Ein Abstecher in die sächsische Kunst-Provinz

Besuch im Tetzner – Museum in Gersdorf bei Hohenstein-Ernstthal

von Jürgen Koller - mit Fotos von Margot Koller

Heinz Tetzner - Foto © Margot Koller

Ein Abstecher in die sächsische Kunst-Provinz


Besuch im  Tetzner – Museum in Gersdorf bei Hohenstein-Ernstthal



Eine Kunst-Reise nach  Sachsen hat fast immer  den Glanz  des barocken Dresdens als Ziel – die Brühlsche Terrasse als „Balkon Europas“, den Zwinger, die Semper-Oper und Semper-Galerie, die in alter Pracht wiedererbaute Frauenkirche, die Kunstakademie,  die Schlösser Pillnitz oder  Moritzburg und vieles andere.

Und dabei gibt es gerade in der Provinz des Freistaates Sachsen eine Fülle sehenswerter kleinerer Kunststätten und Musentempel. Hier soll auf ein kunstmuseales Kleinod verwiesen werden, das noch in den wenigsten Reiseführern des Sachsenlandes vertreten ist: Das „Tetzner-Museum“ in Gersdorf bei Hohenstein-Ernstthal.
Die 5.000 Seelen-Gemeinde Gersdorf liegt auf halbem  Wege zwischen Zwickau und Chemnitz an der Bundesstraße 173 oder kaum 10 Autominuten von der Abfahrt Hohenstein-Ernstthal der BAB 4.

Gersdorf, ein typisches Waldhufendorf des Erzgebirgsvorlandes, zieht sich über fünf Kilometer an


Museumshof - Foto © Monika Zscheppank
einem Dorfbach entlang. Das Dorf war früher bäuerlich ausgerichtet, später dann gab es die für diese Gegend bekannten Handschuh- und Strumpffabriken, aber auch kleinere Gewerbebetriebe. Nach der Wende 1989/90 sind fast alle kaputt gegangen. Um neue Firmenansiedlungen wird noch immer gekämpft.

Ein Aushängeschild ist heute die Glück-Auf-Brauerei, ein reprivatisiertes Unternehmen, dessen Bier weit über die Region hinaus beliebt ist. Der Name verweist auf den ehemaligen Steinkohle-Bergbau im Lugau-Oelsnitzer Revier, Nachbarstädte der Gemeinde Gersdorf.

Ganz in der Nähe des bescheidenen „Dorfkerns“ mit Rathaus, einer Kirche aus dem späten 19. Jahrhundert, einem prächtigen Schulgebäude der Jahre vor dem 1. Weltkrieg, einem Jugendzentrum und einer Dorfbibliothek lebt und arbeitet im großväterlichen Bergarbeiter-Häuschen der 87-jährige Maler und Grafiker Heinz Tetzner.

Der Künstler hat in den langen Jahren der Pressionen, der Anfeindungen und Schmähungen als „dekadenter Bildermaler“ während der sozialistischen Kunstdiktatur aus tiefer christlicher Gesinnung


Selbstbildnis, Öl WVZ 1958-0004 © Heinz Tetzner
sein malerisches und grafisches Werk ausgeformt und seinen an der Tradition des deutschen Expressionismus geschulten Stil unbeirrt beibehalten. Die Bewahrung des Menschseins ist eine von Tetzners Grundaussagen und Grundüberzeugungen. So vermeidet er alles, was das Bild der Schöpfung und der Natur beschädigen könnte. Seine von Zivilisation unberührten Landschaften leben aus den Brüchen vom Werden und Vergehen, seine Bildnisse zeigen Menschen oftmals in ihrer Hilflosigkeit, ihrem Zurückgezogensein und ihrer Resignation. Und immer wieder Selbstbefragungen des Künstlers, wo das „Pathos der Hoffnung die Starrheit des Trotzes“ annimmt.

Gleichwertig neben seiner farbstarken Bildnis- und Landschafts-Malerei und seiner heiteren Aquarellkunst hat Tetzner sein umfangreiches Lithografie- und Holzschnittwerk geschaffen. Gerade in seinen hart-flächigen Schwarz-Weiß-Holzschnitten ist die Traditionslinie zur „Dresdner Brücke“ zu finden, besonders zu Karl Schmidt-Rottluff, den er übrigens gut gekannt hat.

