Blasmusik

Eine Warnung

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek / Archiv Musenblätter
Blasmusik

Sagen Sie mal, sind Sie auch für Blasmusik? Diese Ansammlung von Blechbläsern auf Plätzen oder in Festzelten. Wo man immer einen gewaltigen Schrecken kriegt, wenn die anfangen zu spielen. Man steht ganz ahnungslos auf der Stelle und sieht sich grad ganz interessiert ein Reiterstandbild an. Irgendeins, wo das  Pferd sein Vorderbein in der Luft hat. Da legt auf einmal aus dem Hinterhalt eine Blaskapelle los, daß einem das Trommelfell abhanden kommt, und man meint, das Pferd geht auf und davon. Und alles ohne Vorwarnung! Gut für den, der Spaß dran hat, und von denen gibt es, glaube ich, eine ganze Menge, die Dunkelziffer mal gar nicht mitgerechnet. Ich habe nix dagegen, warum nicht. Aber daß das immer so laut sein muß! Im Zelt ja auch. Kaum, daß man sitzt und sich ein bißchen ausruhen und unterhalten will, geht doch der Krach schon los. Und die Bläser machen einem alles kaputt. Gut, das soll ja alles Volksgut oder Brauchtum sein. Die Volksmusik steht momentan sowieso hoch im Brauchtum. Und ein richtiges uraltes Volkslied, wenn es leise gesungen wird, kann ja sehr schön sein. Aber alles zu seiner Zeit, sage ich immer. Steht schon in der Bibel. Und alles an seinem Ort, wo es hingehört. Da wir grad von der Musik sprechen: Ich hab neulich von Alphörnern in der Karibik gelesen. Ich meine, daß unsereiner heutzutage überall berieselt wird, damit hat man sich schon längst abgefunden. Auf dem Klo, im Aufzug, im Chinarestaurant, im Flugzeug - überall läuft einem doch irgendso eine Industriemusik vom Band den Rücken runter. Du kriegst keine Ruhe. Aber Alphörner in der Karibik. Das ist die Krönung der Kreuzungen. Apropos - Kreuzungen! Das ist alles auf einer Kreuzfahrt passiert. Es hatte da ein Ehepaar eine zweiwöchige Kreuzfahrt zu den »Perlen der Karibik« gebucht. - Wenn ich das schon höre: »Perlen der Karibik«! Da krieg ich schon die Gelbsucht. - Nun waren fünfhundert der insgesamt sechshundert Passagiere auf dem Kreuzfahrtschiff Mitglieder des Schweizer Vereins für Volksmusikfreunde. Ich muß gleich dazu sagen, mir  ist das nicht passiert. Da wäre ich lieber gleich ins Wasser gesprungen. Es gab nämlich an Stelle der logischerweise erwarteten lateinamerikanischen Musik fast ausschließlich Ländlerkapellen, zum Beispiel das »Schwyzer Örgelsquartett Ländlerbübe«. Und Trachtentanzgruppen gab es und dann wieder Ländlerkapellen wie »Das Echo von Tödi« oder »Die Dorfspatzen Oberägi« und dann noch das »Jodeler-Duett Lisbeth Sidler und Fritz Arnet«. Spätestens da wäre ich nur noch seekrank gewesen. Und auch ein lateinamerikanisches Mitternachtsbuffet wurde von Alphornbläsern und Blaskapellen untermalt. Da können Sie mal sehen, auch die Schweizer können nicht von ihrem Heimat- land lassen. Genau wie wir! Die Schweizer nehmen ihre Trachtenkapellen mit in die Karibik, und wir Dosenbier und Sauerkraut! Das frustrierte Ehepaar hat später ein Drittel der Reisekosten zurückbekommen. Also aufgepaßt! Wenn Sie mal eine Kreuzfahrt in die Arktis machen, und es sind keine Pinguine an Bord, dann wissen Sie Bescheid.




© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung