Die ernüchternde Wirklichkeit

Jane Christmas - "Reisen mit Mama"

von Jürgen Kasten
Unnötige Reise
 
Zugegeben, die Terrasse auf der ich das schreibe und dabei in einen herrlichen Sonnenuntergang schaue, befindet sich im Norden Italiens. Ich kenne aber auch andere schöne Ecken des Landes. Italien ist Jane Christmas´ Traumland. Sie kennt es bisher nur aus dem Internet, von Erzählungen ihrer Freunde, italienischer Bekannter und ihrem Pizzabäcker aus Hamilton/Ontario.
 
Die 1954 in Toronto geborene Jane Christmas ist Reiseautorin und Journalistin und hat drei erwachsene Kinder, zu denen sie ein gutes Verhältnis hat. Das zu ihrer betagten Mutter ist immer gespannt und von Kleinkrieg überschattet. Die Autorin beschließt, sich mit ihrer Mutter mal so richtig auszusprechen, bevor es zu spät ist, und zwar auf einer sechswöchigen Italienreise. Mutter liebt schließlich genau wie sie Kunst, Antiquitäten und alte Architektur. Noch während der Vorbereitung und Buchungen über das Internet, wird der Autorin bewußt, daß es nicht so einfach wird, denn Mutter ist inkontinent, hat Arthrose, Asthma und ein Herzleiden. Außerdem ist sie Diabetikerin, allergisch gegen Meeresfrüchte und trägt kein Hörgerät, obwohl sie schwerhörig ist. Der Rollator, der ständig und der Rollstuhl der gelegentlich benutzt werden muß, ist dabei noch gar nicht erwähnt. Die Reise startet im Februar und umfaßt den gesamten Stiefel von Sizilien bis Venedig.
 
Im ironisch lockeren Ton stellt die Autorin sich und ihre Familie vor, schildert das zwiespältige Verhältnis zu ihrer Mutter, die beschwerliche Anreise und die Ankunft mit einem Mietwagen in Alberobello. Für die erste Zeit war ein luxuriös modernisierter trullo die Unterkunft für die beiden Frauen. Tagelang regnete es und schnell gingen sich Mutter und Tochter auf die Nerven.
Trotz der geschilderten Mißgeschicke liest sich das anfangs heiter beschwingt, setzt beim Leser bekannte Assoziationen frei, wird im zunehmenden Maße jedoch klagender: Immer wieder Regen (Februar), penetrant gaffende Italiener, unfreundliches Hotelpersonal, schlechtes Essen, Kopfsteinpflaster in den mittelalterlichen Innenstädten, keine Behindertenrampen an den Museen, fehlende Aufzüge in alten Hotels, störende Bustouristen, usw. usw. Als die Autorin deutsche Touristen an der Theke einer Raststätte beobachtet, die sich nicht anständig anstellen können, versteigt sie sich in den Satz „Hitler würde sich im Grab umdrehen, wenn er das sehen könnte“.
 
Na ja, zu dieser Zeit schon machte das Buch ohnehin keinen Spaß mehr. Es gab natürlich auch einige glückliche Momente, die das Zusammenleben mit Mama erträglich machten, es gab auch schöne Kunst und Architektur zu beschreiben und vor allem hatte es die Kunst des italienischen Straßenbaus der Autorin angetan; aber vor allem war und blieb es mit Mama schwierig. Zu einer Aussprache kam es natürlich nicht. Mama war nach einigen Wochen körperlich und die Tochter psychisch am Ende. Nach fünf Wochen wurde die Reise vorzeitig abgebrochen. Am Ende fügt Jane Christmas versöhnlich an, daß sie einige Jahre später zusammen mit ihrem Freund die Italienreise wiederholte und ihr nun das Land und überhaupt alles sehr gefiel. Zu ihrer Reise mit Mama kam die Autorin zu der Erkenntnis, daß der Umgang mit alten Eltern nicht einfach ist; aber es ist wie es ist und man muß es hinnehmen und akzeptieren.
 
Das wars. Ein Buch, das man lesen kann; aber nicht muß.

Beispielbild

Jane Christmas
Reisen mit Mama
 
Aus dem Englischen von Mechthild Sandberg
 
© 2010 Piper Verlag GmbH, München
 
336 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag,
€ 19,95 (D), € 20,60 (A), sFr 30,50 (CH) - ISBN: 978-3-89029-381-3
 
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