Die verlorene Ehre der Desdemona Blum Top und Flop in der Wuppertaler Inszenierung von Verdis Musikdrama „Otello“ Musikalische Leitung: Toshiyuki Kamioka – Inszenierung: Johannes Weigand – Bühnenbild: Moritz Nitsche – Kostüme: – Judith Fischer – Dramaturgie: Karin Bohnert – Einstudierung der Chöre: Jaume Miranda – Licht: Fredy Deisenroth – Fotos: Michael Hörnschemeyer Otello: Kor Jan Dusseljee – Jago: Ks Károly Szylágyi – Desdemona: Capucine Chiaudani – Emilia: Joslyn Rechter – Cassio: Cornel Frey – Rodrigo: Stephan Boving – Judovico: Christoph Stegemann – Montano: Reinhold Schreyer-Morlock – Ein Herold: Oliver Picker Sinfonieorchester Wuppertal - Chor, Extrachor und Kinderchor der Wuppertaler Bühnen - Statisterie Top 1 - Das Sinfonieorchester Wuppertal Einmal mehr stellte das Sinfonieorchester Wuppertal unter seinem GMD Toshiyuki Kamioka unter Beweis, daß es zu einem der vornehmsten deutschen Klangkörper gehört. Die von Kamioka gepflegte Musikkultur, sein Engagement und seine spürbare Begeisterung beseelen dieses
Flop 1 - Die Bühne Die schräg-konkave Ebene, die Moritz Nitsche auf die Bühne gestellt hat und die auch mit viel gutem Willen nicht als interessant oder zumindest multifunktional bezeichnet werden kann, war schlichtweg häßlich. Zudem unpraktisch für die Darsteller, die schweren Stand darauf, darunter und daneben hatten. Die düstere Farbwahl in anthrazit mit weißen Farbtupfern und einem roten Tuch (!) als ebensolchem Faden entspricht vielleicht der düsteren Stimmung des Mohren und seines intriganten Ratgebers, keinesfalls aber der Sonneninsel Zypern, auf der die Handlung angelegt ist.
Dazu zählen wir flugs auch Flop 2 - die Kostüme, die genauso langweilig waren wie das Bühnenbild, das nur einmal an Farbe und Witz gewann - dazu aber später. Top 2 - Die Sänger Stimmgewaltig von Beginn an Ks Károly Szilágyi als Jago, dessen kraftvoller Bariton die gesamten gut 2¾ Stunden hindurch den nicht geringen Anforderungen mehr als genügte. Kor Jan Dusseljee als Otello hingegen brauchte eine gewisse Anlaufzeit, bis sein nicht weniger energischer Tenor die Höhe erreichte, die ihm später ebensolchen Jubel einbrachte wie ihn Szilágy ernten konnte. Cornel Freys Tenor als Cassio wirkte dagegen dünn. Ihn hat man schon weit besser gehört. Nur kurz, doch beeindruckend Christoph Stegemanns Auftritt als Ludovico. Sein köstlicher Baß ist eine Ohrenweide. Die Chor-Einstudierungen von Jaume Miranda waren wie so oft in der Wuppertaler Oper ein rechtes Vergnügen. Auf diesen Chor kann man anscheinend immer setzen. Nur die Kinder hätte man nicht so exzessiv einsetzen müssen - auch wenn sie so herzig sind und Eltern und Großeltern als Publikum mitbringen. Kommen wir aber zum Herzstück der Aufführung, der phantastischen Capucine Chiaudani (Sopran). Sie bewegte als Desdemona merkbar die Herzen des Publikums im ausverkauften Haus. Glanzvoll ihre Stimme, bestechend ihr Vortrag - und eine Offenbarung ihr "Ave Maria, piena di grazia" im 4.
Flop 3 - der Darstellung Selten sah man so wenig schauspielerisches Talent auf einer Bühne wie hier. Hölzern und statisch agierten alle bis auf Stegemann, von der Regie scheinbar nicht geführt. Da hätte man sich auch gut eine szenische Aufführung vorstellen können. Hinzu kamen ungeschickte Einfälle wie ein seinen Degen polierender Feldherr - ja hat denn der keinen Burschen? - oder der selbe, der wie ein Dieb in der Nacht in Assassinen-Manier ins eigene Schlafzimmer einsteigt, anstatt die Tür zu benutzen. Albern. Alles wirkte überzogen: Jago im Intrigenspiel kam wie ein Stummfilmschurke daher. Der eifersüchtige Otello, ein rasender Kotzbrocken, dem man nicht abnehmen konnte, daß er je Liebe zu Desdemona empfunden haben könnte, ja überhaupt lieben könne, ist schauderhaft angelegt. Desdemona stolpert gleichermaßen ungeschickt wie komisch über die Bühne und Cassio scheint überall deplaziert. Wie gesagt, man möchte die Augen schließen und nur hinhören. Top 3 - Das Licht Spät, aber nicht zu spät kommt das Licht im letzten Akt zu seinem dramaturgischen Recht. Fredy Deisenroth lieferte da eine Meisterleistung der Stimmungswechsel ab, ohne die der Akt im grauen Anthrazit-Einerlei untergegangen wäre. Flop 4 - Die Oper selbst Ich bin mir im Klaren darüber, daß sich der eine oder andere jetzt empören wird, wenn ich die Oper ein wenig zerlege. Warum nur nimmt das Opernpublikum einen solchen Hirnriß unwidersprochen hin? Zumindest alle Psychologen, Ärzte und Gerichtsmediziner müßten während der Vorstellung unter Qualen den Saal verlassen, zumindest aber anschließend wütende Pamphlete gegen Verdi und seinen Librettisten Arrigo Boito, von mir aus auch gegen William Shakespeare verfassen. Warum? Weil es schlicht lachhaft ist, daß eine bereits Erwürgte sich auf dem Totenbett liegend noch einmal zu Wort, will sagen zur Arie meldet und mit zerquetschtem Kehlkopf und mächtigen inneren Hämatomen in strahlendem Sopran es auch noch singt: "Du hast mich ermordet". Lächerlich. Nicht weniger hirnrissig ist eine Figur wie Otello: ein offenbar intelligenter Mann und umsichtiger Heerführer, der es trotz schwarzer Hautfarbe (die übrigens bei dieser Aufführung nicht sehr haltbar war) zu hoher
Top 4 - Die Musik Aber die Musik ist ein natürlich Traum! Da folgt ein Höhepunkt dem anderen, beginnend mit Otellos "Esultate" und Jagos "Inaffia l´ugola" und sein "Credo in un dio crudel". Desdemonas "Gran dio!" und das oben bereits erwähnte und immer noch eine weitere Erwähnung werte "Ave Maria, piena di grazia" gehören ebenfalls zu den Juwelen dieser zum Schönsten ihres Genres gehörenden Oper. Verdi sei Dank! Weitere Informationen, so über weitere Aufführungstermine unter : www.wuppertaler-buehnen.de Lesen Sie auch: www.musenblaetter.de |