„Delirant isti Romani!“

Karl-Wilhelm Weeber und der heitere Zugang zur römischen Antike

von Manfred Görgens
„Delirant isti Romani!“
 
Karl-Wilhelm Weeber und
der heitere Zugang zur römischen Antike
 
Von Manfred Görgens
 
Sie hatten ihre Schwächen – bewundernswerte Schwächen. Von „Asterix“ bis zum „Leben des Brian“ torkelt die Nachwelt schmunzelnd und zugleich bewundernd durch das Imperium der Römer. Nach rund zwei Dutzend Büchern über die antiken Giganten zählt der aus Witten stammende Erfolgsautor Karl-Wilhelm Weeber, Professor für Alte Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal zu denen, die das Alte Rom kennen wie ihre Westentasche. „Alles Quatsch“ ist für ihn, was so gerne über die Römer kolportiert wird, darunter die Mär vom anstrengungslosen Wohlstand. „Ein solches Urteil grenzt an Zynismus gegenüber den einfachen Leuten, die sich schlichtweg abrackerten.“


Karl-Wilhelm Weeber - Foto © Manfred Görgens
 
Weebers Anliegen besteht darin, die Dinge ein wenig zurechtzurücken. Daß er seine „wissenschaftlich fundierte, aber nicht im eigentlichen Sinne wissenschaftliche“ Arbeit ausgerechnet denen widmet, die wegen ihrer Großspurigkeit noch nach 2000 Jahren die Häme auf sich ziehen, hat einen berufsbedingten Grund. Denn Weeber ist „alter Lateiner“, unterrichtete die tote Sprache am Gymnasium und tat das mit besonderer Freude bei seinen jüngsten Schülern, die noch in der Lage seien, gänzlich unbefangen einfach nur zu staunen. „Quatsch“ sei allerdings auch die alte Faustregel, wonach ein guter Lateinschüler zugleich Mathematik beherrsche. „Ich konnte mich an meinen eigenen Mathe-Noten vom Gegenteil überzeugen.“
Der Schalk in Weebers Nacken ist gewiß Teil seiner Erfolgsgeschichte. Mit „Flirten wie die alten Römer“ blickte er 1997 auf antike Methoden der Schäkerei, die heute total uncool erscheinen. Wer würde denn noch vor Verklemmtheit strotzende Liebesbriefe auf wachsbeschichtete Holztäfelchen schreiben? Hart am Puls der Zeit wirke dagegen die altrömische Graffiti-Praxis. Das Drama von Pompeji besitze doch wenigstens diese Kehrseite, daß es einen fast lebendigen Einblick in den antiken Alltag vermittele und damit eben auch preisgebe, was Römer an die Wände schmierten. Mit „Decius war hier“ legte Weeber das „Beste aus der römischen Graffiti-Szene“ frei, nur um selbst zu staunen, daß keine politischen Parolen eingeritzt wurden.
 
