Eine Wiedergeburt der Beat-Generation

Christian Brückner liest "beat"

von Frank Becker
Eine Wiedergeburt
der Beat-Generation


Das widerborstige Haar ergraut, der Mann voller nervöser Energie, welche die Literatur reflektiert, deren Botschaft er überbringt: Christian Brückner spricht Texte der "Beat-Generation", die in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die geistige Entwicklung in den USA und in der Folge auch in Europa entscheidend beeinflußt haben.


Seine eindringliche Stimme, sicher derzeit die bekannteste deutscher Sprache (u.a. auch als Synchronsprecher für Bruce Dern, Harvey Keitel, Donald Sutherland, Peter Fonda, Martin Sheen und Robert de Niro), deren rauchige Sprödigkeit Worte in ein Licht trägt, wie es an klaren Sonnentagen durch Birkenwälder zittert oder sich als Neonwiderschein auf dem nassen Asphalt der 42. Straße spiegelt, zieht magisch und unweigerlich in ihren Bann. Man möchte beinahe glauben, daß die Texte auf diese Stimme und die zu der brillanten Collage komponierte Musik des Lone World Trios gewartet haben, um mit neuer Gültigkeit ihr Recht zu fordern.


Kai Brückner (Gitarre), Johannes Gunkel (Kontrabaß) und Jan von Klewitz (Saxophon) haben mit
ihren Kompositionen die Seele dieses Aufbruchs getroffen, unterlegen die Prosa Jack Kerouacs, Allen Ginsbergs, Stan Perskys oder Lawrence Ferlinghettis, die Lyrik Kay Johnsons, Gary Snyders oder Kenneth Kochs kongenial mit Cool Jazz, Bebop und melancholischen Blues-Elementen, die einem Lester Young oder Dizzy Gillespie Ehre gemacht hätten.


Christian Brückner läßt Kochs "48 Staaten" witzig und pointiert Gestalt nehmen, die Welt der erlebnishungrigen Hipsters in Ted Joans "Spielkameraden (Spielen wir was Gewagtes"), Ginsbergs "Amerika", Snyders "Fertigkeiten" und Frank O´Haras "An die Filmindustrie in der Krise" - alles Abrechnungen mit der Gesellschaft, deren Ordnung und Werte man bestritt, einer Gesellschaft, die in der möglichen Erwartung ihrer vollständigen Vernichtung durch einen nuklearen Krieg existierte.


Brückner grübelt, erzählt, tänzelt, flüstert, fragt und schreit - und läßt sich von den Worten biegen, während er ihnen Form gibt. Der Mann könnte das Kursbuch oder das Telefonbuch von Manhattan lesen und ihm Poesie verleihen.


Was vor 45 Jahren das bürgerliche Amerika mit  Jack Kerouacs "On the road" und der unverhohlenen Propagierung von Marihuana als Lösungsansatz zutiefst beunruhigt hat, und 1969 in Woodstock gipfelte, erweist sich heute als unverzichtbar für die kulturelle Identität dieses Landes - unter der ehemaligen bigotten Herrschaft der Republikaner unter Bush jr. Und der aktuell erstarkenden neokonservativen Bewegung mehr denn je zuvor. Wer Amerika verstehen und begreifen möchte (Michael Moore allein genügt einfach nicht), muß dieses Album hören. Eine dringende Empfehlung, auch jetzt, 10 Jahre danach, selbst obwohl derzeit vergriffen. Es lohnt sich, danach zu suchen.
 
Fotos im Text © Bernd Roselieb & Stefan Claudius
 

Christian Brückner liest "beat"

Christian Brückner - Stimme
Lone World Trio: Kai Brückner, Gitarre - Johannes Gunkel,  Kontrabaß - Jan von Klewitz, Saxophon

© 1999 Hazelwood Music Production/ Universal

Autoren und Stücke:

Jack Kerouac - Beat-Glückselig 5:08
Interlude   0:57
Stan Persky - Auf den Straßen  4:23
Gary Snyder - Fertigkeiten   2:12
Kenneth Koch - Die 48 Staaten 11:49
Interlude   0:57
Ted Joans - Spielkameraden   6:18
Lawrence Ferlinghetti - Ein Jahrmarkt des Herzens #3   1:17
Instrumental   3:57
Frank O´Hara - An die Filmindustrie in Krise   4:17
Frank O´Hara - Musik   1:56
Kay Johnson - Ich sitz in meinem Stuhl   1:17
Peter Orlowsky - Zweites Gedicht 2:26
Interlude   1:01
Allen Ginsberg - Amerika   7:52

Weitere Informationen unter: www.hazelwood.de  und: www.parlandoverlag.de