Die Unsterblichkeit der Sterne

Von Goya über Walter Benjamin zu Václav Havel - Eine Ausstellung im Museum Baden

von Johannes Vesper
Die Unsterblichkeit der Sterne
 
Von Goya über Walter Benjamin zu Václav Havel
 
Eine Ausstellung im Museum der verfolgten Künste
Museum Baden: 02.10.-05.12.10
 
Mit seinen Radierungen „Desastres de la Guerra“ stellte Goya nicht nur die Grauen des napoleonischen Krieges dar. Er selbst nannte seine Blätter „Traurige Vorahnungen dessen, was geschehen wird“ und zwar - wie wir heute wissen - nicht nur im napoleonisch besetzten Spanien Anfang des 19. Jahrhunderts. Die grauenhaften Katastrophen des 20. Jahrhunderts werden in diesen Blättern vorweg genommen. Sie können - lange vor der Erfindung der Fotografie - als eine Vorform des Bildjournalismus, der Kriegsreportage angesehen werden. Mit diesen Blättern ist Goya, obwohl spanischer Hofmaler, sozusagen der Ursprung, der Beginn der Ausstellung im Museum Baden. Heutige Künstler reflektieren die Blätter Goyas, interpretieren und ergänzen sie aus aktueller Sicht. Die Aktualität der Bilder von Yonbo Zhao („der große Blutsauger“) aus China scheint einleuchtend. Und als Beispiele für Unterdrückung durch totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts werden die Lebensläufe Walter Benjamins und Václav Havels nachgezeichnet.
 
In Erinnerung an den 70. Todestag Walter Benjamins, dem bei seiner zunächst gelungenen Flucht

Walter Benjamins rekonstruierte Bibliothek - Foto © Johannes Vesper
über die Pyrenäen das Ausreisevisum aus Vichy-Frankreich fehlte und der das Risiko der Abschiebung nach Frankreich am 26. Sept. 1940 durch Selbstmord löste, wird seine rekonstruierte Bibliothek, die Bibliothek des passionierten Buchsammlers mit den für ihn schönsten Büchern gezeigt In dieser Bibliothek lebte Walter Benjamin. Das war sein Paradies. Zweimal verlor er sie im Laufe seines Lebens und Herbert Blank, der große Antiquar, rekonstruierte die Bibliothek. 1976 erschein sein Katalog „In Walter Benjamins Bibliothek“. In Solingen wird sie erstmalig gezeigt. Dies alles also hat also Benjamin in seinem Leben zur Kenntnis genommen. Dabei findet sich nicht nur philosophische Literatur, sondern auch Adolf Glaßbrenners „Berlin wie es ißt und trinkt“. Es finden sich Sherlock Holmes und Simenon, Hauffs Märchen und das Buch Lion Feuchtwangers über Goya.    
Außerdem wird an Walter Benjamin mit einem Modell der Gedenkstätte in Portbou erinnert, die, von Dani Karavan entworfen, 1990-1994 südlich der Pyrenäen an der Mittelmeerküste entstand. Das Modell entspricht nicht vollständig der Anlage, wie sie sich heute darstellt, gibt aber eine Vorstellung davon.
 
Auch im nachgezeichneten Lebensweg Václav Havels, der seine Kindheit unter den Nazis verbrachte

Francisco de Goya, Contra el bien general - Foto © Johannes Vesper
und später von den Kommunisten unterdrückt wurde, bewahrheitet sich der Satz Walter Benjamins: Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem sie leben, die Regel ist (Über den Begriff der Geschichte VIII). Das gilt in diesen Tagen seit 20 Jahren ausnahmsweise mal nicht für  Deutschland, aber für die enger gewordene Welt allemal.
Und weswegen Goya, Benjamin und Vaclav Hagel in einer Ausstellung? Sie sind die unsterblichen Sterne, die für eine bessere Welt eintreten und die natürlich in das Museum der verfolgten Künste gehören. Diese Bilder und Literatur können ein Lehrstück sein für unsere zeitgenössische Gesellschaft, auch für die jungen Leute. Die Eröffnung der Ausstellung war gut besucht, das Durchschnittsalter betrug schätzungsweise 65 Jahre. Die dargestellten Katastrophen sind also aus eigenem Erleben dem Publikum wohl nicht mehr bekannt.  
Es gibt einen umfangreichen Katalog, in dem die ausgestellten Bilder und Bücher abgebildet sind und die zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler vorgestellt werden. Ausstellung und Katalog lohnen!
 
Katalog
Die Unsterblichkeit der Sterne 
Von Francisco de Goya über Walter Benjamin zu Václav Havel
Eine Ausstellung von Jürgen Kaumkötter und Jürgen Artke
Gemälde und Grafiken von Francisco de Goya – Die rekonstruierte Bibliothek Walter Benjamins – Václav Havel und die deutschsprachige Literatur Böhmens, Antworten zeitgenössischer Kunst auf Goya (Maja Bajevic - Jacques Callot - Dani Karavan – Mieczyslaw Koscielnik – Otto Pankok – Daniel Pesta – Cornelia Renz – Eugenio Lucas y Velasques – Tiun Winkhaus – Yongho Zhao).
Kunstmuseum Solingen – Zentrum der verfolgten Künste
ISBN 3-936295-09-3,  500 S.,  36.- €
 
Weitere Informationen unter: www.museum-baden.de

Redaktion: Frank Becker