Eher schon notierten die Schmierfinken, was sie sich auf Holztäfelchen eben nicht zu schreiben trauten. „Die ganz versauten Sprüche habe ich natürlich nicht im Unterricht verraten“, merkt Weeber an. In seinem Buch hat die Zensur unterdessen keinen Platz. Dabei amüsiert es den Autor, der die Graffiti erstmals ins Deutsche übersetzte, daß seine Kollegen wegen Befangenheit – gleichsam mit einem „Satz roter Ohren“ – an einer solchen Aufgabe oftmals scheitern. „Meine Schüler hatten damit viel weniger Probleme.“
2011 soll Weebers „Zeitreiseführer Pompeji“ erscheinen, doch besteht ein klitzekleines Problem: „Das Buch muß erst noch geschrieben werden.“ Derweil blättert der Autor durch den „Alltag im Alten Rom“, der als nunmehr reich bebilderte Neuausgabe seit kurzem im Handel ist. Vor Erscheinen eines Buches sei er immer noch nervös, gesteht Weeber, der die Schreiberei als „Wochenend- und Ferienbeschäftigung und eine Art Hobby“ betreibt. Das erste Buch erschien 1977 unter leicht verändertem Autorennamen: Weber statt Weeber. Damals Assistent an der Uni Bochum, erlebte der Altsprachler nämlich, daß „man von den Kollegen nicht gestreichelt“ wird. Was er da tat, eben für eine breite Öffentlichkeit zu schreiben, galt den Wissenschaftlern als ehrenrührig. Aber: „So etwas kann ja gar nicht jeder. Deshalb sollte man doch die Leute lassen, denen es gelingt.“
Ein paar Monate vergehen wie im Flug, wenn Weeber ein neues Thema anpackt. Er schreibe nicht direkt in den Computer, sondern brauche das Haptische, müsse „schon mal am Stift nuckeln“ können und wolle gerade, wenn er im Süden schreibe, doch keinen Computer, sondern lieber ein Gläschen Wein vor sich sehen. Erfreulich sei allemal, daß der Autor Weeber den Lehrer Weeber beflügelt habe und vice versa. „Schreiben ist eine Art Unterrichtsvorbereitung“, sagt er, denn wer über die Römer schreibe, könne eben auch viel über sie erzählen. Gerade das hätten seine Schüler genossen und besonders gerne von Phänomenen wie „Toiletten im Alten Rom“ gehört.
 
„Wunderbar veralbert“ werde Lateinunterricht im „Leben des Brian“, schmunzelt Weeber und gelangt über die Toiletten dann auch zu jenem berühmten Filmzitat: „Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?“ Nicht jeder seiner Kollegen habe Verständnis dafür, daß Weeber derlei Ulk köstlich findet. Da komme auch schon mal die Frage, ob man sich auf so ein Niveau begeben müsse. Dem Buchautor ist das nur eine Gegenfrage wert: „Warum denn nicht?“
Aktuell ist ein nicht nur Lateinschülern, Zeitungslesern und Fernsehzuschauern ans Herz zu legende Buch Karl-Wilhelm Weebers auf dem Markt: „Wie Julius Caesar in die Fanmeile kam“ – Der etwas andere Einstieg ins Lateinische. Weeber geht hier der Herkunft alltäglicher Worte, Begrifflichkeiten, Vorgänge und Abläufe auf den Grund und findet ihn – natürlich im alten Rom. Gleichzeitig macht er den Umgang mit den lateinischen Sprachbausteinen schmackhaft, indem er amüsant und aufschlußreich mit Hilfe von Martial, Seneca und Ovid Brücken zwischen Rom und Remscheid, Pompeji und Paderborn, Cicero und Criminal Intent schlägt. Auch hier ist dem Graffiti neben u.a. „Werbe-Latein“, Ursprüngen unserer Alltagssprache, und Zahlenspielen ein deftiges Kapitel

Karl-Wilhelm Weeber - Foto © Manfred Görgens
gewidmet.

Im kommenden Werk „Rom sei Dank“ wird ab Dezember nachzulesen sein, „warum wir alle Caesars Erben sind“. Mit Geschwindigkeit, Effizienz und Rationalität habe der große Imperator bereits Dispositionen für heutige Führungskräfte geprägt. Was die Zeitgenossen taten, während Cäsar schlief, untersucht Weeber in „Nachtleben im Alten Rom“. Gab es damals Licht in den Straßen. Nein, die meisten Römer legten sich aufs Ohr. Indessen gab es „eine Szene“, ein Konglomerat lockerer Gesellen, die dies und jenes trieben und eben auch versaute Graffiti in die Wände des Imperiums ritzten.
 

Karl-Wilhelm Weeber, „Wie Julius Caesar in die Fanmeile kam“
– Der etwas andere Einstieg ins Lateinische
© 2009 Herder Verlag, 176 Seiten, HLn., mit Illustrationen von Frank Wowra, 14,95 €
 
Redaktion: Frank Becker