Richard Wagner und Stuttgart 21

Eine Sottise aus dem Jahr 2015

von Peter Bilsing

© Peter Klier
„Vor ihrem Neid bietet sie Bergung nun“
 
Richard Wagners RING anno Domini 2015
 Das neue Walhalla heißt „Stuttgart 21“
 
(Alle Zitate O-Ton aus Richard Wagners RING, 1848)
 
 
„Vollendet das ewige Werk … die Götterburg! Prächtig prahlt der prangende Bau. Wie im Traum ich ihn trug, wie meine Wille ihn wies, stark und schön steht er zur Schau, hehrer herrlicher Bau! … In der Götter neuem Glanze sonnt Euch selig fortan!“ (Chor des Aufsichtsrates der DB – Mai anno 2015, zur Fertigstellung von Stuttgart 21, Solisten: Stefan Mappus, Volker Kefer)
 
 
Wir erinnern uns damals im Jahre 2010: (Ex-)Ministerpräsident Mappus tönte: „Ein stolzer Saal, ein starkes Schloß, danach steht mein Wunsch!“ Doch schon ein halbes Jahr später „Mit bösem Zoll zahlt ich den Bau“ hatte Stefan Mappus schließlich nach den verlorenen Kommunal-Wahlen zugeben müssen: „Hah, zertrümmert, zerknickt. Der Traurigen traurigster Knecht!“
 
Heiner Geißler hatte die Verhandlungen wegen fehlendem „echten Willen zur Streitschlichtung auf Seiten der Bahn und Politik“ im November 2010 nach 22 Tagen beleidigt abgebrochen. Nun, im Mai 2011 bei den Landtagswahlen war die CDU unter 10 Prozent gefallen und „Die Grünen“ hatten die absolute Mehrheit erhalten. Doch was ein echter Hardliner wie Alberich Rambo Mappus ist, der auch schon einmal Panzerwagen und Tränengaswasserwerfer gegen Rentner, Frauen mit Kinderwagen und Jugendliche einsetzt, der gibt nicht auf: „Was mächtig der Furcht, mein Muth mir erfand, wenn siegend es lebt – legt es den Sinn dir dar!“, so hat er bis heute im Mai 2015 unbeirrt weiter auf Siegfrieds Horn getrötet. Verwurzelt in geradezu archaischem Treuewahn und Sturheit und beflügelt durch eine nicht unsympathische Ministerpräsidenten-Pension.
 
Ach, hätte er doch auf Erda, die Mutter allen Wissens und aller Weisen, gehört. „Weiche, Stefan weiche! Flieh des Ringes* Fluch! Rettungslos dunklem Verderben weiht dich sein Gewinn!“ Und immer wieder hatte riesengleich er entgegnet: „Was Du bist, bist Du nur durch Verträge!“ Mappus fehlte eine weise Frau wie Fricka: „Oh lachend frevelnder Leichtsinn! Liebelosester Frohmut! Wußt ich um eu´ren Vertrag, dem Trug hätt ich gewehrt.“ Doch der Mann hört nicht auf Frauen – auf weise erst recht nicht! Er hört überhaupt nicht. Und so überhörte er auch der weisen Ur-Wala letzten Satz: „Höre, höre, höre. Alles was ist endet! Ein düstrer Tag dämmert den Göttern auf. Dir rat ich, meide Ring*! ... Sinne in Sorge und Furcht!“
 
* - setze „Bahnhof“ statt „Ring“!
 
„Seid ihr bei Trost mit eurem Vertrag?“, hingegen immer wieder das Motto der Bürgerbewegung, dem sich inzwischen weitere Aktionsbündnisse der BRD - unter anderem die Atomkraftgegner sowie die Gegner des Irrsinnsprojektes Elbphilharmonie Hamburg (deren Baukosten mittlerweile bei 1 Milliarde angekommen sind, ohne daß ein Eröffnungsszenario in Sicht ist) – angeschlossen hatten. „Hah, wie unrecht! – Die ihr durch Schönheit herrscht, schimmernd hehres Geschlecht, wie thörig strebt ihr nach Thürmen von Stein. Traulich und treu ist´s nur in der Tiefe: Falsch und feig ist was dort oben sich freut.“
 