Nach der Vereinigung Deutschlands wuchs bei den Kunstsammlungen und Galerien die Neugier auf diesen sächsischen Altmeister des expressiven Realismus. Tetzner konnte sein Werk nun erstmals in größerem Umfang in den alten Bundesländern, aber auch in Österreich, Frankreich und in den USA präsentieren. Werke von ihm finden sich u.a. in der Berliner Nationalgalerie,  in Dresden (Galerie Neue Meister und Kupferstich-Kabinett), in Chemnitz, Leipzig, Moskau, Weimar, Zwickau, aber auch im kleinen rheinischen Langenfeld. Für die Expressionisten-Sammlung  seines „Museums der Phantasie“ kaufte  Lothar Günther Buchheim ein Konvolut der expressiven Holzschnitte Tetzners an.


© Heinz Tetzner

Nach der Wende erfuhr Tetzner von seiner Gemeinde, vom Land Sachsen, aber auch von der Bundesrepublik höchste Würdigungen – die erste Ehrenbürgerschaft von Gersdorf, den Kunstpreis des Freistaates Sachsen und das Bundesverdienstkreuz.

Es dürfte jedoch zu den Ausnahmen zählen, dass einem Künstler noch zu Lebzeiten ein eigenes Museum eingerichtet wird. Glückliche Umstände fügten sich zusammen – ein kunstinteressierter Bürgermeister, von Beruf Architekt, eine  ausbaufähige, ehemalige  Wassermühle im Ortskern (ein sog. Vier-Seit-Hof), dazu ein guter Draht zur oberen Denkmalsbehörde in der Landeshauptstadt Dresden. Und so flossen Fördermittel aus der sächsischen „Dorfkern-Sanierung“ in das kleine Gersdorf. Deshalb war es für Heinz Tetzner Herausforderung und Ehre zugleich, die besten seiner Bilder und Blätter auch über seinen Tod hinaus als Dauerleihgaben diesem „Tetzner-Museum“ zu überlassen.

Gegen alle „Reichsbedenkenträger“ in der Dorfbevölkerung, im Gemeinderat und bei manchen Behördenvertretern konnte dieses für eine arme Ost-Gemeinde beachtliche Vorhaben schrittweise realisiert werden. Die Einweihung erfolgte dann im Sommer 2001 mit breiter öffentlicher Resonanz.

Der Besuch des Tetzner-Museums ist ein „Fest fürs Auge“ – zum einen, weil im  Gebäude die alten 


Tetzner-Museum Inferno Foto © Monika Zscheppank
Gemäuer und Balken als gestalterische Elemente aufgenommen wurden und zum anderen natürlich wegen der Präsentation der kraftvollen Werke Tetzners.

In der Etage der Malerei – der Raum ist teilweise nach oben bis unter den Dachfirst offen – werden Bilder von den späten 40er Jahren (Tetzner studierte von 1946 – 1950 an der damaligen Hochschule für Architektur und Bildende Kunst in Weimar)  bis zur Gegenwart gezeigt. Ein weiterer Raum ist der Aquarellkunst vorbehalten und die druckgrafischen Werke sind im Dachgeschoss untergebracht.

Ein umtriebiger Förderverein Tetzner-Museum e.V. betreut die wechselnden Ausstellungen, unterstützt aber auch den hoch betagten Künstler bei temporären Präsentationen in der Bundesrepublik.

Für das Tetzner-Museum in Gersdorf/Sachsen stehen  die Gemeindeverwaltung (Tel. 037203/ 9190) oder der Förderverein mit der Vorsitzenden Monika Zscheppank, Tel. 037203 / 4533 oder E-Mail: zscheppank@tetzner-galerie.de  als Ansprechpartner betreffs Öffnungszeiten oder ggf. Führungen zur Verfügung.

Es lohnt sich also für  Kunstfreunde, bei einer Reise nach Dresden mal eben schnell von der Autobahn  bei Hohenstein-Ernstthal abzufahren und dem Tetzner-Museum in Gersdorf einen Besuch abzustatten, denn  auch die sächsische Provinz hat  Kunst-Spektakuläres zu bieten.

 


Weitere Informationen unter:
www.verschollene-generation.de

www.gemeinde-gersdorf.de
www.heinz-tetzner.de

© Jürgen Koller - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007 
Fotos © Margot Koller 
Tetzner-Werke © Heinz Tetzner, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Redaktion: Frank Becker