Euer Eminenz als nicht zurechnungsfähig betrachtet zu werden, was natürlich wiederum die Erfüllung meiner Bitte verunmöglichen würde. Darum zögere ich ernsthaft, Ihnen das mitzuteilen, was allein Sie bewegen könnte, meine Bitte zu erfüllen.

Ich wage es nicht zu sagen. Täte ich es, so müßte ich gleichzeitig erwähnen, daß meine diesbezügliche Bitte bereits an einem ziemlich verfallenen Zisterzienserkloster durch eine Augustiner-Cellitin abgelehnt wurde. Ohne jetzt schon die volle Wahrheit zu enthüllen, will ich soviel sagen, daß es sich um meine Bitte um Unterbringung in ebendemselben Kloster - nicht etwa bereits vollgültige Aufnahme - gehandelt hat. Allerdings habe ich bei meiner Bitte - ich wurde am Klostereingang empfangen und abgefer­tigt - auch die Gründe für mein Ansinnen genannt, was sich als Hinderungsgrund für meine Unterbringung erwiesen hat, neben der Tatsache, daß ich männlichen Geschlechts bin.

Inzwischen ist meine Situation jedoch so unhaltbar gewor­den (auch wegen meiner Frau, ohne daß ich hier auf Einzelheiten eingehen möchte), daß ich erneut einen Versuch unternehmen muß. Sollten Eure Eminenz mir die Aufnahme in ein Kloster verweigern, sehe ich als Alternative nur die Annahme eines Angebots für eine Anstellung als Kassierer auf einer Rheinfähre bei Unterbringung in einem bescheidenen Zimmer in einem Dreifamilienhaus hinter dem Deich in Beuel bei Bonn. Hauptsache allein.
Zwar müßte ich dann meine Familie verlassen, aber dies ist ohnehin meine Absicht, da ich nicht weiß, wie ich in diese hineingeraten bin. Ich bin mit einer einfachen, rothaarigen Frau verheiratet, die mich spät abends noch beim Lesen stört. Ich bleibe meist in der Küche auf und lese geistliche Schriften, habe mir auch Bücher über die Ordensgeschichte besorgt, und höre dann in regelmäßigen Abständen ihre Stimme aus dem Schlafzimmer: Komm ins Bett!
Ich weiß nicht, wie ich das, ohne unhöflich zu sein, noch lange zurückweisen kann.

Ich möchte zurück ins Kloster auch aus einem anderen Grunde: Irgendwie verwirrt mich die ganze Welt um mich herum sehr. Ich meine, so sei es früher nicht gewesen. Wenn ich früher sage, so meine ich damit eher gestern. Das klingt kompliziert, und ich meine, ich sollte darüber nicht sprechen, zumal ich da selbst einiges nicht verstehe.
Vieles ist auch unverändert, um es einmal so auszudrücken. Es gibt Reiche und Arme, obwohl eigentlich alle reich aussehen. Die Reichen legen Wert darauf, daß diese Einteilung erhalten bleibt. Wie in früherer Zeit werden daher nur ausgesprochene und gekennzeichnete Dorfarme zugelassen, und für diese Regelung setzt sich besonders ein Herr Westerwelle ein.
Relativ gut geht es neben den Reichen noch denen, die Provisionen, Gebührensätze, Regelsätze und Tarife haben. Da gibt es Verbesserungen gegenüber den alten Zeiten. Ich erinnere mich, daß die Bader und Feldschere früher ein kargeres Auskommen hatten als ich es jetzt sehe.
Während ich diesen Brief schreibe, ruft meine Frau schon wieder aus dem Schlafzimmer. Ich habe ihr schon gesagt, daß ich wenig Schlaf benötige. Vergeblich. Ich weiß nicht, was sie will.
Dies alles macht mir Angst. Vielleicht wäre mir schon geholfen, wenn Euer Eminenz mich einmal persönlich anhören würden.

Eigentlich habe ich nur den einen Wunsch, wieder einmal auf meiner geliebten Bank hinter dem Strauch zu sitzen und den Rosenkranz zu beten, in Heisterbach...

Ihr im Herrn ergebener
Basilius Pötter-Heisterbach


© Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007