„Abendlich strahlt der Sonne Auge.“ Die Stuttgarter Innenstadt ist mittlerweile größtenteils verwüstet, durch die jahrelangen bürgerkriegsähnlichen Kämpfe der Bahnhofs-Gegner mit den Vertretern der Staatsmacht, die wegen der hinzugekommenen autonomen Chaoten einen harten Kurs fuhren; Massenschlägereien, brennende Autos und zerstörte Geschäfte waren jahrelang Alltag. Die vernünftigen Bürger und Geschäftsleute sind heuer ausgezogen – die Hausbesetzerszene beherrscht anno domini 2015 die Innenstadt. „Niemand sieht mich, wenn er mich sucht.“ Statt Bürogebäude und Parks gibt es oben über dem neuen Bahnhof nun ein riesiges Gefängnis mit angeschlossenem Schnellgericht. Abgesichert von 6 Meter hohen Betonzäunen aus Israel, Z-Draht aus Rußland, alten DDR-Mauerresten, chinesischen Selbstschußanlagen und Wassergräben aus Schottland, ist ein echter unterirdischer Prachtbau entstanden. „Vieles sah ich, Seltsames fand ich: doch solche Wunder gewahrt ich noch nie!“ Ein Haus ohne Menschen „Dem Werk ohne Gleichen kann ich nicht glauben.“, denn die strengen Sicherheitsvorkehrungen lassen es nicht zu, daß Bürger das tiefergelegte neue Gebäude „Bahnhof Stuttgart 21“ betreten dürfen. Alle Züge fahren zurzeit noch durch. Der Begriff „Durchgangsbahnhof“ bekommt neue Gesichtszüge.
 
Endlich, endlich ist der Bahnhof fertig.  „Die selige Burg, sie steht nun stark gebaut.“ Ein stabiler Prachtbau, wie versprochen, ist er geworden. Meilenstein deutscher Architektenkunst „Kein Stein wankt im Gestemm…“ So rufen die Bahnoberen zurecht: „Nicht gezögert, rasch gezahlt!“
 
Da gibt es allerdings jetzt ein Problem, denn die Bundesregierung (heuer 2015: Grün 60/Rot 5 Prozent) möchte angesichts der realen Kosten von nun 50 Milliarden Euro den Vertrag mit der Bahn kündigen und die Restrate von 25 Milliarden nicht mehr bezahlen. Sie fühlt sich hintergangen und betrogen „Das Rheingold raubte sich rächend ein Dieb!“ Bundeskanzlerin Kühnast zu Bahnvorstand Volker Kefer: „Deiner Untreu trau ich, nicht Deiner Treu! Mit Golde gekirrt, nach Gold nur wollt ihr noch gieren?... Gieriges Gaunergezücht!
 
Dieser zieht nun beleidigt und von Gläubigern bedrängt vor das Bundesverfassungsgericht, sich auf die Vertragsrunen seines Speers berufend: „Verträgen haltet die Treue!“ Und Finanzministerin Roth brüllt ihn an: „Schweig dein faules Schwatzen, Du Knecht!! Sinn auf anderen Sold.“
 
Doch die Bahn hat keine Reserven mehr; ihre milliardenschweren Auslandseinkäufe von 2003 unter Bahnruinator Mehdorn sind nach und nach alle pleite gegangen, und um den Verlust aufzufangen, wurden schon die Fahrpreise soweit erhöht (1 Euro/Kilometer), daß heute viele Bürger lieber das Taxi nehmen. Notwendige Gleisarbeiten konnten nicht durchgeführt werden, und die ICE-Trassen sind seit 2012, nach einigen Unfällen, stillgelegt. Daher begibt man sich nun auf die Suche nach dem sagenhaften Rheingold, um die Finanzierungslücke zu schließen.
 
Hier weiß Loge Gysi (heuer: Außenminister) guten Rat: „Ein Tand ist´s in des Wassers Tiefe, lachenden Kindern zur Lust, doch war es zum runden Reife geschmiedet, hilft es zu höchster Macht, gewinnt dem Besitzer die Welt!“
 
Da stellt sich für Bundeskanzlerin Kühnast natürlich die sehr naheliegende Frage: „Taugte wohl des goldenen Tandes gleißend Geschmeid auch Frauen zu schönem Schmuck?... Den Ring muß ich haben!“ So reist sie nach Düsseldorf und stürzt sich in die Fluten des Rheins „Verlorner Jugend erjag ich erlösendes Gold …Zurück vom Ring!“ Gysi: „Glückauf, Glück auf!“
 
Mittlerweile vermutet man allerdings das sagenhafte Rheingold nicht mehr im legendären Fluß, sondern Gutachter und Fachleute gehen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen davon aus, daß es exakt unter dem neuen Stuttgarter Bahnhof liegen soll. Eine Kabinettssitzung, besser Seance, im Bildungsministerium von Uri Geller soll dies ebenfalls bestätigt haben. „Schätze zu schaffen und Schätze zu bergen nützt mir meine Macht, doch mit dem Hort, in der Höhle gehäuft, denk ich dann Wunder zu wirken, die ganze Welt gewinn ich… hinab mit mir!“ Bagger mit Abrißbirnen und großes Abräumgerät erscheinen…
 
NB:
Oder doch keine Glosse?


© 2010 Peter Bilsing